Zum Thema Vorkaufsrecht kursieren eine Menge Missverständnisse und Halbwahrheiten. Viele Mieter glauben, sie hätten grundsätzlich ein Vorkaufsrecht, wenn ihr Haus oder ihre Wohnung verkauft wird.
Auch Mieter, die eigentlich kein Interesse daran haben, ihre Wohnung zu erwerben, sollten wissen, welche Rechte ihnen zustehen. Besser selber kaufen, als die Wohnung einem Spekulanten überlassen, heißt in manchen Fällen die Devise. Grundsätzlich gilt: Nur wenn eine Mietwohnung zum ersten Mal in eine Eigentumswohnung umgewandelt wird, hat der Mieter ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Wenn lediglich das Haus den Besitzer wechselt oder wenn man schon in eine vermietete Eigentumswohnung eingezogen ist, gilt das nicht. Das Vorkaufsrecht greift auch nicht, wenn der Vermieter die Wohnung an einen Familienangehörigen veräußern oder wenn er sie verschenken will.
Wie macht man sein Vorkaufsrecht geltend?
Das Problem: Viele Mieter erfahren erst vom Verkauf, wenn es zu spät ist. Zwar ist der Vermieter verpflichtet, den Mieter über sein Vorkaufsrecht schriftlich zu informieren und ihm den – bereits abgeschlossenen – Kaufvertrag mit dem potenziellen Erwerber offenzulegen. Zwei Monate hat der Mieter dann Zeit, sich zu entscheiden, ob er seine Wohnung zum gleichen Preis kaufen will – bei umgewandelten Sozialwohnungen sogar sechs Monate. Seine Kaufabsicht muss er unbedingt schriftlich mitteilen. Eine formlose Erklärung genügt jedoch, die notarielle Beurkundung ist nicht notwendig. Ist er mit den vertraglichen Konditionen einverstanden, ist der ursprüngliche Kaufinteressent aus dem Rennen. Ist ein neuer Eigentümer allerdings schon im Grundbuch eingetragen, gibt es kein Zurück. Dem Mieter bleibt dann nur die Möglichkeit, Schadensersatz einzuklagen – vorausgesetzt er kann nachweisen, dass er seine Wohnung wirklich kaufen wollte.
So erging es auch einem Charlottenburger Mieter. Als ihm seine Wohnung für 74.000 Euro angeboten wurde, lehnte er ab. Später erfuhr er, dass der Käufer lediglich 50.000 Euro zahlen sollte und ließ seinem Vermieter per Anwalt sofort seine Kaufabsichten mitteilen. „Doch der hat das einfach ignoriert und in aller Seelenruhe die Grundbucheintragung vorbereitet“, erzählt der Mieter. Er klagt jetzt auf Schadensersatz.
Rabatt gilt auch für Mieter
Häufig werden auch Preisvergünstigungen bei sogenannten Paketverkäufen nicht an die Mieter weitergegeben. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Solche Rabatte müssen auch für den interessierten Mieter gelten.
Mitunter werden ganz bewusst Vertragskonstruktionen gewählt, mit denen das Vorkaufsrecht ausgehebelt werden soll. So veräußerte das Wohnungsunternehmen Gewobag vor einigen Jahren in Spandau 383 Wohnungen im Paket. Anders als bei solchen Geschäften üblich, wurde für jede einzelne Einheit ein gesonderter Preis aufgelistet. Nur für die 222 Wohneinheiten, die nicht mit einem Vorkaufsrecht ausgestattet waren, wurde ein Preisnachlass vereinbart. „Geschäfte, die Vorkaufsrechte umgehen oder vereiteln wollen, sind unwirksam“, erklärt Dr. Michael Häberle vom Berliner Mieterverein.
Wichtig: Auch wenn das Mietverhältnis bereits gekündigt wurde, kann sich der Mieter auf sein Vorkaufsrecht berufen. Erst wenn die Kündigungsfrist abgelaufen ist, erlischt es. Stirbt der Mieter, geht es auf denjenigen über, der in das Mietverhältnis eintritt.
Doch Vorsicht: Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt zwischen Mieter und Vermieter ein Kaufvertrag zustande. Eine solche Entscheidung sollte man daher erst nach gründlicher Beratung treffen.
Birgit Leiß
MieterMagazin 10/08
Wird die Wohnung veräußert, hat der Mieter in der Regel ein Vorkaufsrecht
(hier: privatisierte Bestände am Neuköllner Dammweg)
Foto: Jens Sethmann
Reihenhäuser in der Wilmersdorfer Lentze-Siedlung
Foto: Christian Muhrbeck
Zum Thema
Mehr Rechte im Reihenhaus
Auch Mieter einer Reihenhaussiedlung haben ein Vorkaufsrecht. Das entschied kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH, MieterMagazin 2008, Seite 262). In dem konkreten Fall ging es um die Lentze-Siedlung in Wilmersdorf. Der neue Eigentümer wollte die Siedlung in Einzelgrundstücke aufteilen und verkaufen. Während die Vorinstanzen der Ansicht waren, das Vorkaufsrecht gelte nur für Eigentumswohnungen, entschied der BGH zugunsten einer klagenden Mieterin. Ihr stehe ein Vorkaufsrecht zu.
bl
05.01.2018