Privatisierung durch Umwandlung, Zwischenerwerber, Mietergenossenschaft
Stand: 6/12
Mit dem Schlagwort „Privatisierung“ wird der Verkauf von Wohnungen durch Wohnungsgesellschaften oder Genossenschaften bezeichnet. So soll die Bildung von Wohneigentum unterstützt werden. Dahinter steht aber sicherlich auch der Wunsch, die große finanzielle Last der notwendigen Sanierungen auf möglichst viele Schultern zu verteilen und die kommunalen Wohnungsgesellschaften zu entlasten.
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
- Sicheres Wohnen in den eigenen vier Wänden?
- Was ist die Voraussetzung einer Privatisierung?
- Nicht jede Wohnung kann eine Eigentumswohnung werden
- Was das Eigentum kostet
- Vorsicht bei „Geschenken“
- Betriebskosten und Wohnungseigentum
- Zusätzliche Kosten bei Wohnungseigentum
- Die sechs Risiken des Wohnungseigentümers
- Der Eigentümer ist nicht „Herr im Hause“
- Wenn Sie Mieter bleiben wollen
Dass vorrangig an Mieter verkauft werden soll, ist aber nicht zwingend. Es werden auch sogenannte „mieternahe Privatisierungsformen“ anerkannt. Hierzu zählen Verkäufe an Zwischenerwerber, die einen Weiterverkauf an Mieter vorbereiten, Verkäufe des gesamten Hauses bzw. eines Wohnungsaufganges an eine Mietergemeinschaft und auch der Verkauf an neugegründete Wohnungsgenossenschaften, wo Mieter Mitglied werden und die Möglichkeit zum späteren Kauf ihrer Wohnung erhalten.
Unser Info Nr. 42 („Was ist eine Wohnungsbaugenossenschaft?“) und Info Nr. 51 („Mietrechtliche Besonderheiten bei Wohnungsbaugenossenschaften“) sollten Sie bei beabsichtigtem Verkauf an eine Genossenschaft oder bei Neugründung einer solchen lesen.
Sicheres Wohnen in den eigenen vier Wänden?
Sicheres und bezahlbares Wohnen ist zu einer Existenzfrage geworden. Viele Mieter fragen:
- Wie lange bleibt meine Miete noch bezahlbar?
- Welche Zusatzbelastungen – Heiz- und Nebenkosten – kommen auf mich zu?
- Muss ich meine Wohnung kaufen?
- Kann der Vermieter mir kündigen?
Daher klingen Angebote, die eigene Mietwohnung zu kaufen, auf den ersten Blick verlockend.
Das Zauberwort heißt Privatisierung.
Aber Achtung: Dabei können sich Mieter mehr Probleme und finanzielle Risiken „einkaufen“ als vom Halse schaffen.
Keine Frage: Im Einzelfall kann es sinnvoll und praktikabel sein, dass zum Beispiel alle Mieter eines Mehrfamilienhauses ihre Wohnung übernehmen, sanieren und als Eigentümergemeinschaft verwalten.
Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Ob es vernünftig und finanziell vertretbar ist, eine Wohnung zu kaufen, hängt von der Klärung vieler Fragen ab. Bescheid zu wissen, kann Mieter davor bewahren, kostspielige Fehler zu machen.
Hier sollen sachliche Informationen gegeben werden, auf welche Punkte Mieter vor einem Kauf der eigenen Wohnung achten müssen.
Informationsbroschüren
Alles, was Mieter und Wohnungskäufer wissen müssen, enthält die Broschüre „Kaufen oder Mieter bleiben? – Wohnen in der Eigentumswohnung“, erhältlich in der Geschäftsstelle des Berliner Mietervereins.
Was ist die Voraussetzung einer Privatisierung?
Miethäuser können in „Eigentumswohnungen“ aufgeteilt werden. Das nennt man die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder Privatisierung. Hierfür gibt es spezielle Vorschriften im „Wohnungseigentumsgesetz“ (WEG).
Danach muss ein Aufteilungsplan erstellt werden. Dieser beinhaltet die einzelne Wohnung als Sondereigentum. Daneben werden die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile (Treppenhaus, Fahrstuhl etc.) ausgewiesen (Gemeinschaftseigentum). Zu diesem Gemeinschaftseigentum gehören auch die Außenanlagen (Hof, Garten) und die tragenden Wände, Dach, Zentralheizung und so weiter. Einzelheiten regeln der Kaufvertrag und die Teilungserklärung, die man vor dem Kauf unbedingt lesen sollte.
Jeder Wohnungseigentümer wird automatisch Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum (Grundstück und Gesamtgebäude). Damit wird er auch verantwortlich für Instandsetzung und Instandhaltung dieses gemeinschaftlichen Eigentums und nicht nur seiner eigenen Wohnung (Sondereigentum).
Nicht jede Wohnung kann eine Eigentumswohnung werden
Eigentumswohnungen müssen in sich abgeschlossen sein. Das bedeutet, dass alle wesentlichen Räume, dazu zählen auch Küche, Bad und Toilette, in der Wohnung liegen müssen und dass die Wohnung gegenüber Gemeinschaftsräumen und anderen Wohnungen abgeschlossen sein muss. Wohnungen mit Außentoilette können daher zum Beispiel nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.
Was das Eigentum kostet
Zur finanziellen Belastung des Wohnungseigentümers zählt zunächst natürlich der Kaufpreis. Hinzu kommen die sogenannten Erwerbskosten (Notar- und Gerichtskosten, ca. 2 bis 2,5 Prozent des Kaufpreises) und die Grunderwerbssteuer (6 Prozent des Kaufpreises).
Da kaum ein Käufer so viel Geld im Sparstrumpf hat, muss der Kaufpreis finanziert werden. Man muss also einen Kredit aufnehmen, zum Beispiel bei der Sparkasse, einer Hypothekenbank oder einer Bausparkasse.
Diese Schulden müssen verzinst und zurückgezahlt werden. Entscheidend für die tatsächliche Zinsbelastung ist der sogenannte Effektivzins. Dieser ergibt sich aus dem eigentlichen Darlehenszinssatz (sogenannte Nominalzins), dem Auszahlungskurs (die Kreditsumme wird nicht immer in voller Höhe ausgezahlt, sondern zum Beispiel mit einem Abschlag von 5 oder 10 Prozent) und der Laufzeit des Darlehens. Kreditinstitute sind verpflichtet, den Effektivzinssatz anzugeben.
Seien Sie grundsätzlich kritisch gegenüber Finanzierungsangeboten, vor allem, wenn sie angeblich besonders „günstig“ sein sollen. Lassen Sie sich Angebote von mehreren Finanzierungsinstituten machen und vergleichen Sie vor allem den Effektivzins. Fragen Sie möglichst einen neutralen Fachmann, der Ihnen nichts „verkaufen“ will.
Verlassen Sie sich nicht auf mündliche Versprechungen. Im Streitfall gilt immer nur das, was schriftlich festgelegt ist. Unterschreiben Sie nichts unter Zeitdruck!
Vorsicht bei „Geschenken“
Es gibt Vorschläge, Mietwohnungen ganz besonders billig zu verkaufen, praktisch „zu verschenken“. Erstens ist das natürlich gar kein „Geschenk“, weil Gebäude und Wohnung später auf eigene Kosten in Schuss gebracht werden müssen. Zweitens sollte man sich vergewissern, ob die Wohnung nicht mit Schulden belastet ist, die der Käufer übernehmen muss.
Betriebskosten und Wohnungseigentum
Als Eigentümer müssen Sie die Bewirtschaftungskosten in Ihre Haushaltsplanung aufnehmen.
Das sind die monatlichen Belastungen für Strom, Wasser und Entwässerung, Heizung, Müllabfuhr, Straßenreinigung und so weiter; also die typischen Betriebskosten. Diese werden in der Regel auch neben der Miete gezahlt. Mieter und Eigentümer stehen sich insoweit gleich.
Zusätzliche Kosten bei Wohnungseigentum
Eigentümer müssen aber noch Kosten tragen, mit denen ein Mieter nichts zu tun hat, zum Beispiel Kosten des Verwalters, öffentliche Abgaben für Straßenbau, Parkplätze, Kinderspielplätze etc. (Anliegerbeiträge), Instandhaltungskosten, Reparaturkosten, Ansparen der Instandhaltungsrücklage für größere Reparaturen.
Eigentum teurer als Miete
Durch Erwerb der eigenen Wohnung kann man den Mehrbelastungen durch steigende Betriebskosten nicht aus dem Weg gehen. Der Eigentümer muss nämlich – wie der Mieter – die Betriebskosten und Heizungskosten ebenfalls bezahlen.
Zusätzlich muss er aber auch für eventuelle Sanierungs- und Modernisierungskosten aufkommen. Außerdem kommen die vorgenannten zusätzlichen Kosten hinzu.
Die sechs Risiken des Wohnungseigentümers
1. Risiko
Das größte finanzielle Risiko für Wohnungseigentümer liegt darin, dass sie sich neben den Reparaturen in der eigenen Wohnung auch anteilig an den Reparaturen und Instandhaltungen des gesamten Hauses beteiligen müssen (Gemeinschaftseigentum).
Wegen des schlechten Zustandes vieler Gebäude – gerade diese Wohnungen sollen ja vorrangig an Mieter verkauft werden – sollte man sich unbedingt vorher ein Bild über den Instandsetzungsbedarf machen. Da viele Mängel und künftig zu erwartende Schäden (zum Beispiel Rohrleitungen, Mauerwerk, Kamine, Außenwände in Tafelbauweise) für den Laien kaum erkennbar sind, ist es ratsam, einen Bausachverständigen heranzuziehen.
Deshalb: Finger weg von unsanierten Häusern oder Wohnungen. Kaufen Sie nicht die „Katze im Sack“! Vorsicht aber auch bei teil- oder grundsanierten Angeboten. Auch hier muss ein objektiver Sachverständiger prüfen, ob seriös und umfassend saniert worden ist.
2. Risiko
Mit dem Kauf Ihrer Wohnung sind Sie gebunden. Wenn Sie aus persönlichen oder beruflichen Gründen umziehen müssen, ist fraglich, ob Sie Ihre Wohnung überhaupt verkaufen können und wenn ja, zu welchem Preis.
3. Risiko
Der Einzelne hat kaum Einfluss darauf, wann welche Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Bei einem Defekt muss natürlich sofort ein Reparaturauftrag erteilt werden. Aber auch dann, wenn Versorgungsleitungen saniert werden müssen, gibt es kein Vetorecht des Einzelnen. Über solche Maßnahmen wird mit Mehrheit abgestimmt und Sie müssen sich unabhängig von Ihren finanziellen Möglichkeiten beteiligen.
Das kann zu einem finanziellen Fiasko für den Wohnungseigentümer werden, der seine ganzen Ersparnisse für den Kauf der eigenen vier Wände ausgegeben hat und sich bis über beide Ohren verschuldet hat.
4. Risiko
Sie wollen eine Modernisierung Ihrer Wohnung bzw. des Hauses durchsetzen, zum Beispiel eine Modernisierung der Heizung und Wärmedämmung der Außenwände. Im Gegensatz zu Reparaturen kann hier schon ein Viertel der Miteigentümer diese Maßnahmen mit ihrem Vetorecht blockieren. Das kann selbst für Arbeiten in der eigenen Wohnung gelten, wenn dadurch das Gemeinschaftseigentum oder Rechte von Miteigentümern betroffen werden.
Wollen Sie also Ihre Wohnung nur dann kaufen, wenn Sie auch die Garantie für eine Modernisierung haben, dann müssen Sie darauf achten, dass diese Modernisierung bereits in der so genannten Teilungserklärung für das Haus genau festgelegt ist.
5. Risiko
Die Kostenanteile derjenigen Eigentümer, die Gemeinschaftskosten (zum Beispiel eine Reparatur am Dach oder an der Heizung) nicht zahlen können, müssen zunächst die anderen Eigentümer mittragen, denn die Handwerker wollen in jedem Fall ihr Geld.
Dem Wohnungseigentümer, der mit Zahlungsverpflichtungen an die „Gemeinschaftskasse“ im Rückstand ist, droht im schlimmsten Fall sogar Entzug und Zwangsversteigerung seiner Wohnung.
6. Risiko
Die zur Finanzierung des Kaufpreises und der Nebenkosten aufgenommenen Kredite haben meist nur für eine begrenzte Zeit einen festen Zinssatz. Danach kann der Zins und damit auch die Belastung steigen (allerdings auch sinken). Im Übrigen können auch persönliche Veränderungen (Arbeitslosigkeit, nötiger Wohnortwechsel) einen Strich durch die Finanzkalkulation machen.
Der Eigentümer ist nicht „Herr im Hause“
In der eigenen Wohnung droht dem Eigentümer zwar keine Kündigung und keine Mieterhöhung, aber er ist nicht „Herr im Hause“. Das Recht, über die Benutzung, Verwaltung und über Änderungen am Gemeinschaftseigentum zu bestimmen, muss er sich mit allen anderen Eigentümern teilen. Hierzu gibt es die Eigentümerversammlung, wo jeder Eigentümer Stimmrecht hat.
Ein Mehrheitsbeschluss ist erforderlich, wenn Verwaltungsmaßnahmen beschlossen werden. Das sind zum Beispiel:
- Durchführung von Reparaturen,
- Benutzung von Gemeinschaftseinrichtungen (Fahrradkeller, Pkw-Abstellplätze, Waschküche etc.),
- Abschluss von Versicherungen,
- Zahlungen für die Instandhaltungsrücklage,
- Bestellung des Verwalters,
- Regelungen der Hausordnung.
Ein einstimmiger Beschluss ist erforderlich für:
- Bauliche Veränderungen am Haus (bei Modernisierungen reicht eine Dreiviertelmehrheit),
- Verfügungen über das gemeinschaftliche Eigentum (zum Beispiel Vermietung einzelner Kfz-Abstellplätze),
- Um- oder Anbauten bei einzelnen Wohnungen (zum Beispiel Balkonverglasung, Sonnenschutzmarkisen oder -rollos, isolierverglaste Fenster).
Die Beispiele zeigen, dass auch Veränderungen an der einzelnen Wohnung zum Teil nur mit Zustimmung aller anderen Eigentümer erlaubt sind, wenn dadurch das gemeinschaftliche Eigentum (zum Beispiel die Hausfassade) mit betroffen ist.
Wenn Sie Mieter bleiben wollen
Mieterschutz in „umgewandelten“ Wohnungen
Was geschieht, wenn der Mieter nicht kaufen will oder kann und ein anderer die Wohnung erwirbt? Aus Angst sollten Sie nicht kaufen.
Auch dann sind die Mieter nicht schutzlos: Der abgeschlossene Mietvertrag gilt weiter. Der Erwerber wird dann automatisch Vermieter zu den Bedingungen des alten Mietvertrags. Es muss auch kein neuer Vertrag unterschrieben werden!
Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserem Info Nr. 27 („Eigentümer- und Vermieterwechsel“).
Allgemeiner Kündigungsschutz
Natürlich gilt der allgemeine Kündigungsschutz auch für vermietete Eigentumswohnungen, das heißt: der Eigentümer muss grundsätzlich die Kündigungsfristen einhalten und er muss einen gesetzlich anerkannten Kündigungsgrund haben. Wichtig: Eine beabsichtigte Mieterhöhung ist kein Kündigungsgrund.
Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserem Info Nr. 120 („Die Sozialklausel – Kündigungswiderspruch nach § 574 BGB“).
Zusätzliche Kündigungssperrfrist
Nach der Umwandlung gilt in den Ländern Berlin und Brandenburg eine Kündigungssperrfrist für Eigenbedarfskündigungen von drei Jahren (in Teilen von Berlin beträgt die Frist sogar zehn Jahre). Die Kündigungssperrfrist beginnt mit der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch. Eine vor Ablauf der Sperrfrist ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist unwirksam. Danach gelten die allgemeinen Kündigungsvoraussetzungen und die Sozialklausel.
Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserem Info Nr. 26 („Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen“).
Keine freie Mieterhöhung
Ein neuer Vermieter darf die Miete nur im Rahmen der Gesetze erhöhen.
Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserem Info Nr. 19, Info Nr. 20, und Info Nr. 160.
Sonderschutz für Sozialmieter
Mieter von Sozialwohnungen brauchen auch nach einer Umwandlung nur die gesetzliche Kostenmiete zu zahlen.
Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserem Info Nr. 103 („Das Vorkaufsrecht des Mieters nach Umwandlung gemäß § 577 BGB“).
29.03.2022