Ein Berliner Klimaschutzgesetz ist dringend erforderlich, erklären unisono der Berliner Mieterverein (BMV) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin). Der vorgelegte Entwurf von Umweltsenatorin Lompscher (Linke) sei aber energiepolitisch nicht zielgenau und auch sozialpolitisch verbesserungswürdig.
Der BMV und der BUND wollen im Berliner Klimaschutzgesetz die kontinuierliche und verbindliche Reduktion des Wärmeenergiebedarfs von Gebäuden und die CO2-Reduktion festschreiben. Das Gesetz soll für unterschiedliche Technologien offen sein und Planungssicherheit schaffen, erklärte BUND-Landesgeschäftsführer Andreas Jarfe. Durch die Nutzung erneuerbarer Energien sollen die Belastungen für Mieter möglichst gering gehalten werden, im günstigsten Fall sogar warmmietenneutral sein.
Der von Umweltsenatorin Lompscher vorgelegte Gesetzentwurf für ein Berliner Klimaschutzgesetz sieht ab 2012 und nach einer Übergangsfrist den verpflichtenden Einsatz von erneuerbaren Energien für die Heiz- und Warmwasserbereitstellung in Wohngebäuden vor, wenn die zentrale Heizanlage mindestens 20 Jahre alt ist oder wenn für bisher durch Einzelöfen beheizte Räume eine Zentralheizungsanlage in Betrieb genommen wird. Faktisch kann diese Verpflichtung nach dem Entwurf aber vielfach ersetzt werden, zum Beispiel durch einen Anschluss an das Fernwärmenetz auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung oder eine energetische Sanierung gemäß Energieeinsparverordnung. Wegen der besonderen Anforderungen, die die Nutzung erneuerbarer Energien stellen, wird den Hauseigentümern zusätzlich eine Reihe von Ausnahmetatbeständen eingeräumt.
Sukzessive zum Passivhaus-Standard
Der Berliner Mieterverein hält den Gesetzentwurf für zu kurz gegriffen. Zusammen mit dem BUND hat er nun ein Modell vorgelegt, wonach ein festgelegtes Wärmeenergiemaximum von Gebäuden, beginnend mit dem Jahr 2012, alle fünf Jahre reduziert wird. Eine Sanierungsverpflichtung soll jeweils für Gebäude mit dem schlechtesten energetischen Zustand (hohe Energieverbrauchskennziffer) beginnen. Konkret: Für Wohngebäude mit einem Energieverbrauchskennwert von mehr als 230 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr würde der Erneuerungszwang bereits ab 2012 wirksam werden. Dieser Höchstwert bildet die beiden schlechtesten Stufen des energetischen Zustands, wie sie im Berliner Mietspiegel 2009 wiedergegeben sind, ab. Nach Schätzungen von BMV und BUND könnten damit für den ersten Sanierungszyklus ab 2012 circa 10 bis 15 Prozent des Berliner Wohngebäudebestandes erfasst werden. Das energetische Ziel orientiert sich zunächst am Neubaustandard der Energieeinsparverordnung (Niedrigenergiehausstandard, 60 bis 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr) und soll den sich stetig verschärfenden gesetzlichen Anforderungen regelmäßig angepasst werden. Bis zum Jahre 2050 wird der Standard von Passivhäusern (Energiebedarf von 30 beziehungsweise ein Energieverbrauchskennwert von 50 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr) angestrebt.
Warmmietenneutralität ist möglich
Die Verpflichtung zur energetischen Sanierung soll sich an einem maximal erzielbaren Energiebedarf (energetisches Ziel) und/oder einem CO2-Äquivalent (umweltpolitisches Ziel) orientieren. Das Stufenmodell überlässt es dabei den Hauseigentümern, mit welchen Maßnahmen die Ziele erreicht werden: durch Gebäudedämmung, Heizanlagenerneuerung oder erneuerbare Energien. „Unser Entwurf lässt Entscheidungsfreiheit bei der Reduzierung des Wärmeenergiebedarfs und der Reduzierung von CO2“, so Andreas Jarfe vom BUND. Allerdings soll die Verwendung erneuerbarer Energien nach Auffassung des BMV begünstigt werden.
Die von BMV und BUND vorgesehene Verpflichtung auf Einhaltung von energetischen Standards ist rechtlich unbedenklich, weil der Bundesgesetzgeber für bestehende Wohngebäude keine abschließenden Vorgaben getroffen hat. Die Anforderungen zu den Energiestandards, wie sie BMV und BUND vorschlagen, dürfen allerdings die Anforderungen, die für den Neubau in der Energieeinsparverordnung beziehungsweise dem Wärmegesetz festgeschrieben sind, nicht überschreiten.
Die Vermieter können – müssen aber nicht – nach derzeitiger Rechtslage 11 Prozent der Sanierungskosten jährlich als Mieterhöhung geltend machen. Der BMV stellt klar, dass insbesondere beim Einbau von solarthermischen Anlagen in Kombination mit neuen Gasbrennwertkesseln die Mieterhöhung durch die Heizkostenersparnis weitgehend aufgefangen werden kann. „Unter Verwendung von öffentlichen Fördermitteln kann eine Warmmietenneutralität oft erreicht werden“, erklärte der BMV-Vorsitzende Dr. Rips. „Beispiele aus der Berliner Wohnungswirtschaft belegen dies.“ Vor allem bei umfangreichen Maßnahmen mit kompletter Wärmedämmung wird es aber zu Erhöhungen der Warmmiete kommen.
Soziale Härten können dadurch vermieden werden, dass zunächst solche Gebäudeeigentümer zur energetischen Sanierung verpflichtet werden, deren Gebäude einen besonders hohen Wärmeenergiebedarf beziehungsweise Energieverbrauchskennwert aufweisen. Die Sanierung ist hier besonders wirtschaftlich, da hohe Energieeinsparungen zu erwarten sind. Darüber hinaus fordern BMV und BUND die Einführung eines „Klimawohngeldes“ für einkommensschwache Haushalte, damit Haushalte mit geringem Einkommen nicht in energetisch schlecht saniertem Wohnraum leben müssen. Bezieher von Arbeitslosengeld II sollen bei der Mietkostenübernahme einen Energiesparbonus erhalten. Die Richtwerte für die Mietkostenübernahme könnten bei einer energetischen Sanierung, die in einem bestimmten Verhältnis zur Heizkosteneinsparung stehen muss, überschritten werden.
Die individuellen Hilfen sollen Bestandteil eines Berliner Programms zur energetischen Sanierung werden. Das Programm soll zudem gezielt Anreize zur Energie- und CO2-Einsparung setzen. Es sollte laut BMV und BUND vor allem diejenigen begünstigen, die bereits jetzt in die Übererfüllung der geforderten Ziele investieren.
Reiner Wild
Unglaubwürdige Fürsorge
Der Vermieterverband BBU will kein Klimaschutzgesetz. Obenan stehen in seiner Kritik am Lompscher-Entwurf die angeblich zu erwartenden Mietsteigerungen von 23 Prozent, die den Mietern nicht zuzumuten seien. Diese „Fürsorge“ scheint dem Berliner Mieterverein wenig glaubwürdig durch die
- zahlreichen Mieterhöhungen nach „freiwilliger“ Wärmedämmung von BBU-Unternehmen, die bis zu 2 Euro pro Quadratmeter monatlich betragen,
- Mieterhöhungen nach Umstellung von Gasetagenheizungen auf Fernwärme wegen Primärenergieeinsparung von BBU-Unternehmen in Höhe von bis zu 1,50 Euro pro Quadratmeter und Monat,
- massiven Warmmieterhöhungen nach Umstellung auf sonstige gewerbliche Wärmelieferung (Contracting), ohne dass zwingend ein Beitrag zur Energieeffizienz geleistet wird,
- Mieterhöhungen von 20 Prozent in drei Jahren, die ohne bauliche Änderungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete genommen werden können und genommen werden.
- Die massive Kritik des BBU an der Verpflichtung zu erneuerbaren Energien erstaunt insofern, als beim Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen (GdW), dem der BBU angehört, eine positive Grundeinstellung zum Beispiel zur Nutzung der Solarthermie im Wohnungsbestand vorherrscht:
- Bei einer Umfrage des GdW fällten 80 Prozent der befragten Wohnungsunternehmen ein positives Gesamturteil über die Nutzung solarer Wärmeversorgung.
- Die Mieter standen den Projekten der GdW-Wohnungsunternehmen grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, heißt es in einem Papier des GdW, obwohl generell neben der energetischen Maßnahme noch andere Modernisierungen durchgeführt wurden und die Miete in diesen Fällen grundsätzlich angehoben wurde.
- Die Betriebskostenersparnis durch solarthermische Wärmeunterstützung überzeugt zwei Drittel aller Mieterhaushalte, so eine Umfrage unter den Wohnungsunternehmen.
- Durch die hohe Akzeptanz der Mieter existiert in den Wohngebäuden mit solarthermischer Wärme- und Warmwasserbereitung kein Wohnungsleerstand.
- Solarthermische Anlagen erhöhen den Wert des Gebäudes, die Vermietbarkeit der Objekte und das Unternehmensimage.
rw
MieterMagazin 10/09
Das BMV/BUND-Modell überlässt den Eigentümern,ob sie ihrer Verpflichtung durch erneuerbare Energien …
Foto: Christian Muhrbeck
effiziente Heizanlagen …
Foto: epr/KWB
… oder Wärmedämmung nachkommen
Foto: epr/Thermodach
Hintergrundpapier
von BMV und BUND:
Berliner Klimaschutzgesetz dringend erforderlich
Stellungnahme des BUND zum Berliner Klimaschutzgesetz:
www.bund-berlin.de
05.02.2018