Bundesweit stehen 1,6 Millionen Sozialwohnungen zur Verfügung. Jedes Jahr verlieren davon rund 100.000 ihre Preis- beziehungsweise Belegungsbindungen. Gebaut werden vor allem teure Eigentumswohnungen, bezahlbare Wohnungen sind Mangelware – auch in Berlin. Das Pestel-Institut in Hannover hat im Auftrag der Wohnungsbau-Initiative, einem Bündnis aus IG Bauen-Agrar-Umwelt, drei Verbänden der Bauwirtschaft und dem Deutschen Mieterbund, ermittelt, dass bundesweit 4 Millionen Sozialwohnungen fehlen, und fordert deshalb einen „Masterplan für den Sozialen Wohnungsbau“.
Die Studie „Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland“ ist eine Fortschreibung der im April 2012 vorgestellten Studie zum Mietwohnungsbau in Deutschland. (Das MieterMagazin berichtete in seiner Ausgabe 4/2012, Seite 12: Deutschland hat eine neue Wohnungsnot.) Sie analysiert den Bedarf der Haushalte mit geringem Einkommen an bezahlbarem Wohnraum – darunter auch ALG-II-Bedarfsgemeinschaften, Grundsicherungs- und Wohngeldempfänger. Bundesweit werden lediglich 10.000 Sozialmietwohnungen im Jahr gebaut – notwendig wären mindestens 40.000 bis 50.000. „Bezahlbaren Wohnraum insbesondere für Geringverdiener, Alleinerziehende und Rentner zu schaffen, ist eine der drängendsten sozialen Herausforderungen“, so Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts, bei der Vorstellung der neuen Studie.
In Berlin gibt es noch rund 150.000 Sozialwohnungen, fast die Hälfte jedoch ohne Belegungsbindungen und mit Mieten, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Zudem sinkt durch das Auslaufen der Förderung der soziale Mietwohnungsbestand ständig. Um alle Haushalte mit geringem Einkommen in der Stadt mit preisgünstigen Wohnungen zu versorgen, wären nach Berechnungen des Pestel-Instituts rund 641.000 Sozialwohnungen erforderlich.
Als Lösung schlägt Matthias Günther vor, dass die öffentliche Hand verstärkt Belegungsrechte ankauft, die finanzielle Förderung von Modernisierungen an eine langfristige Festschreibung der Miethöhe koppelt und vor allem den Neubau von Sozialwohnungen vorantreibt. Dazu gehören das Zurverfügungstellen von Bauland und eine Kontrolle der Zweckbindung. Die Bundesregierung plant für 2014 eine Kürzung oder sogar Streichung der Zuschüsse für den Sozialen Wohnungsbau, der Deutsche Mieterbund verlangt mindestens eine Verdopplung.
Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, fordert, dass das Land Berlin durch gesetzliche Regelung bei den bestehenden Sozialwohnungen für eine Deckelung der Mieten unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete sorgt und öffentliche Fördermittel für den Neubau von 2000 Sozialwohnungen pro Jahr bereitstellt. Schließlich hat das Land bisher über 226 Millionen Euro an Haushaltsmitteln durch den Wegfall der Anschlussförderung eingespart. „Wenn sich die Entwicklung ohne politische Korrekturen fortsetzt, ist mit zunehmenden sozialen Spannungen in den nächsten Jahren zu rechnen“, so die Wohnungsbau-Initiative.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 10/12
Nicht nur in Berlin nimmt die Zahl der Sozialwohnungen ab, der Bedarf aber zu
Foto: Wikipedia/RalfR
20.03.2013