Eine große Unsicherheit empfinden viele Mieter, wenn ihre Wohnung zum Kauf steht. Und sie haben viele Fragen: Welche Sicherheiten bietet mein Mietvertrag? Sollte ich am besten gleich ausziehen? Oder nutze ich das Vorkaufsrecht?
Ursula H. weiß noch genau, was über dem Schreiben stand: „Schaffen auch Sie sich eine Wertanlage im Prenzlauer Berg.“ Die 53-Jährige hatte das Schreiben auf den Küchentisch gelegt – und sich erst mal setzen müssen. Seit zehn Jahren wohnte sie in der 82 Quadratmeter großen Wohnung im Hausburg-Viertel. Ihre Wohnanlage war bereits mehrfach verkauft worden – aber diesmal machten die Eigentümer Druck: Ursula H. könne selbst kaufen oder ausziehen. Dafür wurde ihr auch schon bald eine Mietaufhebungsvereinbarung zugesandt, die sie unterschreiben solle.
„Eine rechtlich völlig unhaltbare Forderung“, kommentiert Edith Preiß-Krüger vom Berliner Mieterverein (BMV). „Es gibt den klaren Grundsatz, dass ein Verkauf den Mietvertrag nicht bricht.“
Immer häufiger muss die Mietrechtsexpertin besorgte Berliner beraten, weil deren Wohnungen die Besitzer wechseln. „Dabei ändert sich durch einen solchen Verkauf erst einmal gar nichts“, so Edith Preiß-Krüger. Der Käufer des Hauses oder der Wohnung tritt in den bestehenden Mietvertrag ein – und kann von den Mietern nicht verlangen, dass sie einen neuen Vertrag mit ihm abschließen.
„Allerdings erhöht sich mit einer solchen Umwandlung schon die Kündigungsgefahr, denn nach Umwandlung und Verkauf steht in der Regel jedem Vermieter nur ein Mieter gegenüber“, so Edith Preiß-Krüger. Aber selbst dann muss sich der Käufer an die Spielregeln halten: Eine Eigenbedarfskündigung erfordert gewichtige Gründe. Die Wohnung muss tatsächlich vom Käufer selbst oder von einer ihm nahestehenden Person gebraucht werden. Ist dies der Fall, gelten immer noch Sperrfristen. Bei einer unbefristet vermieteten Wohnung darf eine Kündigung überhaupt erst nach drei Jahren ausgesprochen werden (§ 577 a BGB) – und selbstverständlich beginnt die Frist erst dann zu laufen, wenn der neue Eigentümer auch im Grundbuch eingetragen ist.
In Berlin gilt in einigen Innenstadtbezirken mit einem sogenannten erhöhten Wohnbedarf eine erweiterte Sperrfrist von sieben Jahren: Wilmersdorf-Charlottenburg, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Tempelhof, Steglitz/Zehlendorf und Pankow. Preiß-Krüger: „Obwohl es beim Verkauf einer Wohnung um erhebliche Geldbeträge geht, stelle ich immer wieder mit Verwunderung fest, wie rechtsunkundig gerade ausländische Investoren mitunter sind.“ Wäre ihnen klar, wie lange es dauern kann, bis eine Wohnung tatsächlich frei wird – sie hätten vielleicht nach einer Alternative gesucht.
Ursula H. bekam erst einmal selbst ein Angebot: Für 206 000 Euro könnte sie ihre Wohnung erwerben. Ein „Schnäppchen“, vor allem wegen der billigen Hypothekendarlehen.
Nur keine Panik
Edith Preiß-Krüger: „Es kann durchaus Sinn machen, seine Wohnung zu kaufen.“ Kommt es darüber mit dem Verkäufer erst einmal zu einem Vorgespräch, habe man ja durchaus auch die Möglichkeit, noch einmal über den Kaufpreis zu verhandeln.
„Nimmt man allerdings das Vorkaufsrecht wahr“, so die Beraterin, „tritt man in einen fertigen Vertrag ein, an dem nichts mehr zu ändern ist.“
Für Ursula H. stand von Anfang an fest: „Ich müsste verrückt sein, wenn ich die Wohnung kaufen würde.“ Und Edith Preiß-Krüger vom Mieterverein gibt ihr Recht: „Man sollte sich keinesfalls von Angst oder Panik leiten lassen!“
Das heißt genau zu überlegen: Lohnt sich ein Kauf für mich? Kann ich die Zins- und Tilgungsraten überhaupt aufbringen und dazu noch jene Kosten bewältigen, die möglicherweise das ganze Haus betreffen und anteilig auch von mir mit zu tragen sind?
Auf das Vorkaufsrecht verzichten sollte man dennoch nicht. Es lässt eine Möglichkeit offen, die folgenlos erlischt, wenn man auf den zugesandten Kaufvertrag nicht reagiert.
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 10/12
Vielen Wohnungskäufern – besonders aus dem Ausland – ist nicht bekannt, dass Mieter nicht ohne Weiteres gekündigt werden können
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Im Falle des Verkaufs
Zahlen Sie die Miete nur an Berechtigte und nicht voreilig an den Haus- oder Wohnungskäufer. Der darf die Mietzahlung auf sein Konto erst dann fordern, wenn er seine Berechtigung nachgewiesen hat, beispielsweise durch einen Grundbuchauszug. Sollte allerdings der bisherige Vermieter Sie dazu auffordern, können sie risikolos auf das Konto des „Neuen“ buchen. Bei Zwangsversteigerungen muss ein gerichtlicher Zuschlagsbeschluss vorliegen. Erben eines Hauses können ihr Recht auf Mieteinkünfte mit einem Erbschein nachweisen.
rm
29.03.2022