Nach längerem Vorlauf hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg im August drei Milieuschutzgebiete festgelegt. Das Bezirksamt Mitte wiederum prüft die Ausweitung des Milieuschutzes, allerdings erst, nachdem Bürger beharrlich Druck gemacht haben. Und auch Neukölln scheint seine Blockadehaltung aufzugeben.
Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat für die drei Schöneberger Gebiete Barbarossaplatz/Bayerischer Platz, Bautzener Straße und Kaiser-Wilhelm-Platz soziale Erhaltungsverordnungen (besser bekannt als „Milieuschutz“) beschlossen. „Damit wollen wir die angestammte Wohnbevölkerung vor Verdrängung schützen“, erklärt Stadtentwicklungsstadträtin Sibyll Klotz. Der Abriss von Gebäuden, die Veränderung von Grundrissen und bestimmte Umbauten in den Wohnungen, die Zusammenlegung von kleineren Wohnungen zu einer größeren Wohnung sowie Nutzungsänderungen werden nicht mehr erlaubt. Die Voruntersuchungen haben ergeben, dass in den Gebieten die einkommensschwachen Bewohner stark verdrängungsgefährdet sind. Um die Mischung der Bevölkerung zu erhalten, würde Sibyll Klotz gern auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindern: „Dringend nötig für den Bezirk wäre eine Umwandlungsverordnung – die muss allerdings vom Senat beschlossen werden.“
Tempelhof-Schöneberg ist der vierte Bezirk, der den Milieuschutz nutzt. Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow waren bisher die einzigen, die dieses Instrument konsequent und großflächig anwenden. Zum 1. Juli hat Pankow auch die fünf größtenteils schon aufgehobenen Sanierungsgebiete von Prenzlauer Berg in den Milieuschutz mit einbezogen. Mitte konnte bislang nur das Milieuschutzgebiet Oranienburger Vorstadt vorweisen.
Das könnte sich aber bald ändern. Im Juli, fast ein Jahr nach einem entsprechenden Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), hat Baustadtrat Carsten Spallek ein bezirksweites „Grob-Screening“ angekündigt, mit dem ermittelt werden soll, für welche Stadtquartiere der Milieuschutz eventuell in Frage käme. Die Ergebnisse sollen Anfang 2015 vorliegen. Bis sich das Bezirksamt zu diesem ersten Schritt durchgerungen hatte, waren etliche BVV-Anträge, Ausschusssitzungen, Konferenzen und Runde Tische nötig. Der Druck ging vor allem von Moabiter Initiativen aus.
Selbst im Bezirksamt Neukölln bröckelt die kategorische Ablehnung des Milieuschutzes. Ein Gutachten über den Reuterkiez wurde noch zögerlich aufgenommen. Das Mietenbündnis Neukölln begann deshalb Ende August, Unterschriften für einen Einwohnerantrag zu sammeln: Der gesamte Norden Neuköllns solle daraufhin untersucht werden, ob Milieuschutzverordnungen sinnvoll und notwendig sind. Nur wenige Tage danach lenkte die Neuköllner SPD ein. Sie will nun zügig Voruntersuchungen im Reuterkiez und an der Schillerpromenade starten.
Jens Sethmann
MieterMagazin 10/14
Eine Umwandlungsverordnung würde den Milieuschutz stärken: Die zum Verkauf stehende Bundesimmobilie in der Großgörschenstraße liegt im Milieuschutzgebiet Bautzener Straße
Foto: Sabine Münch
Unterschriftenlisten zum Neuköllner Einwohnerantrag:
www.mietenbuendnis.de
03.03.2018