Bürger mit ausländisch klingenden Namen haben auf dem Wohnungsmarkt deutlich schlechtere Chancen als Bewerber mit deutschen Namen. Was schon immer vermutet wurde, bestätigt jetzt eine großangelegte Studie. Auch Rentner und Behinderte kommen bei der Vergabe von Wohnungen oft nicht in die engere Wahl. Das sind eindeutige Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Immer wieder berichten Wohnungsbewerber mit Migrations- oder ausländischem Hintergrund über direkte oder verdeckte Diskriminierung. Sobald sie am Telefon ihren ausländisch klingenden Namen nennen oder einen ausländischen Akzent sprechen, kommen sie in vielen Fällen nicht in den engeren Kreis der Bewerber und werden nur äußerst selten zur Besichtigung einer Wohnung eingeladen. Manche Vermieter schreiben sogar, dass sie keine Ausländer als Nachmieter haben wollen. „Wenn bei der Vermietung einer Wohnung allein die vermutete Herkunft dazu führt, dass Interessenten von vornherein ausgeschlossen werden, ist das eine rechtswidrige Diskriminierung“, so Bundesjustizminister Heiko Maas.
Welche Rolle bei der Auswahl die Nationalität beziehungsweise die Herkunft des Interessenten spielt, konnte bisher nur vermutet werden. Im Verlauf mehrerer Wochen haben Journalisten des Bayerischen Rundfunks und des „Spiegel“ jetzt 20.000 Wohnungsanfragen mit fiktiven deutschen und nicht-deutschen Profilen auf Angebote bei den Online-Portalen Immobilienscout24 und Immowelt geschickt. Die Anschreiben waren nahezu identisch: klar, freundlich und in gutem Deutsch verfasst. Nur die Namen variierten und ließen auf die Herkunft schließen.
Rund 8000 Vermieter haben auf die Bewerbungen geantwortet. Das Ergebnis ist erschreckend: „Menschen mit ausländischem Namen werden auf dem Mietmarkt deutlich diskriminiert. Besonders hart trifft es Wohnungssuchende mit türkischer oder arabischer Herkunft. In jedem vierten Fall, in dem ein Deutscher eine Einladung zu einer Besichtigung erhält, werden sie übergangen“, so die Verfasser der Studie. Als Diskriminierung gewertet wurden alle Fälle, wo deutsche Bewerber zur Besichtigung eingeladen, die Mitbewerber mit ausländischen Namen jedoch übergangen wurden. Türkische und arabische Männer wurden noch stärker diskriminiert als Frauen gleicher Herkunft. Private Vermieter diskriminieren ausländische Bewerber tendenziell stärker als Makler, Hausverwaltungen oder Wohnungsunternehmen. In München und Frankfurt/Main war der Unterschied zwischen den Chancen ausländischer und deutscher Bewerber am größten, in Leipzig und Magdeburg am geringsten. In Berlin war die Chance eines ausländischen Bewerbers, eine Wohnung zu bekommen, etwa 25 Prozent niedriger als die eines deutschen Bewerbers.
Diskriminierung ist schwer zu beweisen
Es ist schwer, in der Praxis Fälle von Diskriminierung eindeutig nachzuweisen. Aber ein begründeter Verdacht genügt – die Beweislast, keinen aufgrund seines Namens diskriminiert zu haben, liegt beim Vermieter. Menschen mit Migrations- oder ausländischem Hintergrund sollten sich deshalb in solchen Fällen an die entsprechenden Stellen wenden (siehe Hinweis am Artikelende).
Der Berliner Senat hat nun zusätzlich eine Fach- und Koordinierungsstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt eingerichtet, die von dem Büro UrbanPlus und dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) betrieben wird. Ziel ist, ein Interventions- und Beratungssystem aufzubauen, mit dem diskriminierende Vermietungspraxis dokumentiert und effektiver verfolgt wird. Außerdem soll stadtweit eine Kultur antidiskriminierender Vermietungs- und Verwaltungspraxis etabliert werden. Der Berliner Mieterverein ist in der Fachstelle vertreten und unterstützt den Aufbau des Beratungssystems.
Rainer Bratfisch
Was steht im Antidiskriminierungsgesetz?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006, besser bekannt als Antidiskriminierungsgesetz, definiert als Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Benachteiligungen nach Maßgabe dieses Gesetzes sind unter anderem unzulässig in Bezug auf „den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum“. Vermieter berufen sich immer wieder auf § 19 (3), in dem es heißt. „Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen zulässig.“ Da das Gesetz nicht definiert, welche Voraussetzungen für eine soziale Auswahl vorliegen müssen, hält der Berliner Mieterverein das AGG nach wie vor für problematisch.
rb
Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt:
E-Mail fachstelle@fairmieten-fairwohnen.de
Ansprechpartner: Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS), Oranienstraße 106, 10969 Berlin, Tel. 030 90 28 18 66
26.09.2017