Seit über zwei Jahren haben die Bezirke die Möglichkeit, für leerstehende und verwahrloste Mietshäuser einen Treuhänder einzusetzen. Bisher wurde lediglich in zwei Fällen davon Gebrauch gemacht. Woran liegt’s?
Nach Angaben des Senats gibt es 21 der sogenannten Geisterhäuser, sechs davon im Bezirk Mitte. Etwa das Haus Perleberger Straße 50 in Moabit, seit über einem Jahrzehnt unbewohnt. Oder die Burgsdorfstraße 1 in Wedding, seit nunmehr 20 Jahren ohne Mieter. Doch trotz der seit April 2018 in Kraft getretenen verschärften Zweckentfremdungsverbotverordnung passiert nichts, um all diese Wohnungen wieder vermieten zu können. Die Perleberger Straße wurde zudem unlängst im Zuge der Ermittlungen gegen Clan-Kriminalität beschlagnahmt. Die absurd anmutende Argumentation vieler Baustadträte, so auch in Mitte: Gerade wegen des langen Leerstands handele es sich nicht mehr um schützenswerten Wohnraum im Sinne des Gesetzes.
Ein anderer, weniger bekannter Fall, ist das Gebäude Raumerstraße 33 in Prenzlauer Berg. Wahrscheinlich seit der Wende stehe es mit circa 26 Wohnungen leer, sagt Mike Szidat. Den SPD-Bezirksverordneten ärgert die Hilflosigkeit und Untätigkeit des Bezirksamts: „Da werden zwar immer wieder Zwangsgelder festgesetzt, aber die Bescheide sind dann nicht zustellbar oder das Geld nicht pfändbar.“
Er stellt in der Bezirksverordnetenversammlung immer wieder Anfragen, die Antwort ist immer die gleiche: Man müsse zuerst den vorgeschriebenen Rechtsweg beschreiten. Einen Treuhänder einzusetzen komme nur als allerletztes Mittel in Frage.
Unabdingbare Voraussetzung für die Einsetzung eines Treuhänders ist, dass der Bezirk zunächst eine Wiederherstellung zu Wohnzwecken anordnet. Dafür bedarf es einer Expertise über den Zustand des Gebäudes. Erst wenn der Eigentümer untätig bleibt, kann eine Vollstreckung eingeleitet werden.
Immerhin hat Pankow bereits im April 2019 als erster Bezirk ein Wohnhaus beschlagnahmt. Das seit den 1990er Jahren leerstehende Haus Smetanastraße 23, Ecke Meyerbeerstraße 78 in Weißensee wird derzeit über einen Treuhänder saniert und soll anschließend vermietet werden. Die Eigentümerin soll den Reichsbürgern nahe stehen, die bekanntlich jeden Kontakt mit deutschen Behörden ablehnen. Weil sie nie reagierte, konnte der Bezirk handeln. Bei der Raumerstraße 33 seien dagegen die Voraussetzungen „wegen anhängiger Rechtsbehelfe“ nicht gegeben, so Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne).
Hoffnung auf das neue Wohnungsaufsichtsgesetz
Nicht voran geht es auch im zweiten Fall, bei dem ein Treuhandverfahren immerhin eingeleitet wurde: das Eckhaus Hindenburgdamm, Ecke Gardeschützenweg in Steglitz. Nach Auskunft des dortigen Stadtrats Michael Karnetzki (SPD) hat der Eigentümer gegen jeden Schritt der Verwaltung Widerspruch eingelegt und ist dabei bis vor das Verwaltungsgericht gegangen. „Leider gehen die Dinge in unserem Fall langsamer voran, als ich mir das gedacht habe“, so Karnetzki. Gewisse Hoffnungen setzt er in das im April 2020 in Kraft getretene novellierte Wohnungsaufsichtsgesetz, das ebenfalls eine Treuhänderregelung enthält. Es könnte in diesem Fall besser greifen, weil es nicht wie bei der Zweckentfremdungsverbotverordnung um Leerstand, sondern um den baulichen Verfall eines Hauses geht.
Auch Ingrid Schipper von der Nachbarschaftsinitiative Friedenau hofft, dass sich jetzt endlich etwas bewegt. Die engagierten Anwohnerinnen kämpfen seit Jahren um das komplett leerstehende Eckhaus Odenwald-, Ecke Stubenrauchstraße: „Unser Baustadtrat hat uns versichert, dass er dieses Haus jetzt zum Präzedenzfall machen will.“
Birgit Leiß
Höhere Strafen, weniger Einspruchsmöglichkeiten
Im überarbeiteten Wohnungsaufsichtsgesetz wurden die Mitwirkungspflichten der Eigentümer verschärft. Ein Veto gegen die Einsetzung eines Treuhänders hat auch keine aufschiebende Wirkung mehr – sofern die vorangehenden Verfahrensschritte eingehalten wurden. Außerdem wurde das Bußgeld erhöht. Eine halbe Million Euro können nun gegen die Eigentümer von „Schrottimmobilien“ verhängt werden (bisher: 25.000 Euro). Die Kosten, die dem Bezirksamt durch die Instandsetzung entstanden sind, werden dem Eigentümer in Rechnung gestellt. Erstmals können diese Kosten als öffentliche Last ins Grundbuch eingetragen werden.
bl
22.09.2020