Nachdem das Bundesverwaltungsgericht im November 2021 das Vorkaufsrecht der Kommunen stark eingeschränkt hat, gehen mehrere Eigentümer nun auch gegen die mieterschützenden Abwendungsvereinbarungen vor.
Vor dem Verwaltungsgericht Berlin sind etwa zehn Verfahren von Investoren gegen Abwendungsvereinbarungen anhängig. Mit solchen Vereinbarungen haben Eigentümer den bevorstehenden Vorkauf eines Hauses durch den Bezirk abgewendet, indem sie unter anderem zusagten, das Haus 20 Jahre lang nicht in Eigentumswohnungen umzuwandeln, keine Luxusmodernisierungen durchzuführen und energetische Modernisierungen nicht über das vorgeschriebene Maß hinaus umzusetzen.
„Ohne die nach heutigem Stand rechtswidrige Ausübung des Vorkaufsrechts fehlt die Grundlage für die Vereinbarungen, zu denen sich viele Käufer von den Bezirken gedrängt fühlten“, meint Rechtsanwalt Uwe Bottermann, der einen der Investoren vertritt. Er sieht in den Abwendungsvereinbarungen einen Verstoß gegen das im Baugesetzbuch verankerte Kopplungsverbot. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen geht jedoch davon aus, dass die Vereinbarungen weiterhin gelten und auch nicht gekündigt werden können.
Sollte das Verwaltungsgericht die Abwendungsvereinbarungen für nichtig erklären, wären insgesamt 383 Berliner Häuser betroffen. Die dort wohnenden 7500 Mietparteien hatten sich durch die Abwendungsvereinbarungen vor teurer Sanierung und Vertreibung sicher fühlen dürfen.
Ob die Angriffe der Investoren auf dieses Milieuschutzinstrument Erfolg haben, hängt stark von den im Einzelfall getroffenen Verträgen ab. „Wenn in einer Abwendungsvereinbarung etwas verboten oder ausgeschlossen wurde, worauf ein Vermieter nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Anspruch gehabt hätte, besteht ein großes Risiko, dass ein Gericht den Vertrag kippt“, sagt Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Die allgemein in Milieuschutzgebieten geltenden Schutzregeln bleiben allerdings nach wie vor bestehen.
Die von Mieterseite dringend geforderte Wiederherstellung eines rechtssicher anwendbaren Vorkaufsrechts – eine einfache Änderung im Baugesetzbuch durch die Bundesregierung – wird seit Monaten von der in der Ampel mitregierenden FDP blockiert.
Jens Sethmann
29.09.2022