Bei den angekündigten Notverkäufen von 10.000 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) droht der Schutz der Mieter auf der Strecke zu bleiben. Nach Aussage der Stadtentwicklungsstaatssekretärin Hella Dunger-Löper werde bei „Liquiditätsverkäufen“ nicht wie bei regulären Privatisierungen nach dem „Acht-Punkte-Programm“ verfahren, mit dem den Mietern unter anderem ein weitreichender Kündigungsschutz garantiert wird.
Nicht erst seitdem die dramatische Situation der WBM im September bekannt geworden ist (MieterMagazin 10/05, Seite 10: „Hausgemachte Schieflage bedroht Mieter“), verkauft das landeseigene Unternehmen Wohnbauten en gros. So auch das Ensemble Lehrter Straße 1-4 und 70-75 mit 250 Wohnungen in Sichtweite des neuen Hauptbahnhofs: Zum 1. Oktober wurden die in den 70er Jahren im Sozialen Wohnungsbau errichteten Häuser verkauft.
Der Mieterbeirat der Wohnanlage fordert, dass jeder Mieter eine schriftliche Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag erhält, mit der Eigenbedarfskündigungen, Luxusmodernisierungen und Kündigungen auf Grund Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung ausgeschlossen werden. Der von der WBM angebotene Vertragszusatz reicht jedoch nicht aus: Der Schutz vor Luxusmodernisierungen soll darin nur befristet gelten und der Schutz vor Verwertungskündigungen wird nicht ausdrücklich erwähnt. Das bleibt hinter den Regelungen des „Acht-Punkte-Programms“ zurück.
Diese Privatisierungsgrundsätze sollen nun nach Aussage der Staatssekretärin für Stadtentwicklung, Hella Dünger-Löper, bei „Liquiditätsverkäufen“ der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nicht mehr angewandt werden. Mieterschutzklauseln müssten dann in jedem Einzelfall neu erkämpft werden. Der Berliner Mieterverein (BMV) fragte bei Hella Dunger-Löper nach, ob die 10.000 anstehenden Wohnungsverkäufe der WBM als „Liquiditätsverkäufe“ angesehen werden und damit der Schutz der Mieter auf der Strecke bliebe. Bis zum Redaktionsschluss lag dem BMV keine Antwort der Staatssekretärin vor.
Immerhin zum Fall der Lehrter Straße hat sich die Senatsverwaltung geäußert. Senatorin Ingeborg Junge-Reyer antwortete im Abgeordnetenhaus auf die Frage der Grünen-Abgeordneten Barbara Oesterheld, ob die Mieter die Vertragsergänzungen erhalten werden: „Selbstverständlich werde ich mich dafür einsetzen.“
Jens Sethmann
MieterMagazin 11/05
Bei „Liquiditäts-verkäufen“ soll der Mieterschutz hinten runter fallen: WBM-Verkaufsobjekt Lehrter Straße 1-4/70-75
Foto: Jens Sethmann
29.03.2022