Seit der ersten Ölkrise in den 70ern mit sonntäglichem Fahrverbot und einer erstarkenden Anti-Atom-Bewegung hat sich auf dem Energiesektor viel getan. Die erneuerbaren Energien Wind, Sonne, Wasser, erst als alternativer Spinnerkram abgetan, sind hoffähig und profitabel geworden. Förderprogramme wurden aufgelegt, sie schafften bereits viele Arbeitsplätze und entwickeln sich zu Exportschlagern. Durch die gesetzlich garantierte Abnahme der Energie aus erneuerbaren Quellen zu Förderpreisen erlebten diese Sparten einen kleinen Boom. Windparks entstanden und auf vielen Dächern prunken Solaranlagen, noch vor allem auf Einfamilienhäusern. Die großen Wohnungsunternehmen sind zögerlicher – in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird weniger investiert. Aber Energie wird auch gespart: Wohnhäuser werden zunehmend gedämmt. Moderne effiziente Heizungssysteme gehen mit den Ressourcen deutlich schonender um.
„Ein wichtiger Schritt ist das novellierte ‚Erneuerbare Energien Gesetz'“, begrüßt Dr. Felix Matthes vom Öko-Institut die Förderung von Strom aus Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme und Biomasse. In Verbindung mit dem Ausstieg aus der Atomenergie könnte dies die vielgepriesene Energiewende einleiten. Etwa Mitte dieses Jahrhunderts werden die fossilen Brennstoffe Öl, Gas und Uran verbraucht sein. Und der Energiebedarf der „jungen“ Industrieländer China und Indien ist riesengroß.
Zur Erinnerung: Vor 25 Jahren wurde das Waldsterben zum sichtbaren Ausdruck für eine kranke Natur. Smog-Alarm bei besonders verschmutzter Luft und Fahrverbote trugen zur Wahrnehmung des Problems bei. Zwar gibt es noch einen Expertenstreit, aber nach Meinung vieler Wissenschaftler bestätigt die Realität die erschreckenden Szenarien eines Klimawandels. Den Versicherungen kommen die Wetteränderungen teuer zu stehen.
Perspektivlos sind Öl und Kohle. Ihre Vorräte sind begrenzt. Und bei ihrer Verbrennung wird das Umwelt schädigende Kohlendioxid (CO2) freigesetzt und trägt mit zum Treibhauseffekt bei.
Seit Anfang der 90er bemühen sich Politiker gegenzusteuern. Mit dem Kyoto-Protokoll sollen die CO2-Emissionen reduziert werden. Allerdings: Einer der größten CO2-Produzenten, die USA, hat es nie unterschrieben.
Die Atomkraft – im Jahre 2020 sollen alle Kernkraftwerke vom Netz sein – wird zwar besonders von ihren Betreibern als die saubere Alternative zum Öl beschworen. Ungeklärt blieb aber bislang die Frage der Endlagerung. Für zehntausende von Jahren muss für die radioaktiven Abfälle eine absolut sichere Lagerstätte gefunden werden.
Teures Öl bewirkt Innovationsschub
Es ist nicht zuletzt der Preis für die fossilen Brennstoffe, der Wirtschaft und Politik zum Umdenken zwingt. Öl ist derzeit mit über 60 Dollar pro Barrel teuer wie nie, gleichzeitig machen Shell, BP & Co exorbitante Gewinne. Der nationale Kohleabbau wird mit Milliarden von Euro jährlich subventioniert. Genau diese Wirtschaftszweige empören sich über die hohen Fördergelder für die erneuerbaren Energien. Sieht man aber die rasche technische Entwicklung der Solartechnik oder der Windräder allein in den letzten zehn Jahren, wird klar, dass sich neue Technologien nur mit einem kräftigen Anschub rasch vom Prototyp hin zur Serienreife entwickeln können. Auch die Atomindustrie vergisst gerne die ihnen anfangs überwiesenen Entwicklungshilfegelder.
Im Jahr 2002 betrug die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien noch 7,2, im Jahr 2004 dagegen schon 9 Prozent. Das entspricht 44,9 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2004. Für 2005 wird von der Elektrizitätswirtschaft eine Erhöhung sogar auf 11 Prozent prognostiziert.
Der meiste regenerative Strom wird inzwischen aus Windenergie gewonnen. Ein weiterer Ausbau dürfte überwiegend im Offshore-Bereich, in der Nord- und Ostsee, stattfinden. Auf dem Land werden die Genehmigungen rarer und der Anwohnerprotest größer: Die Windräder verursachen Geräusche und verstellen die freie Sicht. Auch auf dem Wasser sind noch grundsätzliche Bedenken des Naturschutzes – zum Beispiel der Zug der Vögel – zu klären.
Allzeit nutzten die Menschen die Energie der Sonne. Derzeit liegt die Produktion von Strom aus Photovoltaik-Anlagen zwar noch im marginalen Bereich, aber es wird sich schnell ändern. In Bayern will die „Shell Solar AG“ im nächsten Frühjahr das „weltweit größte netzgekoppelte Solarkraftwerk“ einweihen. Mit den produzierten 10 Megawatt könnten 3300 Haushalte mit Strom versorgt und jährlich 10.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Die großen, global arbeitenden Wirtschaftskonzerne sind längst auf den Solarzug aufgesprungen, den in Deutschland kleine innovative Handwerksbetriebe in Fahrt gebracht haben. Die weltweit steigende Nachfrage nach Silizium, dem wichtigsten Rohstoff für die Solarzelle, führt mittlerweile zu Lieferengpässen.
Ein noch viel größeres Potenzial sieht Felix Matthes vom Öko-Institut in der Sonne als Wärmelieferant. „Die Förderung ist noch lange nicht so gut, wie sie sein müsste“, plädiert Matthes für eine zügige politische Diskussion mit veränderter Weichenstellung. Die Hausbesitzer entscheiden sich bereits häufiger für eine solarthermische Anlage, die Wasser erhitzt und Wärme liefert.
Bei Berlins größtem Stromlieferanten, der Bewag, stammen 0,2 Prozent des Stromabsatzes aus erneuerbaren Quellen. Das sind jährlich „20 Gigawattstunden aus 89,5 Prozent Wasserkraft aus der Schweiz, je 1 Prozent Sonne und Holz aus Berlin“ sowie anderem Ökostrom nach EEG, spezifiziert Bianca Aurich von der Bewag. Das ist noch nicht allzu viel.
Dafür sind private Hausbesitzer aktiv. Das Solaranlagenkataster auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vermittelt einen interessanten Überblick.
Aus Wind und Wasser lässt sich in Berlin keine Energie erzeugen. Zwar gibt es in Lichtenberg einen fünfstöckigen Altbau, auf dem sich neben Photovoltaik und Solarthermieanlagen auch ein kleines Windrad befindet. Aber dies ist eine Ausnahme.
Erdwärme wird allerdings auch in dieser Stadt genutzt. In Berlin-Mitte wärmt und kühlt sie ein Wohn- und Geschäftshaus. Im Winter sorgen mehrere kleine Wärmepumpen für die Grundwärme des Hauses aus der Erde. Im Sommer werden die zehn Grad Erdwärme dann als kalte Luft, über mehrere 99 Meter tief liegende Sonden zur Kühlung des Hauses gefördert. „Zwar brauchen die Pumpen Strom, aber mehrere kleine Pumpen – nach Bedarf eingesetzt – rechnen sich trotzdem“, weiß Rainer Stock von der Industrie- und Handelskammer. Dieses Haus emittiert 37 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu einer Gasheizung in die Atmosphäre. Es wurde dafür mit dem Klimaschutzpreis 2004 der „KlimaSchutzPartner“ ausgezeichnet. Vorbildlich auch die Sanierung des Reichstags: Hier wird ebenfalls Erdwärme als Grundwärme verwendet.
Im Kommen: Erdwärme
Die Anfänge mit der weitläufigen Nutzung erneuerbarer Energie sind gemacht, der hohe Ölpreis wird die Diskussion ebenso beeinflussen wie die rasante technische Weiterentwicklung der regenerativen Techniken. Auch in der Energieberatung Prenzlauer Berg sieht Heiner Matthies die Notwendigkeit der weiteren Förderung, denn „die regenerativen sind die Energien der Zukunft“. Allerdings setzt er aktuell auf andere Schwerpunkte: „An erster Stelle die Einsparung von Energie durch reduzierten Bedarf und zweitens die Effizienz der Energieverwertung.“ Er schätzt, dass im Berliner Altbaubestand nicht mal die Hälfte wärmegedämmt ist. Die moderne Heiztechnik, insbesondere mit Kraft-Wärme-Kopplung, stoppt die Verschwendung von Brennstoffen, leider sei aber derzeit in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen „das Blockheizkraftwerk im Keller nicht so im Trend wie die Solaranlage auf dem Dach“, resümiert Heiner Matthies.
Die Kombination aus Effizienz und regenerativen Energien bringt aber sofort deutliche Erfolge für den Klimaschutz und den Geldbeutel. Beides könnte die Stadt Berlin gut gebrauchen. Ist doch von der vor Jahren ausgerufenen „Solarhauptstadt Berlin“ wenig auf den Dächern der öffentlichen Gebäude zu sehen. Nicht einmal das kürzlich sanierte Olympiastadion weist eine Solaranlage auf. Freilich: Die Stadt kann immerhin darauf verweisen, dass die Ampeln mit Ökostrom aus Hamburg versorgt werden.
Clara Luckmann
MieterMagazin 11/05
Ohne Zukunftsperspektive ist der Energieträger Kohle (hier: Tagebau in Nordrhein-Westfalen)
Foto: photon-pictures.com
Nahezu unerschöpflich: natürliche Ressource Sonne
Foto: photon-pictures.com
Nahezu unerschöpflich: natürliche Ressource Wasserkraft
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Zum Thema
„Erneuerbare Energien Gesetz“
Auszüge aus dem EEG
§ 1 (1) Zweck des Gesetzes ist es, insbesondere im Interesse des Klima-, Natur- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, ( …) einen Beitrag zur Vermeidung von Konflikten um fossile Energieressourcen zu leisten (…), und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien zu fördern.
(2) Zweck dieses Gesetzes ist es ferner, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahre 2010 auf mindestens 12,5 Prozent und bis zum Jahre 2020 auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen.
§ 3 (1) Erneuerbare Energien sind Wasserkraft, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie, Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Deponiegas und Klärgas sowie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushalten und Industrie.
07.07.2019