In Zeiten, wo immer mehr Leute mit der Vermietung ihrer Wohnung ein Geschäft machen, ist die Idee des „Couchsurfing“ grundsympathisch: Statt noch die letzte Besenkammer gewinnbringend an Touristen zu vermieten, bieten hier Gastgeber völlig kostenlos Menschen aus aller Welt einen Schlafplatz an. Über 3 Millionen Couchsurfer gibt es weltweit, von Afghanistan bis Zimbabwe kann man gratis übernachten.
Ein halbes Jahr lang reisten Leentje und Marijke durch Asien. Sie haben schon bei einer israelischen Familie übernachtet, waren zu Gast bei einer britischen Journalistin, die in Indien lebt, und haben ein paar Tage bei ei-nem Piloten in Damaskus gewohnt. Gefunden haben sie ihre Gastgeber über eine Internetplattform. „Meistens muss man nur zwei oder drei Anfragen schicken, bis man eine Zusage bekommt“, sagen die beiden holländischen Studentinnen. Aus Sicherheitsgründen wählen sie grundsätzlich nur Anbieter mit positiven Referenzen aus. Die Datenbank listet nämlich nicht nur Alter, Beruf, Interessen und Sprachkenntnisse der sogenannten Hosts auf, sondern auch die Bewertungen durch andere Reisende. Schmuddelige Wohnungen, aufdringliche Gastgeber – für Leentje und Marijke ein K.-o.-Kriterium. Den beiden geht es nicht nur darum, die Reisekasse zu schonen. „Man lernt auch jede Menge interessante Leute kennen und bekommt Insider-Tipps“, erzählen sie. Trotzdem übernachten sie zwischendurch auch mal in Hostels: „Manche Gastgeber erwarten, dass man die ganze Zeit mit ihnen verbringt oder sie sind überfürsorglich und lassen einen nicht mal allein zur Busstation gehen.“
Couchsurfing ist ein soziales Netzwerk. Im Vordergrund steht nicht der Schlafplatz für lau, sondern die Freude daran, unterschiedliche Menschen kennenzulernen und Freundschaften zu knüpfen. Gegründet wurde es 2003. Die meisten Nutzer kommen aus den USA, Deutschland steht bereits an zweiter Stelle. Eine Gegenleistung wird übrigens nicht erwartet – das heißt, man kann auch couchsurfen, ohne selber eine Übernachtungsmöglichkeit anzubieten. Der typische Couchsurfer ist jung – das Durchschnittsalter ist 28 -, kontaktfreudig, weltoffen und an anderen Kulturen interessiert. Viele der Gastgeber in den exotischen Ländern wie Kongo oder Nordkorea arbeiten für internationale Organisationen. Oder es sind Angehörige der lokalen Mittel- und Oberschicht.
Der Standard, den man erwarten kann, ist dabei höchst unterschiedlich, wie auch Christine Neder erlebt hat. Die 25-Jährige schlief drei Monate lang jede Nacht in einer anderen Berliner Wohnung und schrieb über diesen Selbstversuch ein Buch. Sie logierte im eigenen Gästezimmer in einer luxuriösen Altbauwohnung mit Whirlpool, schlief auf der Matratze im Kinderzimmer und übernachtete in einem drei Quadratmeter großen Campingbus ohne Klo und Dusche am Kanzleramt. Bis auf wenige Ausnahmen hat sie dabei ausgesprochen positive und wertvolle Erfahrungen gemacht. Ihr Fazit: „Schneller und intensiver hätte man Berlin nicht erleben können.“
Betreiber achten auf Sicherheit
Dennoch: Für sehr sicherheitsorientierte Menschen ist Couchsurfing nicht zu empfehlen. Es gehört schon eine Portion Abenteuerlust dazu, sich fremde Menschen in die Wohnung einzuladen beziehungsweise bei völlig unbekannten Gastgebern zu nächtigen. Gravierende Vorfälle, etwa Vergewaltigungen oder Diebstähle, kommen zwar selten vor, dennoch spielt das Thema Sicherheit für die Betreiber eine große Rolle.
In erster Linie vertraut man dem Bewertungssystem der Nutzer. Außerdem besteht die Möglichkeit, Adressdaten verifizieren zu lassen. In jedem Fall wird empfohlen, auf sein Bauchgefühl zu hören. Man müsse nicht jede Anfrage nach einem Schlafplatz akzeptieren, und Couchsurfer, die sich bedrängt oder angemacht fühlen, sollten ohne zu zögern die Wohnung verlassen.
Ebenfalls wichtig: die Spielregeln absprechen. Ob man den Kühlschrank plündern darf und den Computer benutzen kann oder ob beides tabu ist, sollte klipp und klar vereinbart werden.
Birgit Leiß
MieterMagazin 11/11
Wer Überraschungen nicht scheut, kommt mit Couchsurfing rund um den Globus
Foto: Sabine Münch
Buchtipp: Christine Neder:
90 Nächte, 90 Betten – Das Tagebuch einer Couchsurferin, 314 Seiten, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2011,
14,95 Euro
Zum Thema
Ihr gutes (Gast-)Recht
Mietrechtlich gesehen ist die Beherbergung von – nicht zahlenden – Schlafgästen unproblematisch. Ganz gleich ob man sie vorher kennt oder nicht – für Besucher, die nicht länger als sechs bis acht Wochen bleiben, ist keine Erlaubnis des Vermieters erforderlich. Allerdings ist darauf zu achten, dass sich die Gäste an die Hausordnung halten . Für Verstöße, etwa Ruhestörung oder Schäden, beispielsweise durch eine übergelaufene Waschmaschine, muss der Wohnungsmieter geradestehen. Das heißt konkret: Der Mieter muss unter Umständen eine Abmahnung hinnehmen und den Wasserschaden aus eigener Tasche bezahlen.
bl
25.09.2018