Seitdem in Deutschland zunehmend Menschen unter die Armutsgrenze rutschen und die Energiepreise stetig ansteigen, stehen immer mehr Haushalte vor dem Problem, wie sie die Wohnung noch warm bekommen und die Stromrechnung bezahlen können. „Energiearmut“ ist in Deutschland noch ein junges Phänomen, doch weil die Spaltung in Arm und Reich immer weiter voranschreitet und ein Sinken der Energiepreise nicht zu erwarten ist, wird das Problem immer größer. Die Politik will das nicht sehen. Die Bundesregierung hat zwar Ziele für die Energiewende ausgegeben, kürzt aber gleichzeitig Förderprogramme zur energetischen Gebäudesanierung und will die Kosten den Mietern aufbürden. Auf dem Strommarkt bevorteilt sie weiterhin die vier marktbeherrschenden Konzerne – zum Nachteil der Verbraucher.
Dass die Energiewende unumgänglich ist, bestreitet heute kaum noch jemand. Die fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas sind begrenzt. Ihre Verbrennung zur Energiegewinnung setzt neben anderen Schadstoffen Kohlendioxid frei, das zur Erwärmung der Erdatmosphäre, zum Abschmelzen der Polkappen und zum Anstieg der Meeresspiegel beiträgt und somit vielerorts den Lebensraum von Menschen, Tieren und Pflanzen gefährdet. Atomenergie ist keine Alternative, hat sich doch bei den Bränden in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel und besonders durch die Katastrophe in Fukushima eindringlich gezeigt, dass die enormen Unfallrisiken letztlich nicht beherrschbar sind.
Versorgungssperren deuten Ausmaß an
Der Begriff „Energiearmut“ ist noch nicht weit verbreitet. Es gibt weder eine offizielle Definition, wer als energiearm gilt, noch existieren amtliche Statistiken. Ein Anhaltspunkt für das Ausmaß des Problems gibt jedoch die hohe Zahl der Strom- und Gassperren, die von den Versorgern wegen Zahlungsverzugs veranlasst werden. Nach einer Hochrechnung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen wurde im Jahr 2010 bundesweit rund 600.000 Haushalten der Strom abgeklemmt. Für 2011 rechnet der Bund der Energieverbraucher mit bis zu 800.000 betroffenen Haushalten. Auch für Berlin gibt es nur geschätzte Zahlen: 2011 wurden etwa 25.000 Stromsperrungen veranlasst, das Gas wurde im Schnitt der letzten Jahre in 2500 bis 5000 Fällen abgedreht. Die Zahlen steigen, obwohl die meisten Versorger zur Vermeidung von Sperren den Schuldnern verstärkt entgegenkommen, etwa indem sie eine Ratenzahlung vereinbaren.
Die häufig zu hörende Annahme, arme Haushalte würden verschwenderisch mit Energie umgehen, weil beispielsweise Hartz-IV-Empfänger keinen Anreiz zum Sparen hätten, halten der Realität nicht stand. „Es ist eher selten ein sorgloser Umgang mit Strom und Heizenergie erkennbar“, heißt es in einem Bericht des „Wuppertal Instituts“ zur Energiearmut. Bei ALG-II-Empfängern werden im Übrigen die tatsächlichen Heizkosten nur so weit übernommen, wie sie „angemessen“ erscheinen. Die Stromkosten müssen aus dem knappen Regelsatz bestritten werden. Der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger ist 2010 ersatzlos gestrichen worden.
Trotzdem wird das Thema Energiearmut noch nicht ernst genommen. Unvergessen ist die herablassende Empfehlung des früheren Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin, man solle sich einfach wärmer anziehen: „Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können“, sagte er 2008 der „Rheinischen Post“.
In Großbritannien hat man die Energiearmut („fuel poverty“) schon vor langer Zeit wahrgenommen. Die britische Regierung beschloss 2001 eine Strategie gegen das Problem und legt seither jährlich einen Bericht vor. Dort gilt ein Haushalt als energiearm, wenn er mehr als zehn Prozent seines Einkommens für den Kauf von Energie aufwenden muss, um im Hauptwohnraum 21 Grad und in den übrigen Räumen 18 Grad Zimmertemperatur zu gewährleisten.
Während in Großbritannien der Raumwärmebedarf im Mittelpunkt steht, geht es hierzulande in der politischen Diskussion um die Energiearmut erstaunlicherweise fast nur um die Strompreise. Dabei sind die Kosten, die für die Heizung und Warmwasserbereitung ausgegeben werden müssen, deutlich höher. Die Agentur für Erneuerbare Energien prognostiziert für einen Drei-Personen-Musterhaushalt im Jahr 2012 monatliche Stromkosten von 75 Euro und Heizkosten von 105 Euro. Die Heizkosten wachsen auch schneller an als die Kosten für die Elektrizität. Ein Haushalt, der mit Öl heizt, zahlt aktuell mehr als das Doppelte an Heizkosten als noch im Jahr 2000. Der Strom wurde im gleichen Zeitraum um 48 Prozent teurer.
Der Strompreisanstieg wird häufig dem Atomausstieg und der wachsenden Energiegewinnung aus Wind, Sonne und Wasserkraft in die Schuhe geschoben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung redet zwar viel über die Energiewende, tut praktisch aber wenig für den Bau von Wind-, Solar- und Wasserkraftwerken. Die enormen Kosten für den Ausbau der Stromnetze, der nötig wird, weil im Norden mehr Windkraftanlagen stehen, im Süden aber mehr Strom verbraucht wird, werden von der Bundesregierung und den Energiekonzernen immer wieder in den Vordergrund geschoben. Doch der Umstand, dass man große Offshore-Windparks in der Nordsee kleinen, im Land verteilten Anlagen vorzieht, verstärkt das Nord-Süd-Gefälle zusätzlich. Den großen Stromerzeugern rollt der Bund damit einen roten Teppich aus, da nur sie solch aufwendige Anlagen auf hoher See bauen können.
Politische Versäumnisse, wirtschaftliche Vormachtstellungen
„Den Atomausstieg gibt es zwar nicht zum Nulltarif, steigende Strompreise haben aber vor allem mit politischen Versäumnissen und mangelndem Wettbewerb durch die immer noch eklatante Vorherrschaft der großen Stromkonzerne zu tun“, erklärt Sylvia Kotting-Uhl, Sprecherin für Atompolitik der grünen Bundestagsfraktion. Die vier großen ehemaligen Strom-Monopolisten RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW beherrschen vier Fünftel des deutschen Strommarktes und können so den Strompreis leicht beeinflussen. Durch Drosselung der Stromerzeugung können sie den Preis an der Strombörse nach oben treiben. „Darauf ist der drastische Anstieg der Strompreise in den Jahren 2007 bis 2012 im Wesentlichen zurückzuführen“, meint Eva Bulling-Schröter, umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. „Die Mehrkosten für den Vorrang erneuerbarer Energien betrugen in diesem Zeitraum hingegen nur 2 Cent pro Kilowattstunde und machten damit gerade einmal ein Drittel des Preisanstiegs aus.“
Der Preiszuschlag nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Umlage) wird 2013 von heute 3,59 Cent pro Kilowattstunde auf voraussichtlich 5,27 Cent erhöht. Der Verbrauchspreis steigt damit um rund acht Prozent. Bundesumweltminister Peter Altmaier will dem begegnen, indem der Ausbau erneuerbarer Energien gedrosselt wird. Die Opposition läuft Sturm dagegen und verweist unisono auf die üppigen Industrierabatte auf EEG-Umlage, Stromsteuer und Netzentgelte, die Altmaier nicht anzutasten gedenkt.
Keine sozialen Konzepte
Das Forum Ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion errechnet, dass die Industrierabatte für die privaten Verbraucher Mehrkosten von 1,0 Cent pro Kilowattstunde verursachen, ab 2013 voraussichtlich sogar 1,6 Cent. Es ist auch nicht mehr nur die besonders energieintensive Metall- und Chemieindustrie, die begünstigt wird, mittlerweile zählen auch Geflügelmastanlagen und Golfplätze dazu.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisiert die Energiepolitik der Bundesregierung grundsätzlich als „unverantwortlich“: „Weder kommt der Netzausbau voran, noch wird an der Steigerung der Energieeffizienz gearbeitet, und erst recht gibt es keine Konzepte gegen soziale Verwerfungen durch steigende Energiepreise.“
Die Linken fordern von der Bundesregierung die Wiedereinführung einer staatlichen Preisaufsicht. Für einkommensschwache Haushalte wollen sie Stromsozialtarife. „Zudem sollte es den Energieunternehmen per Gesetz verboten werden, Privathaushalten Strom, Gas oder Fernwärme zu sperren“, sagt Eva Bulling-Schröter.
Ein Vorschlag, der die Bemühung der einzelnen Verbraucher um eine bessere Energieeffizienz unterstützt, kommt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): Wer ein Kühlgerät der höchsten Effizienzklasse anschafft und sein Altgerät verschrottet, sollte dafür mit 200 Euro inklusive Entsorgungskosten belohnt werden. Auch die Grünen sind für eine staatliche Abwrackprämie. Es müsse aber sichergestellt werden, dass nur wirklich alte Geräte ausgemustert und tatsächlich entsorgt werden.
Die energetische Gebäudesanierung ist ein wichtiger Teil der Energiewende. In Deutschland werden 35 Prozent der Endenergie allein zur Beheizung, Warmwasserversorgung und Beleuchtung von Gebäuden benötigt. Im Wohnbereich gibt es noch viele ungenutzte Einsparmöglichkeiten. Nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur (dena) sind 65 Prozent der Fassaden ungedämmt und 60 Prozent der Fenster energetisch in einem schlechten Zustand. Außerdem entsprechen 80 Prozent der Gas- und Ölheizungen nicht dem Stand der Technik. Die Energie- und vor allem die Heizkosten sind seit 1995 um 173 Prozent in die Höhe geschossen. Um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen, müsste bis 2030 etwa die Hälfte des Gebäudebestandes saniert werden.
Außer vagen Zielformulierungen und Appellen hat die Bundesregierung aber noch nicht viel zur Unterstützung der Energiewende unternommen. Im Gegenteil: Die Fördermittel der KfW-Bank wurden in den letzten Jahren gekürzt. Nach rund fünf Milliarden Euro im Jahr 2010 waren es 2011 noch 2,9 Milliarden Euro. In diesem Jahr stehen nur 1,5 Milliarden zur Verfügung. Mit ihrem Plan, statt der direkten Fördermittelvergabe den Gebäudeeigentümern steuerliche Vorteile zu gewähren, ist die Bundesregierung im Bundesrat gescheitert.
In einem gemeinsamen Aufruf fordern deshalb der Deutsche Naturschutzring (DNR), der BUND, der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Deutscher Mieterbund (DMB) die Bundesregierung auf, den Stillstand bei der Gebäudesanierung zu beenden. Werde noch lange gewartet, wachse die Gefahr, dass immer mehr Mieter den Anstieg der Energie- und Heizkosten nicht mehr bewältigen können. Der NABU fordert langfristige Klarheit über staatliche Vorgaben und Förderangebote sowie einen Sanierungsfahrplan für jedes einzelne Haus. „Unterlassenes Handeln kommt die Gesellschaft später teuer zu stehen“, erklärt NABU-Energieexperte Ulf Sieberg.
Mit einer Beschleunigung der energetischen Sanierung wäre das Problem aber noch lange nicht gelöst. Dadurch sinken zwar für die Mieter die Heiz- und Warmwasserkosten, doch durch die hohen Investitionskosten steigt ihre Grundmiete meist viel stärker an als der Betrag, der bei den Betriebskosten eingespart wird.
Sanierung ohne Förderung löst keine Probleme
Elf Prozent der Modernisierungsinvestition können auf die Jahresmiete umgelegt werden, egal wie hoch die erzielte Energieeinsparung ausfällt. Eine umfassende energetische Sanierung mit Wärmedämmung, Heizungserneuerung und Fensteraustausch kann leicht eine Mieterhöhung von mehreren Euro pro Quadratmeter nach sich ziehen. Ohne Förderprogramme ist es nahezu unmöglich, auch nur annähernd eine Warmmietenneutralität zu erreichen. Wer sich solche Mieten nicht leisten kann, bringt einer energetischen Modernisierung verständlicherweise wenig Begeisterung entgegen – bedeutet es doch, dass er sich sehr einschränken oder gar seine Wohnung verlassen muss. Für den Hauseigentümer hingegen haben sich durch die Modernisierungsumlage sämtliche Investitionen schon nach neun Jahren amortisiert – allein durch die Mietzahlungen.
„Wir brauchen eine Lösung für die entscheidende Frage, wer die Kosten der energetischen Gebäudesanierung zahlen soll“, fordert DMB-Sprecher Ulrich Ropertz. „Mieter, insbesondere Durchschnitts- und Geringverdiener, sind nicht in der Lage, die Kosten allein aufzubringen. Hier hat die Bundesregierung eine Bringschuld.“
Der BUND plädiert für das „Drittelmodell“: Die Kosten für die energetische Sanierung sollen zu je einem Drittel vom Hauseigentümer, vom Mieter und über staatliche Förderprogramme bestritten werden. „Eine abgestimmte Reform von Mietrecht und Energieeinsparrecht kann den Knoten lösen zugunsten von Eigentümern, Mietern und Klimaschutz“, sagt Werner Neumann vom BUND.
Die Bundesregierung indessen verschärft mit ihrer Mietrechtsänderung, die zurzeit im Bundestag beraten wird, das Problem noch zusätzlich. Dem Gesetzentwurf zufolge dürfen Mieter bei energetischen Sanierungsmaßnahmen in den ersten drei Monaten der Bauarbeiten die Miete nicht mindern. Selbst wenn das Haus mit Gerüsten und Planen verdunkelt wird, Heizung oder Wasser ausfallen und Baulärm und Dreck in die Wohnungen dringen, müssen die Mieter die volle Miete zahlen und ein Vierteljahr lang all diese Zumutungen erdulden. Dabei ist nicht einmal klar definiert, was als energetische Sanierung zu gelten hat. So wäre durchaus denkbar, dass Sanierungsvorhaben, die eigentlich keine bessere Dämmung oder Energienutzung bezwecken, kurzerhand um eine kleine energetische Komponente ergänzt werden, um so die Sanierung zu einer energetischen Sanierung zu erklären und den Mietern ihr Mietminderungsrecht zu nehmen. Mit diesem tiefen Einschnitt in die Mieterrechte kann man den vorgeblichen Zweck, die Energiewende zu beschleunigen, kaum erreichen: Kein vernünftig rechnender Eigentümer macht eine Investition zur energetischen Sanierung eines Hauses von den vergleichsweise geringen Mietminderungsbeträgen abhängig, die die Mieter während der Bauarbeiten einbehalten könnten. Andererseits wird er natürlich jeden ihm gewährten Vorteil mitnehmen.
„Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung kommt die Energiewende nicht voran und deren Akzeptanz durch die Mieter wird wegen zusätzlicher Kostenbelastungen noch weiter schwinden“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Er fordert eine langfristige Sanierungsperspektive mit einer längeren Refinanzierung des von den Gebäudeeigentümern eingesetzten Kapitals. „Dazu muss die Mieterhöhung mit elf Prozent der Investitionskosten abgeschafft und durch eine am Umfang der Energieeinsparung orientierten Zulage im Vergleichsmietensystem ersetzt werden“, so Wild. „Wenn die Kosten der energetischen Gebäudesanierung nicht gerechter verteilt werden, wird am Ende die Energiewende scheitern.“
„Die finanzielle Überforderung der Mieter bedroht die Energiewende im Gebäudebereich, obwohl Energieeffizienz und Mieterschutz sehr gut miteinander vereinbar sind“, meint auch Daniela Wagner, Sprecherin für Bau- und Wohnungspolitik der grünen Bundestagsfraktion. Sie verlangt ebenfalls, die Mieterhöhungsmöglichkeiten zu beschränken und die Refinanzierungszeiträume zu verlängern, „zum Beispiel indem die Modernisierungsumlage nur noch für Maßnahmen der energetischen Sanierung und den altersgerechten Umbau verwendet werden kann und von elf auf neun Prozent abgesenkt wird“, so Daniela Wagner. Auch die Sozialdemokraten halten den Versuch der Bundesregierung, die Energiewende über das Mietrecht zu stemmen, für „absolut untauglich“.
Appell an die Regierung
Um wenigstens die schwächsten Haushalte vor akuter Energiearmut zu schützen, haben der DMB und der Paritätische Wohlfahrtsverband ein schnelles Eingreifen gefordert. Für Wohngeldempfänger müsse eine Energiekostenkomponente – ähnlich dem früheren Heizkostenzuschlag – eingeführt werden. „Strom- und Heizkosten gehören zu den Wohnkosten und müssen entsprechend berücksichtigt werden“, fordert DMB-Bundesdirektor Lukas Siebenkotten. Bei Empfängern von ALG II, Sozialhilfe oder Grundsicherung müssten auch die Stromkosten in der tatsächlichen Höhe übernommen werden, weil im Hartz-IV-Regelsatz die Summe für Elektrizität um 60 bis 160 Euro zu niedrig sei. „Wenn wir verhindern wollen, dass hunderttausende Familien in diesem Winter im Dunkeln sitzen, muss die Bundesregierung zügig handeln“, sagt Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Keine Frage: Die Energiewende verlangt jedem etwas ab. Allerdings müssen die Lasten gerecht verteilt werden. Starke Schultern müssen dabei mehr tragen als schwache. Die Bundesregierung verfährt aber nach dem Motto: kalte Füße für die Armen, warmer Geldregen für Konzerne und Vermieter.
Jens Sethmann
Berliner Stromversorgung: Privat, kommunal oder genossenschaftlich?
Die Berliner wollen die Bewag zurück – so die salopp verkürzte Folgerung aus dem Erfolg des Volksbegehrens „Neue Energie für Berlin“. Über 30.000 Berliner unterschrieben für eine Rekommunalisierung der Stromversorgung und den Aufbau eines Ökostrom-Stadtwerkes.
Der neue Versorger soll strengen demokratischen, ökologischen und sozialen Vorgaben gehorchen. Wenn das Abgeordnetenhaus dem Volksbegehren nicht zustimmt, müssen im kommenden Jahr in der zweiten Stufe des Begehrens 173.000 Unterschriften innerhalb von vier Monaten gesammelt werden.
Eine weitere Entscheidung steht an: Ende 2014 läuft die von Vattenfall gehaltene Konzession zum Betreiben des Berliner Stromnetzes aus. Der Senat will das Netz wieder überwiegend in die eigene Hand nehmen und hat dazu die „Berlin Energie“ gegründet. Das Land will dauerhaft mindestens 51 Prozent der Gesellschafteranteile an „Berlin Energie“ halten, um eine verbraucherfreundliche Versorgung und preisgünstige Angebote sichern zu können. Neben Vattenfall und weiteren großen Energiekonzernen bewirbt sich auch die Genossenschaft „BürgerEnergie Berlin“ um die Konzession. Ein Knackpunkt ist der Preis.
Die Senatsverwaltung für Wirtschaft schätzt den Wert des Netzes auf 400 Millionen Euro, Vattenfall spricht hingegen von drei Milliarden Euro. Der schwedische Konzern sieht aber wohl seine Felle davonschwimmen und hat dem Senat angeboten, sich künftig zu 25,1 Prozent am Berliner Stromnetz zu beteiligen.
js
MieterMagazin 11/12
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25.03.2021