In puncto Dreistigkeit dürften die Entmietungsmethoden in der Winterfeldtstraße 35 in Schöneberg kaum zu überbieten sein. Da kauft eine Firma ein Haus, nur um anschließend sämtlichen Mietern zu kündigen. Begründung: Angesichts des hohen Kaufpreises und der niedrigen Mieteinnahmen fahre man finanzielle Verluste ein. Nur durch den Verkauf der luxussanierten Wohnungen könne man eine anvisierte Rendite von 6 Prozent erzielen.
Unverhohlen legt die Firma „Euroboden Winterfeldtstraße GmbH“ mit Sitz in Grünwald bei München ihre Profitabsichten dar. Im Jahre 2012 hatte man den denkmalgeschützten Altbau für einen Gesamtkaufpreis von 3,4 Millionen Euro erworben. Nun will man das Haus für weitere 5 Millionen Euro luxussanieren inklusive Aufstockung und Tiefgaragenbau. Anschließend wolle man die Wohnungen für circa 4500 Euro pro Quadratmeter verkaufen, heißt es in der Kündigungsbegründung. Der zu erwartende Gewinn: rund 1,6 Millionen Euro. Die Fortsetzung der Mietverhältnisse würde den Eigentümer an dieser angemessenen wirtschaftlichen Verwertung hindern.
Die Mieter, von denen viele seit Jahrzehnten hier wohnen, waren fassungslos. Höhere Einnahmen, so ihre Argumentation, ließen sich auch erzielen, indem man die seit Jahren leerstehenden vier Wohnungen sowie ein Gewerbeareal vermieten würde. Die Firma Euroboden behauptet zudem, das Haus sei in einem desolaten Zustand und nur durch eine zweijährige Kernsanierung zu retten. Die Wohnungen müssten quasi in einen Rohbau zurückversetzt werden und seien in dieser Zeit unbewohnbar.
„Unser Haus ist sicherlich zum Teil instandsetzungsbedürftig, aber es ist keine Bauruine“ meint dagegen eine Mieterin. Einen guten Instandhaltungszustand belegt auch ein Exposé der Maklerfirma „Engel & Völkers“. Mitte der 1980er Jahre war das ehemals besetzte Haus mit öffentlichen Mitteln grundsaniert und modernisiert worden.
Inwieweit die geplanten Maßnahmen vom Bezirksamt genehmigt werden, ist noch unklar. Das Gebäude ist denkmalgeschützt und liegt im baulichen Erhaltungsgebiet Maaßenstraße. Daher wurden nach Angaben des Bezirksamts sowohl die geplante Tiefgarage als auch die Aufstockung sowie der Anbau von Balkonen und Aufzügen abgelehnt. Das Widerspruchsverfahren läuft. Die Umwandlung ist dagegen nicht zu verhindern. Denn ein Genehmigungsvorbehalt des Bezirksamtes bei Umwandlung gilt für dieses Gebiet nicht.
Inzwischen haben drei von derzeit neun Mietparteien eine Räumungsklage erhalten. In einem ersten Verfahren wurde die Kündigung zurückgewiesen – mit deutlichen Worten. Ein Spekulationsinteresse des Vermieters sei nicht schutzwürdig (Amtsgericht Schöneberg vom 15. März 2015 – 10 C 24/14 –). Euroboden habe schließlich beim Erwerb gewusst, dass es sich um ein Risikogeschäft handele, so die Richter. Vermietete Wohnungen aufkaufen, dann den Mietern kündigen, um die Wohnungen gewinnbringend weiter zu veräußern – eine solche Kündigung sei nicht angemessen. Bleibt zu hoffen, dass das Landgericht ebenso entschlossen urteilt.
Birgit Leiß
02.11.2015