Deutschlands größter Vermieter, das Immobilienunternehmen Vonovia, beabsichtigt eine feindliche Übernahme des Konkurrenten „Deutsche Wohnen“, die Nummer zwei auf dem deutschen Markt. Der war wiederum gerade im Begriff, sich den drittgrößten Vermieter des Landes, die LEG, einzuverleiben.
Das Wohnungsunternehmen Vonovia, das bis September 2015 noch unter dem Namen Deutsche Annington firmierte, hat den Aktionären der „Deutsche Wohnen“ ein Angebot gemacht: Sie sollen der eigenen Übernahme durch die Vonovia zustimmen. Als Anreiz für den Wechsel unter das neue Firmendach wird den Aktionären ein Angebot – eine Barabfindung und Anteilsscheine des neuen Unternehmens – unterbreitet, dessen Wert circa 7 Prozent über dem Wert der „Deutsche Wohnen“-Aktie (Stand: Mitte Oktober) liegt.
Das „Deutsche Wohnen“-Management stellt sich gegen die Übernahme, hat nunmehr aber die avisierte Fusion mit der LEG abgesagt und ist offenbar auf dem Weg, in Verhandlungen mit Vonovia soviel wie möglich für sich und seine Investoren herauszuholen.
Vonovia, die im März 2015 schon das Wohnungsunternehmen Gagfah (145.000 Mietwohnungen) übernommen hatte, würde mit dem Zukauf seinen Bestand von 370.000 auf über eine halbe Million Wohnungen aufstocken. 140.000 dieser Wohnungen liegen in Berlin.
Bei den Vertretern der Mieterverbände lässt der Vonovia-Vorstoß die Alarmglocken schrillen. Nachdem die Unternehmensführung jahrelang gute Aktionärsrenditen über die Vernachlässigung der Substanz ihrer Wohnungsbestände und verringerte Serviceleistungen realisierte, hatte die Ankündigung einer Kurskorrektur und erste Investitionsmaßnahmen des Vorstandsvorsitzenden Rolf Buch zarte Hoffnungen geweckt. Die jetzt geplante Übernahme würde das mit einem Wert von 21 Milliarden Euro bewertete Unternehmen jedoch mit insgesamt 14 Milliarden Euro belasten. Das nährt den Verdacht, dass die Mieter an den Lasten des Geschäfts beteiligt werden sollen – sei es über Mietsteigerungen oder sei es über Einsparungen bei Service und Instandhaltung.
Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, kann dem geplanten Abgang des „Deutsche Wohnen“-Managements zwar einen positiven Aspekt abringen: Es ist das einzige große Unternehmen, das den Berliner Mietspiegel zwecks Erzielung höherer Mietpreise nicht anerkennt und ihn systematisch bekämpft. Aber angesichts der Gefahren von Unternehmenskonzentration und zunehmender Ausrichtung auf eine rein gewinnorientierte Bewirtschaftungsstrategie befürchtet auch er, dass hier kein Brand gelöscht, sondern Öl ins Feuer geschüttet wird.
Udo Hildenstab
02.11.2015