Werden bei einer Modernisierung kaputte Fenster ausgetauscht, müssen Reparaturkosten, die notwendig gewesen wären, aus der Modernisierungsumlage herausgerechnet werden. Sind sie dagegen nur alt und entsprechen nicht mehr dem geforderten Standard, tragen die Mieter die gesamten Kosten für den Austausch. Das sei ungerecht, befand nun der Bundesgerichtshof (BGH) und änderte diese Praxis per Grundsatzentscheidung.
Bei einem 60 Jahre alten Haus ist nicht nur so manches instandzusetzen, vieles entspricht auch nicht mehr den heutigen Anforderungen. So können Haus- und Wohnungseingangstüren, Fenster im Treppenhaus oder die alte Briefkastenanlage durchaus noch intakt sein – im Rahmen einer Modernisierung werden sie häufig dennoch ausgetauscht. Die neuen Türen verfügen dann über besseren Schallschutz, sind klimatauglicher, und mit Bolzenverriegelungen und Türspionen ausgestattet, auch sicherer. Thermo-Fenster im Treppenhaus sparen Energie, und in der modernen Briefkastenanlage können deutlich größere Umschläge und vielleicht sogar kleine Päckchen abgelegt werden. Alles schön und gut, nur: Wer bezahlt das Ganze?
„Bisher war es klare Rechtsauffassung, dass Vermieter nur notwendige Instandsetzungsmaßnahmen von der Modernisierungsumlage abziehen mussten“, erklärt Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung im Berliner Mieterverein (BMV). Kosten, die für eine Aufarbeitung der ewig nicht gestrichenen und darum aufgequollenen Kastendoppelfenster, für die Reparatur der kaputten Heizanlage und den schadhaften Putz an der Fassade angefallen wären, sind in einer Modernisierungsankündigung transparent zu machen und aus der Umlage herauszurechnen. „Aber das betraf bisher eben nur reparaturbedürftige Bauteile“, so der Mietrechtsberater. Ging ein Vermieter dagegen geschickt vor und tauschte bei einer Modernisierung alte Teile aus, kurz bevor bei ihnen Erhaltungsmaßnahmen fällig wurden, musste er nichts abziehen und konnte seine Aufwendungen komplett weiterreichen.
„Was abgewohnt ist, muss der Vermieter ersetzen.“
Eine Gebäudeinvestition darf jedoch nicht zum Nachteil für die Mieter ausgenutzt werden, befand nun der Bundesgerichtshof und schob dieser Praxis mit seiner neuen Grundsatzentscheidung einen Riegel vor: Sinn und Zweck der Vorschriften über die Modernisierung und anschließende Mieterhöhung würden es gebieten, auch bei der modernisierenden Erneuerung von jenen Bauteilen und Einrichtungen einen Kostenabzug vorzunehmen, die zwar noch funktionierten und keinen zu behebenden Mangel aufwiesen, die aber einen großen Teil ihrer Lebensdauer erreicht hätten und abgenutzt seien.
BMV-Berater Schetschorke: „Damit hat der BGH praktisch eine Kehrtwende gemacht – und das ist nur gerecht. Denn was abgewohnt ist, muss aus unserer Sicht von der Vermieterseite ersetzt werden.“ So verlangt nun die Rechtsprechung, dass diese „fiktiven Instandhaltungskosten“ von den umlagefähigen Modernisierungskosten abzuziehen sind. Ermittelt werden soll der abzuziehende Wert nach einer Schätzung, die sich an der üblichen Lebensdauer der erneuerten Einrichtung und dem bereits eingetretenen Abnutzungsgrad orientiert. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liegt beim Vermieter, auch in einem möglichen Streitfall.
„Eine gute Entscheidung im Sinne der Mieter“, so Stefan Schetschorke. „Das Urteil wird die Beteiligungsbereitschaft der Vermieter an außergerichtlichen Vereinbarungen deutlich erhöhen.“ Denn nun müssen sie ihrem Mieter schon entgegenkommen und einen transparenten und akzeptablen Vorschlag für die abzuziehenden Kosten auf den Tisch legen, wenn sie nicht für einen Gutachter sehr viel tiefer in die eigene Tasche greifen wollen.
Rosemarie Mieder
„Fiktive Instandhaltungskosten“
Geklagt hatte eine Mieterin aus Düsseldorf, die seit 1997 in ihrer Wohnung wohnt. Nach Modernisierungsarbeiten 2016 sollte sich ihre bisherige Nettokaltmiete mehr als verdoppeln – vor allem auch, weil viele alte abgewohnte, aber nicht reparaturbedürftige Teile im Haus erneuert worden waren. Das seien „fiktive Instandhaltungskosten“, befanden die Richter in ihrem Grundsatzurteil und senkten die Umlage für die Mieterin beträchtlich.
rm
30.10.2020