Das Mantra der Immobilienwirtschaft lautet: „Gegen den angespannten Wohnungsmarkt und hohe Mieten hilft nur: bauen, bauen, bauen.“ Dass das nicht so einfach funktioniert, zeigt ein Städtevergleich des Immobilienportals „Immowelt“. Es kommt nämlich darauf an, welche Wohnungen man baut und was sonst noch auf dem Wohnungsmarkt vor sich geht.
Immowelt hat für die größten deutschen Städte ermittelt, wie stark in den Jahren von 2009 bis 2019 die Angebotsmieten der bei ihm inserierten Wohnungen angestiegen sind und wie viele Wohnungen in diesem Zeitraum neu gebaut wurden. Die beiden Städte mit der höchsten Wohnungsbautätigkeit sind auch die Städte mit den höchsten Mieten: München und Frankfurt am Main. In München beträgt die sogenannte Bauquote 47 Wohnungen pro 1000 Einwohner. Gleichzeitig stiegen in den letzten zehn Jahren die Angebotsmieten von 11,10 Euro auf 18,20 Euro pro Quadratmeter nettokalt, also um 64 Prozent. In Frankfurt wurden 48 Wohnungen pro 1000 Einwohner gebaut, während die Angebotsmieten um 48 Prozent von 9,40 Euro auf 13,90 Euro anstiegen.
„Neubau allein wird den Anstieg der Mieten in Großstädten nicht automatisch bremsen“, sagt Immowelt-Chef Cai-Nicolas Ziegler. Als Hauptgrund hat er die Baukosten ausgemacht. Der Baupreisindex ist in den letzten Jahren um 28 Prozent gestiegen. „Die hohen Baukosten machen den Verkauf für Bauherren oftmals lukrativer als die Vermietung“, sagt Ziegler. „Städte müssen lohnende Anreize schaffen, damit bezahlbarer Wohnraum entsteht, zum Beispiel in Form von attraktiven Förderungen für Sozialen Wohnungsbau.“
München und Frankfurt haben zwar Programme aufgelegt, mit denen auch bezahlbarer Wohnraum entstehen sollte, doch auch unter Berücksichtigung des dort höheren Einkommensniveaus sind die Mieten außerhalb der Reichweite von Geringverdienern: In München liegt die Einstiegsmiete für diesen geförderten Wohnungsbau bei 13,50 Euro pro Quadratmeter, in Frankfurt bei 10,50 Euro. Etwas besser steht Hamburg da: Die Bauquote ist mit 36 Wohnungen pro 1000 Einwohner die dritthöchste unter den Großstädten. Die Mieten sind im Zehnjahreszeitraum um 42 Prozent von 8,30 Euro auf 11,80 Euro gestiegen.
Berlin hat Hamburg bei den Angebotsmieten zwischenzeitlich überholt. Von 2009 bis 2019 haben sie sich in der Hauptstadt von 5,90 Euro auf 11,90 Euro verdoppelt. Das ist die mit Abstand höchste Mietsteigerung aus der Immowelt-Studie. Berlins Bauquote liegt mit 25 Wohnungen pro 1000 Einwohner im Mittelfeld. Mit zu wenig Neubau lässt sich der extreme Anstieg also nicht allein erklären. Berlin hatte während des gesamten Zeitraums einen starken Zuzug. Im Altbaubestand trieben aufwendige Modernisierungen das Mietniveau in die Höhe. Wenn gebaut wurde, waren es vor allem hochpreisige Miet- und Eigentumswohnungen. Berlin hat 2014 gegengesteuert und die Wohnungsbauförderung wieder aufgenommen. Die Einstiegsmieten liegen hier bei 6,50 Euro pro Quadratmeter.
BMV: Neubau wirkt erst langfristig
Der Berliner Mieterverein (BMV) sieht sich durch die Immowelt-Studie bestätigt. Auf dem weitgehend privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsmarkt Angebot und Nachfrage allein durch Neubau ausgleichen zu wollen, wäre äußerst aufwendig. „Dazu bedürfte es eines gigantischen Investitionsvolumens in den Neubau für breite Schichten der Bevölkerung und eben nicht nur eine Angebotsausweitung für Haushalte mit hohem Einkommen“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Dafür fehlen aber Fördermittel, Bauwillige, preisgünstige Grundstücke sowie Bau- und Planungskapazitäten. Zudem kosten auch die soziale Infrastruktur und die Verkehrsanbindungen viel Geld und Zeit. „Im Ergebnis kann der Neubau erst in sehr langen Zeiträumen zu einer Stabilisierung oder gar Senkung der Angebotsmieten führen“, folgert Wild. „Genau deshalb war die Einführung des Mietendeckels in Berlin von so wichtiger Bedeutung.“
Jens Sethmann
Der Mietendeckel senkt die Mieten
In einer weiteren Studie hat Immowelt die Auswirkungen des Mietendeckels auf die Angebotsmieten in Berlin untersucht. Seit dem Inkrafttreten des Deckels im Februar 2020 sind die in den Vermietungsanzeigen geforderten Mieten von zuvor 11,90 Euro auf 10,10 Euro pro Quadratmeter deutlich abgesunken. Für die vom Mietendeckel nicht betroffenen freifinanzierten Neubauwohnungen ab 2014 werden nun allerdings im Schnitt 15,80 Euro pro Quadratmeter verlangt.
js
Mehr Infos: https://www.immowelt.de/
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14.10.2021