Berlin braucht dringend mehr preisgünstige Wohnungen. Der Senat unternimmt große Anstrengungen, um das zu bewerkstelligen, und dennoch kommt der Neubau nur mühsam in Gang. Zu wenig Personal braucht zu lange für aufwendige Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die gesellschaftliche Aufgabe, leistbare Wohnungen zu bauen, nehmen fast nur die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften wahr. Aber auch das beste Neubauprogramm für Sozialwohnungen nützt nichts, wenn man zulässt, dass in bestehenden Wohnungen die Mieten weiterhin auf breiter Front ansteigen.
Die Einwohnerzahl Berlins stieg in den letzten sieben Jahren um jeweils 40.000 bis 60.000 jährlich. Auch 2017 sind wieder 41.308 Neuberliner hinzugekommen. Mittlerweile hat die Stadt mehr als 3,7 Millionen Einwohner. Der Senat rechnet bis 2030 mit weiteren 140.000 Einwohnern. Über 190.000 Wohnungen müssten bis dahin neu gebaut werden, um den Bedarf zu decken und den Wohnungsmangel, der in den letzten zehn Jahren entstanden ist, zu beseitigen. Eine Riesenaufgabe.
Der Berliner SPD geht der Neubau zu langsam. Seit Wochen stichelt insbesondere der Regierende Bürgermeister Michael Müller immer wieder gegen Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke), sie kümmere sich zu sehr um den Mieterschutz und zu wenig um den Wohnungsneubau. Irritierend ist nicht nur, dass die Angriffe vom Regierungspartner kommen, sondern auch, dass Michael Müller aus seiner Amtszeit als Stadtentwicklungssenator (2011 bis 2014) nur sehr bescheidene wohnungspolitische Erfolge vorweisen kann.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat im Februar 2018 mit jedem Bezirk ein Bündnis für Wohnungsneubau geschlossen, in dem festgehalten ist, wie viele Wohnungen bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 gebaut werden sollen. Die Stadtplanungsämter erhalten Zuwendungen in Höhe von 7,5 Millionen Euro, um Bebauungspläne schneller aufstellen und Bauanträge zügig genehmigen zu können. „Damit legen wir den Grundstein für eine noch besser abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirken“, erklärt Katrin Lompscher. Die lief in der Vergangenheit nicht rund.
Für Konfliktfälle wurde nun eine Clearingstelle eingerichtet: Meinungsverschiedenheiten zwischen Bezirk, Senat und Bauträgern sollen zuerst gemeinsam in der Wohnungsbauleitstelle besprochen werden. Wenn so keine Lösung erzielt wird, befasst sich damit ein Steuerungsausschuss, der aus Vertretern dreier Senatsverwaltungen und der Senatskanzlei besteht.
Der zeitliche Vorlauf
Die Beschleunigung des Bauens ist keine leichte Aufgabe. Es fehlt an Personal, an Geld, an Grundstücken und an Baukapazitäten. Von der ersten Bauidee bis zum Einzug der Mieter dauert es meist drei bis fünf Jahre. In einfachen Fällen dauert das Baugenehmigungsverfahren ein halbes Jahr. Wenn aber bei größeren Vorhaben das bezirkliche Stadtplanungsamt einen Bebauungsplan aufstellen oder gar den Flächennutzungsplan ändern muss, ist mit zwei Jahren zu rechnen. Die vorgeschriebene Bürgerbeteiligung läuft im Idealfall gleichzeitig. Die Bezirke haben ihr Personal seit den 90er Jahren so extrem reduziert, dass Bebauungspläne oft gar nicht mehr zu Ende ausgefertigt wurden und Bauanträge nicht in der vorgeschriebenen Zeit bearbeitet werden konnten.
Auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften hatten ihre Neubauabteilungen abgewickelt. Ab 2012 mussten sie sich das Know-how für eine ihrer eigentlichen Kernaufgaben erst einmal wieder aufbauen.
Außerdem können Verkaufsverhandlungen um das Baugrundstück den Ablauf noch vor Baubeginn in die Länge ziehen. Der Bau selbst dauert für ein innerstädtisches Mehrfamilienhaus rund eineinhalb Jahre. Zu Verzögerungen kann es kommen, weil die Bauwirtschaft am Rande ihrer Leistungsfähigkeit arbeitet und nicht alle Aufträge termingerecht erledigen kann.
Schneller und preiswerter bauen will Berlin durch die Typisierung und Vorfertigung der Bauelemente. Dass das nicht so öde aussehen muss wie der frühere Plattenbau, zeigen die „Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge“. Von zehn geplanten für je 450 Bewohner sind bisher vier fertiggestellt – jeweils in einer Bauzeit von weniger als einem Jahr. Die Gebäude sind nicht nur für die Unterbringung von Geflüchteten geeignet, sondern können mit kleinen Umbauten in Studenten-WGs oder Familienwohnungen verwandelt werden.
Für die weitere Typisierung von Dachaufbauten bis zu Hochhäusern haben die städtischen Gesellschaften Studien in Auftrag gegeben und diese im vergangenen Sommer in einer Broschüre zusammengefasst. Die Umsetzung steht noch aus.
Den Sozialen Wohnungsbau hatte der Senat im Jahr 1997 ganz eingestellt. Der Bestand an Sozialwohnungen schmolz in den 90er Jahren rapide zusammen, da die Sozialbindungen zeitlich begrenzt sind. 1993 hatte Berlin noch 370.000 Sozialwohnungen, heute liegt deren Zahl nur noch bei knapp über 100.000.
Erst im Jahr 2014 stieg der Senat wieder in die Wohnungsbauförderung ein. Den Bau einer Sozialwohnung fördert die Investitionsbank Berlin mit einem zinslosen Kredit in Höhe von 1300 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Dafür sind die Mieten in diesen Wohnungen 30 Jahre lang gebunden. Anfangs betragen sie nettokalt 6,50 Euro pro Quadratmeter, alle zwei Jahre steigen sie um 0,20 Euro pro Quadratmeter. Einziehen können Mieter mit einem Berliner Wohnberechtigungsschein (WBS). Die Einkommensgrenzen liegen 40 Prozent über dem bundeseinheitlichen Limit. Ein Berliner Einpersonenhaushalt darf beispielsweise bis zu 16.800 Euro im Jahr verdienen, ein Dreipersonenhaushalt 30.940 Euro. Rund die Hälfte aller Berliner Haushalte ist wegen ihres geringen Einkommens wohnberechtigt. Bei der Rückzahlung des Förderkredits gibt es einen Tilgungsverzicht von 25 Prozent – das heißt, ein Viertel der Summe bekommt der Bauherr geschenkt. In einem Bauvorhaben können bis zu 50 Prozent der Wohnungen gefördert werden. Bei kleineren innerstädtischen Projekten mit höchstens 50 Wohnungen ist eine Förderung auch bei sämtlichen Wohnungen möglich.
Private Investoren verschmähen die öffentliche Förderung
Seit Wiederaufnahme der Förderung 2014 sind bis Ende 2017 insgesamt 6647 Sozialwohnungen entstanden. Nach sehr schleppendem Beginn mit 1211 Wohnungen in den Jahren 2014 und 2015 waren es im Jahr 2016 genau 2305 Wohnungen. Im Jahr 2017 unterstützte das Land Berlin mit 211,5 Millionen Euro den Bau von 3131 neuen Sozialwohnungen, also etwas mehr als die geplanten 3000.
Der Neubau nimmt also langsam Fahrt auf. Das ist auch bitter nötig. „Ohne Neubau und Neubauförderung wird es uns nicht gelingen, den Bestand an Sozialmietwohnungen in der Stadt stabil zu halten“, erklärt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher. „Deshalb wird der Senat die Förderung in den kommenden Jahren sukzessive ausbauen.“ Für 2018 stehen Fördermittel für 3500 Sozialwohnungen bereit. In den folgenden Jahren wird die Förderung schrittweise um je 500 Wohnungen aufgestockt, so dass im Jahr 2021 schließlich 5000 geförderte Wohnungen entstehen werden.
Die neue große Koalition im Bund will sich auch nach 2019 an der Finanzierung des Sozialen Wohnungsbaus beteiligen und stellt für die Jahre 2020 und 2021 zwei Milliarden Euro in Aussicht. Sollte dies nach dem üblichen Schlüssel auf die Länder verteilt werden, bekäme Berlin davon 110 bis 120 Millionen Euro. Das würde für die Förderung von rund 1300 zusätzlichen Wohnungen reichen.
Den Löwenanteil des geförderten Wohnungsbaus übernehmen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Sie haben 2406 der 3131 Sozialwohnungen des vergangenen Jahres errichtet, also mehr als drei Viertel. Die Förderung steht jedem Bauherrn offen, doch sowohl Genossenschaften als auch private Investoren verschmähen sie weitgehend. Weder ansehnliche Fördersummen noch Zinsfreiheit und Tilgungsverzicht bringen sie dazu, sich auf Sozialbindungen einzulassen. Die Zinsen für Baugeld sind auf dem freien Kapitalmarkt ohnehin sehr niedrig, und solange der Berliner Wohnungsmarkt so angespannt ist, dass man problemlos auch Mieter findet, die gezwungenermaßen deutlich höhere Mieten zahlen, gibt es für private Investoren keinen Anlass, preiswerte Wohnungen zu bauen. Hochwertige Wohnungen lassen sich zudem ohne irgendwelche Bindungen durch den Verkauf als Eigentumswohnungen sehr schnell zu Geld machen.
Die Fälle, in denen private Bauträger die Förderung nutzen, gehen auf das Modell der kooperativen Baulandentwicklung zurück. Dieses Modell kommt dann zum Einsatz, wenn für ein größeres Bauvorhaben erst einmal Baurecht geschaffen werden muss: Bei der Aufstellung eines amtlichen Bebauungsplans für ein neues Wohngebiet kann das Stadtplanungsamt vom Bauherrn unter anderem verlangen, dass 30 Prozent der Wohnfläche für Geringverdiener zur Verfügung stehen müssen. Für diese Wohnungen gelten die gleichen Miethöhenbegrenzungen und Zugangsregeln wie für Sozialwohnungen. Unter diesen Umständen greifen die Investoren gern auf die Förderung zurück, auch wenn dies nicht vorgeschrieben ist. Eigentümer, die sich das nicht ans Bein binden wollen, geben in solchen Fällen einen Teil des Baugrundstücks an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ab, die dann den „sozialen Teil“ ihres Investments erledigen.
Berliner Vorreiter für dieses Modell war der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der im Jahr 2013 für die Bebauung des Freudenberg-Areals an der Boxhagener Straße dem Investor Bauwert weitreichende Zugeständnisse abgerungen hat. Dabei wurden 122 der 650 Wohnungen, die inzwischen kurz vor der Fertigstellung stehen, an die städtischen Howoge abgegeben, darunter 90 Sozialwohnungen.
Der Senat hat erst ein Jahr später verbindliche Regeln für solche Deals aufgestellt. Prominente Beispiele sind die beiden Bauprojekte der Groth-Gruppe am Mauerpark und an der Lehrter Straße, in denen nach der damals noch geltenden Regelung jede vierte Wohnung günstig vermietet werden muss.
Ein wachsendes Problem für den preiswerten Neubau ist die Baulandfrage. Die Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften greifen für ihre Neubauvorhaben zunächst auf eigene Grundstücksreserven zurück. Doch die Flächen, auf denen sie ihre bestehenden Siedlungen nachverdichten können, gehen zur Neige.
Es gibt in Berlin immer weniger geeignete Bauflächen und deren Preise steigen seit Jahren rasant an. Die hohen Grundstückspreise machen in der Innenstadt, wo günstige Wohnungen am dringendsten gebraucht werden, das Bauen so teuer, dass – betriebswirtschaftlich gesehen – dort nur teure Wohnungen entstehen können. Das Land Berlin besitzt zwar im Vergleich zu anderen Städten viele unbebaute Immobilien. Ein Großteil der für den Wohnungsbau geeigneten Grundstücke ist jedoch schon den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften kostenlos übertragen worden, damit sie dort Wohnungen errichten.
Bauland: Der Bund schießt quer
Der Blick richtet sich in Berlin daher auf bundeseigene Grundstücke. Aufgegebene Bahnflächen, frühere Militärkasernen und ehemalige Alliiertenliegenschaften bieten noch ein großes Potenzial für den Wohnungsbau. Doch mit der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA), die den staatlichen Grund und Boden verwaltet und nicht mehr benötigte Flächen verkauft, liegt der Senat seit Jahren im Clinch. Die BImA hat den gesetzlichen Auftrag, beim Verkauf von Grundstücken mit wenigen Ausnahmen den höchsten Preis zu erzielen. Bei der Vergabe an den Höchstbietenden können öffentliche Träger nicht mit profitorientierten Investoren mithalten. So blockiert der Streit um das Dragonerareal in Kreuzberg die Entwicklung des Gebiets schon seit zwei Jahren. Die BImA musste den Verkauf des Geländes an einen privaten Erwerber rückabwickeln. Senat und Bezirk wollen hier unter anderem Sozialwohnungen bauen.
„Der Streit zwischen der BImA und dem Berliner Finanzsenator muss um der Stadt willen schnell beendet werden“, erklärt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV). „Berlin braucht dringend auch die unbebauten Grundstücke des Bundes.“ Der Mieterverein fordert die BImA auf, diese Grundstücke noch deutlich unterhalb des Verkehrswertes an Berlin abzugeben. „Dies wäre eine Art Entschädigung für die Untätigkeit des Bundes in den vergangenen Jahren“, so Wild. Die neue Bundesregierung müsse zudem endlich das BImA-Gesetz ändern und die Vergabe zum Höchstpreis beenden. „Es kann nicht sein, dass sich Bund und Länder an der Immobilienspekulation beteiligen“, so Wild.
Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften einschließlich der Berlinovo sollen ihren Wohnungsbestand von derzeit knapp 320.000 bis 2021 auf 360.000 erweitern, vor allem durch den Neubau von mindestens 30.000 Wohnungen. So steht es in der Kooperationsvereinbarung, die sie 2017 mit dem Senat geschlossen haben. Mindestens die Hälfte der Neubauwohnungen müssen sie zur Anfangsmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter an WBS-Haushalte vermieten. Doch selbst wenn die landeseigenen Unternehmen wie geplant expandieren, steigt ihr Anteil am Berliner Wohnungsmarkt nicht über 20 Prozent. So wird deutlich: Die Städtischen können die Wohnungsmarktprobleme nicht allein lösen.
Ausgerechnet ein durch und durch kommerziell denkender Konzern hat nun angekündigt, günstige Wohnungen zu bauen. Die Discounter-Kette Aldi Nord will an 30 Berliner Standorten mehr als 2000 Wohnungen bauen. Ein Drittel der Wohnungen soll zu 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden, der Rest zu höchstens 10 Euro. Aldi nimmt dazu keine öffentlichen Fördergelder in Anspruch. Das Unternehmen nutzt eigene Grundstücke: Die vorhandenen Standard-Supermärkte mit ihren übergroßen Parkplätzen werden abgerissen und im Erdgeschoss der neuen Wohnhäuser mit größerer Verkaufsfläche wieder eröffnet. Die ersten beiden Projekte plant Aldi in der Lichtenberger Sewanstraße und in der Neuköllner Silbersteinstraße. Dies ist ein erster Erfolg des „Supermarktgipfels“, auf dem der Senat im Juni 2017 die Handelsunternehmen dafür gewinnen wollte, ihre Grundstücke für den Wohnungsbau zu nutzen. Das Potenzial ist noch groß: In Berlin gibt es rund 330 Supermarkt-Flachbauten.
Kontraproduktive Grundsteuerregelung
Ein Anreiz, um mehr Bauland auf den Markt zu bringen, wäre eine Umstellung der Grundsteuer auf eine reine Bodenwertsteuer, die für bebaute wie für unbebaute Grundstücke gleich hoch ist. Bisher ist die Grundsteuer für innerstädtische Brachflächen so niedrig, dass Eigentümer ohne Nachteile auf baureifen Grundstücken hocken bleiben und auf noch höhere Verkaufspreise warten können. Eine Bodenwertsteuer, wie sie vom Deutschen Mieterbund und vielen anderen Verbänden gefordert wird, würde solche Grundstücksspekulationen unattraktiver machen.
Einen ausgewogenen gesamtstädtischen Plan, wo günstige Wohnungen entstehen, gibt es nicht. So gab es von 2014 bis 2017 beispielsweise im Bezirk Lichtenberg 17 geförderte Wohnbauprojekte mit zusammen 1373 Sozialwohnungen, während es in Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf jeweils nur ein einziges Projekt mit ganzen 23 beziehungsweise 24 Sozialwohnungen gab, obwohl der Bedarf an preiswerten Wohnungen hier nicht geringer ist. Die städtischen Wohnungsunternehmen haben in diesen beiden Bezirken kaum Grundstücke. Daher müssten Bezirke und Senat verstärkt mit Bebauungsplänen und der kooperativen Baulandentwicklung für mehr Sozialen Wohnungsbau sorgen, fordert Reiner Wild. „Die Instrumente sind da, doch sie werden aus politischen Gründen häufig nicht angewendet.“ Ansonsten gerate das Ziel einer durchmischten Stadt mehr und mehr in die Ferne, so Wild.
„Die bisher eingeleiteten Maßnahmen des Senats dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass an den zentralen Baustellen bislang nur wenig Besserung in Sicht ist. Das Angebot an preisgünstigen Wohnungen sinkt in Berlin weiterhin, daran ändert eine erhöhte Zahl fertiggestellter Sozialwohnungen wenig“, erklärt der BMV-Geschäftsführer. „Die Schuld liegt dafür aber nicht beim Berliner Senat, sondern in erster Linie bei der Bundesregierung, die es nicht geschafft hat, in der vergangenen Legislatur eine Mietendämpfung hinzubekommen.“ Auch die neue Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD lässt keine Verbesserung erwarten. Der Neubau preiswerter Wohnungen allein wird die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht entspannen.
Jens Sethmann
Am Bedarf vorbei gebaut
In Berlin wurde viele Jahre völlig am Bedarf vorbeigebaut. Gebraucht werden bezahlbare Mietwohnungen für Einpersonenhaushalte und für Familien mit Kindern. Gebaut wurden aber vor allem Eigentumswohnungen im oberen Preissegment mit zwei oder drei Zimmern – für eine Person zu groß, für Familien zu klein und für durchschnittliche Berliner Einkommen zu teuer. Der Neubau zielt auf zahlungskräftige Kunden von außerhalb. In München, Frankfurt am Main, London, Barcelona oder Kopenhagen erscheinen die Berliner Kaufpreise und Mieten als günstig. Der enge Wohnungsmarkt im wachsenden Berlin verspricht ein sicheres Investment.
Die Nachfrage nach teuren Wohnungen scheint allerdings nachzulassen. Neue Eigentumswohnungen finden nicht mehr sofort einen Käufer, der jeden Preis bezahlt. Investor Christoph Gröner, der den Steglitzer Kreisel und das ehemalige Postscheckamt in Kreuzberg in Wohnhochhäuser umbauen möchte, forderte den Senat deshalb auf, zu überlegen, „wie man Leute zuziehen lässt, die mehr verdienen“.
Statt preiswerter zu bauen verlegen sich einige Investoren auf den Bau von „Mikroapartments“: möblierte Kleinstwohnungen mit rund 20 Quadratmetern, die zu 400 bis 800 Euro vermietet werden – ein Preis, den sich beispielsweise ein Student nur leisten kann, wenn er zahlungskräftige Eltern hat. Selbst junge Berufstätige, die bereit sind, ihre Raumansprüche extrem zu reduzieren, müssten ihre Einkünfte zum großen Teil in die Miete stecken. Auf Dauer wird kaum jemand so wohnen wollen. Für den Wohnungsmarkt bringen solche Angebote keine echte Entspannung. Die Vermieter freuen sich jedoch über ausgesprochen üppige Quadratmetermieten.
js
Informationen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zum Wohnungsneubau und zu Instrumenten der Neubauförderung: www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsbau/
10.07.2019