Ein Bolzplatz in Charlottenburg soll abgerissen werden, weil Anwohner gegen den Lärm geklagt hatten. Das Verwaltungsgericht Berlin verurteilte den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, den Platz abzubauen. Der Bezirk legte dagegen Berufung ein.
Der Ballspielplatz in der Eosanderstraße 6 ist schon seit Jahren umstritten. Immer wieder kam es zu Beschwerden von Nachbarn über den Lärm, der von dem Bolzplatz ausging. Nicht nur Kinder und Jugendliche, auch Erwachsene, für die der Platz eigentlich nicht gedacht ist, jagten dort lautstark dem Ball hinterher. Die Mittagsruhe wurde nicht beachtet, das Spiel ging oftmals bis in die Nacht und auch sonntags wurde gekickt. Nach einer Schallmessung ordnete das Verwaltungsgericht bereits 2004 Schließzeiten an: Der Platz wurde werktags um 19 Uhr und samstags um 13 Uhr abgeschlossen, sonntags blieb er ganz gesperrt. Der Bezirk ließ außerdem lärmmindernde Ballfangzäune aufstellen und ein Netz über den gesamten Platz spannen. Das hinderte die Sportbegeisterten jedoch nicht, abends über den hohen Zaun zu klettern und bis tief in die Nacht zu lärmen.
Eine genervte Anwohnerin machte davon Videoaufnahmen und legte sie dem Verwaltungsgericht vor. Das Gericht gab der Anwohnerin recht und ordnete die Radikallösung an: Der Bolzplatz muss weg, Tore und Zäune müssen abgebaut, der Kunststoffbodenbelag entfernt werden. Die gegenwärtige Nutzung des Ballspielplatzes führe zu unzumutbaren Lärmbelästigungen, welche nur durch eine Beseitigung der Anlage unterbunden werden könnten, so das Gericht.
„Die Einführung von Schließzeiten hat überhaupt nichts gebracht“, erklärt Rechtsanwalt Sebastian Bartels, der für die Anwohnerin den Abbau des Platzes durchgesetzt hat. Eine Einigung wäre möglich gewesen, sei jedoch vom Bezirk abgelehnt worden: „Der Bezirk hat das Urteil billigend in Kauf genommen“, so Bartels. Dass das Urteil kinderfeindlich sei, will Bartels nicht gelten lassen: Lärm von einem Spielplatz wäre als „sozialadäquat“ hinzunehmen. „Aber hier haben wir eine Sportanlage im Innenhof“, sagt Bartels, „das ist etwas ganz anderes“. Die Schallpegel lagen erheblich über den Grenzwerten.
Lärmbeschwerden gibt es bei Bolzplätzen immer wieder, nicht nur wegen des lautstarken Ballspiels, sondern auch, weil sie häufig Treffpunkte von vielen Jugendlichen sind. Mehrere Bolzplätze wurden deshalb schon zu Kinderspielplätzen umgebaut. In Hellersdorf wurden Bolzplätze aus den Höfen von Plattenbau-Karrees herausgenommen und außerhalb wieder aufgebaut. Anders als dort stehen in dichtbebauten Innenstadtbezirken wie Charlottenburg kaum Alternativflächen zur Verfügung, auf denen Fußball gespielt werden kann, ohne Nachbarn zu stören.
Deshalb will der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gegen das Verwaltungsgerichtsurteil in Berufung gehen. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig und der Bolzplatz könnte – zumindest vorerst – stehen bleiben. „Wir erwarten aber vom Bezirk, dass er den Platz schließt, solange das Berufungsverfahren läuft“, sagt Rechtsanwalt Bartels.
Jens Sethmann
MieterMagazin 12/06
Eine Anwohnerin setzte die Schließung dieses Bolzplatzes durch, weil nachts gekickt wurde
Foto: Jens Sethmann
Das Aktenzeichen des Urteils vom 22. September 2006: VG 10 A 239.05
07.06.2018