Berlin hat sich in seinem Landesenergieprogramm von 2006 ehrgeizige Ziele zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen gesetzt. Gerade im Wohnbereich könne durch eine gute Dämmung und energieeffiziente Heizanlagen sehr viel Energie eingespart werden, heißt es darin. Doch ob bei Gebäudesanierungen die geltenden Einsparvorschriften eingehalten werden, wird nicht überprüft. Eigenverantwortung steht vor Kontrolle, doch der Klimaschutz droht dabei auf der Strecke zu bleiben.
74 Prozent des Energieverbrauchs privater Haushalte in Berlin beansprucht allein die Raumheizung. Die Energieeinsparverordnung (EnEV), die zum 1. Oktober erneuert und um den Gebäudeenergieausweis ergänzt wurde, soll an dieser Stelle den Energiebedarf senken helfen: So mussten zum Beispiel Eigentümer von Altbauten bis Ende letzten Jahres veraltete Heizkessel austauschen und bestimmte Leitungsrohre dämmen lassen. In Berlin sind die Schornsteinfeger dafür zuständig, die Einhaltung dieser Vorgaben zu kontrollieren. Wurde nicht nachgerüstet, setzen sie dem Verantwortlichen eine angemessene Nachfrist. Erst wenn auch dann nichts passiert, wird die Bauaufsichtsbehörde informiert.
Nicht kontrolliert wird hingegen, ob sich Eigentümer an die EnEV-Vorgabe halten, bei der „Änderung von Außenbauteilen“ – also beispielsweise der Erneuerung von Fassade oder Dach – eine Wärmedämmung anzubringen. „Solche Maßnahmen bei bestehenden Gebäuden sind in der überwiegenden Zahl der Fälle baurechtlich verfahrensfrei und auch nicht anzeigebedürftig. Die Bauaufsichtsbehörden erhalten also keine Kenntnis von solchen Vorhaben“, teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Anfrage mit. Laut Berliner Durchführungsverordnung zur EnEV muss lediglich der Unternehmer, der die Arbeiten ausführt, dem Bauherrn bestätigen, dass die Anforderungen der EnEV erfüllt wurden.
Auch die Bundesregierung als Verordnungsgeber setze auf die eigenverantwortliche Umsetzung der Anforderungen und habe bisher keine Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Wärmeschutzanforderungen bestimmt, so die Berliner Senatsverwaltung. „Die Einhaltung der Anforderungen aus der Energieeinsparverordnung und den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften obliegt den Eigentümern und Bauherren sowie den anderen am Bau Beteiligten.“
Zeigen Eigentümer genügend Eigeninteresse?
Die Senatsverwaltung verweist wie die Bundesregierung auf das Eigeninteresse der Eigentümer an Nutzungsqualität, Kostenreduzierung, Werterhaltung und -verbesserung sowie Vermietbarkeit ihrer Gebäude. Doch es ist fraglich, ob bei allen Hauseigentümern dieses Interesse tatsächlich groß genug ist. So fordert Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV): „Damit der Klimaschutz bei Wohngebäuden auch wirklich erfolgreich ist, brauchen wir dringend eine Kontrolle der Energiesparvorgaben.“ Der Senat beabsichtigt jedoch keine weitergehenden Regelungen, wie die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz im Mai in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Carsten Wilke klarstellte. Verbesserungen bei der Umsetzung der Sanierungspotenziale im Gebäudebereich seien nicht angemessen und wirksam durch behördliche Prüfungen und Kontrollen zu erreichen.
Mietminderungsansprüche für Mieter bei unterlassener Energieeinsparung könnten neben Baukontrollen für Druck sorgen, meint Wild. „Dazu benötigen wir aber eine neue gesetzliche Regelung. Wer ernst machen will mit den Klimaschutzzielen, kommt an solchen Maßnahmen nicht vorbei.“
Kristina Simons
MieterMagazin 12/07
Ob Vorgaben der Energieeinsparverordnung – beispielsweise eine Dämmung der Fassade – eingehalten werden, wird nicht geprüft
Foto: Christian Muhrbeck
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Weniger Bürokratie allein reicht nicht
Dass zunehmend auf Eigenverantwortlichkeit gesetzt und entsprechend auf Kontrollen verzichtet wird, hängt mit den Bemühungen der Politik zusammen, Bürokratie abzubauen und Verfahren dadurch zu vereinfachen und zu beschleunigen. Folglich wurde auch das Baurecht liberalisiert. Bei der Bauüberwachung beschränkt sich der Staat nun im Wesentlichen auf Sicherheit und Gefahrenabwehr. „Das Fehlen staatlicher Regelungen ist dann okay, wenn Gebäudeeigentümer und letztlich Mieter verstehen und nachvollziehen können, was genau bei der Sanierung eines Gebäudes passiert“, meint Tobias Loga vom Institut Wohnen und Umwelt GmbH (IWU). „Doch genau das gewährleistet die Energieeinsparverordnung nicht.“ Auch der Energieausweis könne dieses Defizit nicht ausgleichen, da darin nachprüfbare bau- und anlagentechnische Daten fehlten.
ks
05.02.2018