Nach einem Gesetzentwurf der Bundesministerien für Justiz und Bau sollen qualifizierte Mietspiegel gestärkt und durch eine Verordnung die Erstellung von Mietspiegeln rechtssicherer werden. Qualifizierte Mietspiegel würden vorrangig neben Sachverständigengutachten Anwendung finden. Der Berliner Mieterverein (BMV) fordert, auch Gutachten als Begründungsinstrument auszuschließen und in der Rechtsverordnung keine außergesetzlichen Merkmalsindikatoren zuzulassen.
Der Mietspiegel ist für Mieter ein wichtiges Kontrollinstrument. Mit ihm wird die ortsübliche Vergleichsmiete festgestellt, die als Maßstab für Mieterhöhungen gilt. In vielen Städten werden Mietspiegel aber immer öfter von Vermietern, die höhere Mieten durchsetzen wollen, juristisch angefochten. Auch der mit hohem Aufwand erstellte Berliner Mietspiegel ist fortgesetzten Angriffen ausgesetzt. Die Bundesregierung hatte deshalb in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, Regeln für die Erstellung von Mietspiegeln festzusetzen. Jetzt haben die Bundesministerien für Justiz und Inneres Vorschläge für eine Mietspiegel-Reform vorgelegt.
Wichtigste Neuerung: Gibt es einen qualifizierten Mietspiegel, so können Mieterhöhungen nur mit diesem Mietspiegel oder mit einem Sachverständigengutachten begründet werden – und nicht mehr durch die Benennung von Vergleichswohnungen. Wenn ein Mietspiegel sowohl von der zuständigen Behörde als auch von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als qualifizierter Mietspiegel anerkannt wird, gilt er künftig als „nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt“. Das stärkt die Wirkung des Mietspiegels vor Gericht. Die Frist für die Anpassung von Mietspiegeln wird von zwei auf drei Jahre verlängert.
Der BMV begrüßt die meisten der geplanten Änderungen. Allerdings sollte bei einem qualifizierten Mietspiegel konsequenterweise auch das Sachverständigengutachten als Begründungsmöglichkeit entfallen. Die auf drei Jahre verlängerte Gültigkeit eines Mietspiegels kann die Preissteigerungsdynamik dämpfen. Stichtagszuschläge sollten aus Sicht des BMV gesetzlich ausgeschlossen werden. Der BMV drängt außerdem darauf, dass bei der Erstellung eines Mietspiegels alle Mieten in die Berechnung einfließen – also nicht wie nach aktueller Rechtslage nur die Mieten, die in den letzten sechs Jahren erhöht oder neu vereinbart wurden, sondern auch die unveränderten. Der BMV kritisiert die Absicht aus dem Verordnungsentwurf, auch außergesetzliche Merkmale in die Erstellung von Mietspiegeln einfließen zu lassen.
Durch den Mietendeckel hat der Mietspiegel in Berlin zwar an Bedeutung verloren, doch wird er aktuell wegen der Rechtsprechung, die Zustimmungserfordernisse zu Mieterhöhungen zulässt, ebenso genutzt wie bei der parallelen Anwendung der Mietpreisbremse. Der aktuelle Berliner Mietspiegel 2019 wird fortgeschrieben, auch weil nicht klar ist, wie das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel bei dem im Frühjahr erwarteten Beschluss bewertet.
Jens Sethmann
26.11.2020