Am 13. Mai hat Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher den Berliner Mietspiegel 2019 vorgestellt. Die darin abgebildeten Mieten stiegen erfreulicherweise nicht so stark an, wie die Hiobsbotschaften der verschiedenen Wohnungsmarktberichte der letzten Zeit befürchten ließen. Für manche Mieter verspricht der neue Mietspiegel eine Ruhepause im Preissturm. Doch vor allem Mieter von Altbauwohnungen müssen weiter damit rechnen, dass ihr Vermieter unter Berufung auf den neuen Mietspiegel die Miete enorm erhöhen kann.
Der Mietspiegel soll sicherstellen, dass der überhitzte Wohnungsmarkt sich nur gedämpft auf die bestehenden Mietverhältnisse auswirkt. Damit aber die Bewohner nicht massenhaft vom Mietenorkan aus den Städten gefegt werden, müsste die Bundesregierung dringend das Instrument Mietspiegel rechtssicherer machen und Mieterhöhungen generell beschränken. Vermutlich bleiben solche Erwartungen an die Bundesregierung aber unerfüllt. Dann muss es am Ende doch ein gerade heftig diskutierter Landesmietendeckel richten.
Seit dem letzten Mietspiegel 2017 stieg die Durchschnittsmiete von 6,39 Euro auf 6,72 Euro pro Quadratmeter. Das entspricht einer Steigerung von 5,2 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Der Anstieg hat sich damit merklich verlangsamt. Die Steigerungsrate hatte von 2015 auf 2017 noch 9,4 Prozent betragen.
Wie schon in den vorherigen Mietspiegeln ziehen die Mietwerte bei den Altbauten, die bis 1918 bezugsfertig waren, allerdings überdurchschnittlich stark an. Auf 7,7 Prozent beläuft sich die Mietverteuerung bei dieser mit 412.000 Wohnungen weitaus größten Baualtersklasse. Das Mietenniveau der Gründerzeit-Altbauten liegt jetzt im Schnitt bei 7,17 Euro.
Der neue Berliner Mietspiegel 2019 ist erschienen:
Am geringsten sind die Anstiege in den Gebäuden der Baujahre 1950 bis 1964 und 1965 bis 1972 sowie in den zwischen 1973 und 1990 gebauten Wohnungen im Ostteil der Stadt. Die Durchschnittsmieten liegen hier bei Werten um 6 Euro. In den seit 2003 errichteten Neubauwohnungen verzeichnet der Mietspiegel mit 10,59 Euro den höchsten Mittelwert.
Betrachtet man die einzelnen Felder des Mietspiegels, zeichnet sich eine uneinheitliche Entwicklung ab. So sind die Mittelwerte in einigen Feldern sprunghaft um mehr als 30 Prozent angestiegen, und es gibt erstmals kein einziges Feld mehr, in dem der Mittelwert unter 5 Euro liegt. Andererseits sind in 18 der 89 besetzten Mietspiegelfelder die Mittelwerte gesunken. Der niedrigste Mittelwert liegt bei 5,23 Euro, der höchste bei 12,89 Euro. Einen Mittelwert über 10 Euro weisen sieben Felder auf – genauso viele wie im Vorgänger-Mietspiegel.
Auch die Entwicklung der Oberwerte ist gemischt. In 38 Feldern sind sie zurückgegangen, in einigen Fällen aber heftig gestiegen – um bis zu 42 Prozent. In 23 Feldern hat die Obergrenze die Zehn-Euro-Marke überschritten. Die Spitzenwerte sind bei den jüngsten Neubauten und den ältesten Altbauten zu finden. Der Oberwert ist maßgeblich für die gut ausgestatteten Wohnungen, weil hier durch die Berücksichtigung der Wohnungsmerkmale meist die obere Grenze der angegebenen Spanne erreicht wird. Die „Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung“, mit der die Wohnungsausstattung bewertet wird, blieb im Vergleich zum Mietspiegel 2017 bis auf einige Details unverändert.
Ausreißer bleiben außen vor
Dass der neue Mietspiegel für manche Mieter noch relativ glimpflich ausfällt, ist vor allem der beschränkten Spannenbreite zu verdanken, die auch schon im Berliner Mietspiegel 2017 galt. Das heißt: Nur die mittleren drei Viertel aller erhobenen Mietwerte fließen in die Tabelle ein. Das billigste und das teuerste Achtel werden aus der Berechnung gestrichen. Hätte man ausnahmslos alle Werte berücksichtigt, dann zögen einige extrem teure Wohnungen die Mietwerte stark nach oben. In vielen Baualters- und Größenklassen wurden einzelne Mieten in Höhen von 15, 17 oder gar 21 Euro festgestellt, die ohne die beschränkte Spannenbreite voll auf den Mietspiegel durchgeschlagen und das Bild erheblich verzerrt hätten. Die ebenfalls gestrichenen niedrigsten Werte weichen dagegen nicht so stark vom Durchschnitt ab. Die Nicht-Berücksichtigung des untersten und obersten Achtels der Mietwerte eines Feldes ist keine statistische Trickserei. Schießlich sollen Mietspiegel die üblicherweise gezahlten Mieten abbilden – und nicht die ganze Bandbreite des Mietmarktes.
Aus diesem Grund weist der Mietspiegel auch weniger dramatische Steigerungen auf als die verschiedenen Wohnungsmarktberichte, die in der Regel nur Neu- und Wiedervermietungsmieten betrachten: Die Vermieter verlangen oft, was der Markt hergibt, ohne die Mietpreisbremse zu beachten. Oder sie nutzen die zahlreichen Ausnahmen von der Mietenbegrenzung. Im Mietspiegel beruhen die Mietwerte hingegen nur zum kleineren Teil auf Wiedervermietungen. Mehr als die Hälfte der erhobenen Mieten resultiert aus regulären Mieterhöhungen in laufenden Mietverträgen und aus Modernisierungen.
Ein Resultat politischer Maßnahmen?
Nach Ansicht von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) haben sich auch schon die politischen Weichenstellungen des Senats bereits dämpfend auf den Mietspiegel ausgewirkt. Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen wurde im Jahr 2013 auf 15 Prozent in drei Jahren abgesenkt. Seit 2014 ist die Zweckentfremdung von Wohnraum verboten. In Milieuschutzgebieten wird seit 2015 die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unterbunden und das Vorkaufsrecht genutzt. Bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind seit Anfang 2017 Mieterhöhungen auf vier Prozent in zwei Jahren begrenzt und die Modernisierungsumlage auf sechs Prozent reduziert. Und nicht zuletzt nimmt auch der Wohnungsneubau langsam Fahrt auf.
Die teilweise sehr starken Veränderungen gegenüber dem letzten Mietspiegel sind auch auf die Neueinteilung der Wohnlagen zurückzuführen. Die bisherige Zuordnung der Adressen in einfache, mittlere und gute Wohnlagen war nicht mehr adäquat. In den letzten Jahrzehnten konnten die Wohnlagen jeweils auf Antrag an einzelnen Stellen geändert werden. Den vielen Vermieteranträgen auf Heraufstufungen standen immer nur wenige Anträge von Mietern gegenüber, die eine Wohnlage herabstufen wollten. So entstand im Laufe der Jahre ein schwer nachvollziehbarer Flickenteppich.
15 Indikatoren bestimmen jetzt die Wohnlage
In den Mietspiegel 2019 flossen nun keine Änderungswünsche mehr ein. Stattdessen wurden die Wohnlagen auf Basis der bisherigen Wohnlagenkarte mit einem statistischen Verfahren grundlegend neu bewertet. Berücksichtigt wurden dabei 15 Indikatoren – von der Bebauungsdichte über die Nähe zu Versorgungszentren und Grünanlagen, den Sozialstatus und Umwelteinflüsse bis zu den Bodenrichtwerten. Im Ergebnis hat fast jede dritte Adresse die Wohnlage gewechselt. Der Anteil der einfachen Wohnlage ist von 37 auf 31 Prozent gesunken, die gute Wohnlage hat sich hingegen von 15 auf 19 Prozent ausgeweitet. Diese Verschiebung zu besseren Wohnlagen hat zur Folge, dass viele Wohnungen mit eher niedrigen Mieten in eine höhere Wohnlage rutschen und dort den Mietanstieg bremsen. Während die Mittelwerte in der einfachen Wohnlage um 6 Prozent überdurchschnittlich zunahmen, waren die Anstiege in der mittleren und guten Wohnlage mit 3,6 beziehungsweise 2,6 deutlich geringer. Die Unterschiede zwischen den Wohnlagen werden somit tendenziell kleiner.
Die Beträge, die bei Substandard-Wohnungen abgezogen werden können, sind wieder deutlich gestiegen. Wohnungen, die ohne Bad und/oder ohne Sammelheizung vermietet worden sind, führt die Mietspiegeltabelle nicht auf. Für sie sind pauschale Abzugsbeträge errechnet worden. Beispielsweise reduziert sich die Vergleichsmiete bei einer Altbauwohnung, der sowohl Bad als auch Sammelheizung fehlen, um 2,20 Euro pro Quadratmeter. Im letzten Mietspiegel betrug der Abschlag nur 0,87 Euro. Wenn entweder ein Bad oder eine Sammelheizung fehlt, können je nach Baujahr zwischen 0,43 und 1,45 Euro abgezogen werden. Für die wenigen Wohnungen ohne Innentoilette ist der Mietspiegel nicht anzuwenden.
Bei der Datenerhebung wurden erstmals auch möblierte Wohnungen ins Auge gefasst. Seit einigen Jahren bieten Vermieter zunehmend Wohnungen möbliert oder teilmöbliert an, um die Mietpreisbremse zu umgehen und höhere Mieten zu erzielen. Die Mietpreisbremse gilt zwar auch für möbliert vermietete Wohnungen, es ist jedoch ein Möblierungszuschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete zulässig, der sich am Wert der gestellten Einrichtung bemisst. Dieser ist jedoch im Einzelfall schwer zu bestimmen. Sich in einer möblierten Wohnung gegen eine zu hohe Miete zu wehren, ist deshalb kaum möglich. Leider kann der neue Mietspiegel das Problem auch nicht lösen: In der Stichprobe fanden sich nicht genug möblierte Wohnungen, um belastbare Aussagen zu treffen.
Auf breiter Datengrundlage
Das Forschungsinstitut F+B hat zum Stichtag 1. September 2018 die Daten von 11 391 Wohnungen ausgewertet, bei denen in den letzten vier Jahren die Mieten erhöht oder in einem neuen Mietvertrag festgelegt worden sind. Das ist erneut eine sehr breite Datenbasis. Für fast alle Felder der Mietspiegeltabelle konnten ausreichend Werte erhoben werden, um verlässliche Ergebnisse zu bekommen. Nur sieben der 96 Felder mussten leer bleiben. Elf Felder sind mit * und ** gekennzeichnet, weil sie aufgrund weniger Daten nur eine eingeschränkte Aussagekraft haben.
Da der Berliner Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Prinzipien auf Grundlage einer repräsentativen statistischen Erhebung erstellt wurde, ist er ein „qualifizierter Mietspiegel“. Das heißt, er ist das Maß aller Dinge bei Streitigkeiten um Mieterhöhungen und gibt sowohl Mietern als auch Vermietern Rechtssicherheit bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Mietspiegel 2019 wird auch von allen drei beteiligten Vermieterverbänden mitgetragen.
Gleichwohl ist es wichtig, dass die Mietspiegel in Deutschland eine feste rechtliche Grundlage bekommen und somit unangreifbar werden. Die Bundesregierung kündigt dies seit Jahren an. Mittlerweile arbeiten das Justiz- und das Innenministerium tatsächlich an einer entsprechenden Rechtsverordnung. Der Deutsche Mieterbund (DMB) fordert eine solche Klarstellung seit Langem. Er plädiert dafür, dass bei den Mietspiegel-Datenerhebungen nicht mehr nur die Mieten der letzten vier Jahre betrachtet werden, sondern alle Mieten der letzten zehn Jahre. Zur Extremwertbereinigung sollten – wie beim Berliner Mietspiegel – mindestens das oberste und unterste Achtel der Werte außer Betracht bleiben.
Gefordert: Mietspiegel für alle Gemeinden
Die Mietspiegelwerte sollten außerdem für die gesamte Laufzeit gelten: Stichtagszuschläge, wie sie einige Vermieter fordern, weil angeblich das Mietniveau seit der Mietspiegel-Datenerhebung weiter gestiegen sei, müssten also ausgeschlossen werden. Zudem fordert der DMB, dass alle Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern zur Aufstellung eines Mietspiegels verpflichtet werden und dass Mietspiegel jedem kostenlos und barrierefrei zugänglich sein müssen.
Möglicherweise erledigt sich das Thema in Berlin aber auch auf andere Weise. Wenn der Senat tatsächlich den heiß diskutierten Mietendeckel für den gesamten Wohnungsbestand einführt, wären die Mieten in bestehenden und neuen Mietverträgen ab einem festzulegenden Stichtag für mindestens fünf Jahre eingefroren. Die ortsübliche Vergleichsmiete verlöre dann ihre Bedeutung, der Mietspiegel wäre überflüssig.
Jens Sethmann
So nutzen Sie den Mietspiegel
Der Mietspiegel gilt für die knapp 1,4 Millionen preisfreien Wohnungen in Berlin, also nicht im Sozialen Wohnungsbau und in anderen mietpreisgebundenen Wohnungen, aber auch nicht für Mietwohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern und ebenfalls nicht für Wohnungen ohne Innentoilette.
Der Mietspiegel gibt die ortsübliche Vergleichsmiete wieder, bis zu der die Miete in einem laufenden Mietverhältnis maximal erhöht werden kann. Die Durchschnittswerte des Berliner Mietspiegels sind der Ausgangspunkt für die Ermittlung der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete für die einzelne Wohnung, die man selbst oder mit Hilfe des Mietervereins ausrechnen muss.
Zunächst sucht man in der Mietspiegeltabelle das für die Wohnung zutreffende Mietspiegelfeld. Dazu muss man das Jahr, in dem die Wohnung erstmals bezugsfertig war, die Quadratmeterzahl und die Wohnlage wissen. Ob sich das Gebäude in einer einfachen, mittleren oder guten Wohnlage befindet, kann man dem Straßenverzeichnis des Mietspiegels entnehmen. Die Wohnlagenkarte des Mietspiegels gibt nur einen groben Überblick. In den Mietspiegelfeldern sind ein Mittelwert sowie ein Unter- und Oberwert angegeben. Wie weit die ortsübliche Vergleichsmiete vom Mittelwert in Richtung Unter- oder Oberwert abweicht, hängt von der Ausstattung der Wohnung ab. Hier kommt die „Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung“ zum Einsatz: In einer Checkliste werden wohnwerterhöhende und -mindernde Merkmale in den fünf Kategorien Bad/WC, Küche, Wohnung, Gebäude und Wohnumfeld gegeneinander abgewogen. Das Ergebnis ist die präzise ortsübliche Vergleichsmiete für die konkrete Wohnung.
Ein wirksames Mieterhöhungsverlangen unterliegt jedoch noch anderen Bedingungen. So muss das Mieterhöhungsschreiben korrekt begründet sein, die letzte Mieterhöhung muss mehr als ein Jahr zurückliegen, und die Miete darf innerhalb von drei Jahren höchstens um 15 Prozent erhöht werden. Verlangt der Vermieter mehr als erlaubt, kann der Mieter der Mieterhöhung nur bis zur zulässigen Höhe zustimmen oder sogar das Erhöhungsverlangen ganz zurückweisen. Die Rechtsberater des Mietervereins wissen, was in solchen Fällen zu tun ist.
Bedeutung hat der Mietspiegel nicht nur bei Mieterhöhungen, sondern auch beim Abschluss eines neuen Mietvertrages. Wenn eine verlangte Miete mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, ist das ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse, sofern keine der zahlreichen Ausnahmen vorliegt. Wenn die Miete überhöht ist, kann man nach Vertragsunterzeichnung den Verstoß rügen und bestenfalls die Miete auf das zulässige Maß senken.
js
Auf der Internetseite der Senatsverwaltung gibt es ein Online-Rechenprogramm zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete:
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/
Der Berliner Mietspiegel 2019 ist als Broschüre in der Geschäftsstelle und in den Beratungszentren des Berliner Mietervereins kostenlos erhältlich. Weitere Informationen zum Mietspiegel mit Straßenverzeichnis zur Wohnlageneinordnung finden sich im Internet unter
www.berliner-mieterverein.de/mietrecht/berliner-mietspiegel-mietcheck.htm
Hinweise zur Rechtsprechung in Sachen Spanneneinordnung des Mietspiegels finden Sie ab Seite 27 in dieser Ausgabe des MieterMagazins.
Zusammen mit dem Mietspiegel wurde die Berliner Betriebskostenübersicht 2019 veröffentlicht. Wir stellen sie in der nächsten Ausgabe des MieterMagazins vor.
06.07.2019