ACHTUNG:
Das Bundesverfassungsgericht hat am 15.4.2021 den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt – mit rechtlichen Folgen für Mieterinnen und Mieter.Was Mieterinnen und Mieter jetzt wissen müssen
24 Fragen und Antworten zur mietrechtlichen Rückabwicklung des Mietendeckels
24 Fragen und Antworten zur mietrechtlichen Rückabwicklung des Mietendeckels
Die hier folgenden Hinweise zur Nutzung des Mietendeckels sind damit überwiegend hinfällig.
Pressemitteilung Nr. 20/20
„Der Mietendeckel bringt eine spürbare Entlastung für alle Mieter in Berlin“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. „Zum Mietendeckel gab es schlicht keine Alternative, denn die Schutzmaßnahmen der Bundesregierung bleiben weitgehend wirkungslos. Mieterhöhungen sind nur vereinzelt seit 18. Juni 2019, dem vom Berliner Senat festgelegten Stichtag für den vorübergehenden Mietenstopp, umgesetzt worden, auch nicht mittels Modernisierung.“ Die Mieterhöhungen vom Sommer 2019 wurden – oft zähneknirschend und unter Androhungen von Kündigungen – von der überwiegenden Zahl der Vermieter zurückgenommen. Der überwiegende Teil der Rechtsprechung vor den Amtsgerichten hat in dieser Frage den Mietendeckel bestätigt. Nach den anfänglich massiven Störfeuern von Vermieterseite und den Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus ist es damit zunächst zu einer Beruhigung für Mieterinnen und Mieter gekommen. Nach Schätzung des Mietervereins halten sich Vermieter zu 95 % an das gesetzliche Verbot bzw. halten sich mit Modernisierungen zurück. Das hat zu einer Entlastung für Mieter geführt, die im Hinblick auf die sozialen Folgen der Corona-Pandemie von sehr hohem Wert ist.
Gleichwohl bleibt natürlich eine generelle Unsicherheit wegen der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch Eigentümer und zahlreiche Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und FDP bestehen. Allerdings ist die verfassungsrechtliche Prüfung nichts Neues. „Im Grunde jeder spürbare Eingriff in die Rendite der Eigentümer wurde in den letzten Jahren angegriffen, bislang durchweg erfolglos“, so Wild.
Wiedervermietung:
Während bei den Mieterhöhungen die Wirkung des Mietendeckels schon zufriedenstellend ist, stehen Wohnungsuchende, die einen Mietvertrag abschließen wollen, oft vor schwierigen Entscheidungen. Denn geschätzt 80 % aller Vermieter verlangen bei neuen Verträgen zwei Mieten, eine mietendeckelkonforme Miete und eine hohe Miete, die zu zahlen sei, falls der Deckel verfassungswidrig ist oder das Gesetz ausläuft. Da für die hohe Miete zumeist auch keine Mietpreisbremse angenommen wird, liegen oft große Differenzen von bis zu 100 % zwischen den beiden Mietforderungen. Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen können dann – selbst wenn sie ausgewählt würden – wegen der Risiken nicht anmieten. Der Mieterverein hält die nicht deckelkonforme Miete – auch Schattenmiete genannt – für nicht zulässig, weil damit dem/der Mieter/Mieterin eine nach AGB-Recht unzumutbare Vertragsklausel aufgezwungen wird und mit der Schattenmiete dem Sinn und Zweck des Deckels nicht entsprochen wird. Maßgebliche Landgerichtsurteile liegen dazu aber noch nicht vor.
Mietabsenkung:
Im November 2020 muss der nächste Schritt des Mietendeckels, die Absenkung überhöhter Mieten, erfolgen. Der Mieterverein geht davon aus, dass hier deutlich weniger Vermieter von sich aus die gesetzlichen Regelungen erfüllen werden. Daher ist es wichtig, dass Mieter auch selbst prüfen, ob ein Senkungsanspruch besteht.
Umgehungsversuche:
Mietrechtliche Eingriffe in das Eigentum, auch wenn sie begründbar und zumutbar sind, rufen zumeist Umgehungsversuche der privaten Wohnungswirtschaft hervor. Viele aber sind nicht erfolgreich. Möblierte Wohnungen zum Beispiel unterliegen auch dem Deckel. Auch zum Schein teilgewerbliche abgeschlossene Verträge oder Nutzungsverträge lassen keine Umgehung des Deckels zu.
Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt
Die von zahlreichen Immobilienökonomen vorausgesagte Umwandlungswelle dürfte sich nach Meinung des Mietervereins in Grenzen halten, denn vermietete Eigentumswohnungen unterliegen ebenfalls dem Deckel. Selbstnutzer, die mehr als 4.000 Euro pro Quadratmeter für eine Eigentumswohnung zahlen, sind aber rar. Hinzukommt, dass in Milieuschutzgebieten die Umwandlung nur mit Ausnahme genehmigungsfähig ist und die Bundesregierung derzeit für Gebiete mit erhöhtem Wohnbedarf – wie Berlin – grundsätzlich einen Genehmigungsvorbehalt für die Gemeinde beschließen will. Daher ist der Bewertung der Immobilienportale über das Wohnungsmarktgeschehen mit Vorsicht zu begegnen. Danach sei die Anzahl der Kaufangebote massiv gestiegen. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass eine wachsende Zahl von Angeboten nicht zwingend einen Anstieg der Kaufabschlüsse zur Folge hat. In 2019 zumindest – bei gut 6 Monaten Mietendeckel – ist die Zahl der Kauffälle von Eigentumswohnungen laut Gutachterausschuss um 5 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. „Der Selbstnutzung von Wohneigentum sind klare Grenzen gesetzt, zum einen wegen der sonstigen Schutzinstrumente wie Milieuschutz und Kündigungssperrfrist, zum anderen wegen der aufgrund der hohen Kaufpreise beschränkten Nachfrage“, erklärte Wild. Aktuell werden rund 70 % aller Eigentumswohnungen nach Schätzungen des Mietervereins vermietet. Für sie gilt der Deckel selbstverständlich.
„Mit dem Mietendeckel entsteht keine einzige neue Wohnung“, lautet der zentrale Vorwurf vieler Deckelgegner. So wahr der Satz ist, so ist die Aussage dennoch kein ernstzunehmender Kritikpunkt, zumal Neubaumieten vom Deckel ausgenommen sind. Mietrechtliche Schutzinstrumente bauen generell keine Wohnungen, sind aber dennoch erforderlich. „Soziale Marktwirtschaft heißt eben auch Gemeinwohlverpflichtung. Deshalb sind Mietenregulierungen sinnvoll und notwendig“, so Wild.
29.10.2023