Pressemitteilung Nr. 27/22
„Die heutige Ausrufung der Gas-Alarmstufe durch den Bundeswirtschaftsminister versetzt uns in tiefe Unruhe für den bevorstehenden Herbst und Winter, weil wir mit erheblichen Einschränkungen bei der Gaslieferung und dramatischen Preissteigerungen rechnen müssen, die die Miete in die Höhe schnellen lässt“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. „Wir sind auch in großer Sorge um die vielen Menschen, die bei gegebenenfalls sinkenden Raumtemperaturen sich aus gesundheitlichen oder anderen Gründen überwiegend in ihren Wohnräumen aufhalten müssen. Die Bundesregierung hat bislang keinen Vorschlag, wie die Lasten technisch und rechtlich fair verteilt werden. Es darf nicht sein, dass selbstnutzende Eigentümer ihre Wohnung warm bekommen, während Mieterinnen und Mieter in ihren Wohnungen frieren werden.“
Der Berliner Mieterverein rechnet alsbald mit der Aktivierung der Preisanpassungsklauseln. Dann können auch in bestehenden Lieferverträgen Preiserhöhungen auf eine „angemessenes Niveau“ erfolgen. Damit werden die Versorgungsunternehmen vor einer Insolvenz gerettet, aber die Endverbraucher belastet. „Wir warnen daher neben der verringerten Gasmenge auch vor dramatisch steigenden Heiz- und Warmwasserkosten“, so Wild. Dafür braucht es Lösungen. Laut Mikrozensus werden in Berlin rund 37 % der Wohnungen mit Gas beheizt, 43 % mit Fernwärme und knapp 16 % mit Öl (Stand 2018). Besonders betroffen sind die mehr als 650.000 gasbeheizten Wohnungen. Auch wenn die Vermieter natürlich keinen Einfluss auf die generelle Gaslieferung haben, so tragen doch auch sie durch ineffiziente und mängelbehaftete Heizanlagen und vielfach sehr schlechte energetische Zustände zu hohen Verbräuchen der Mietenden bei.“ Deshalb verlangen wir von der Bundesregierung eine sofortige Gesetzesänderung, durch die Vermieter mit Gebäuden in den Energieeffizienzklassen E, F, G und H zur anteiligen Kostenübernahme verpflichtet werden“, fordert Wild. „Zudem braucht es dringend einen verbesserten Kündigungsschutz bei Zahlungsunfähigkeiten für Heiz- und Warmwasserkosten“. Doch all diese Maßnahmen können nichts daran ändern, dass auch Mieterinnen und Mieter noch mehr Energie einsparen müssen. Daher ruft der BMV schon heute dazu auf, beim Warmwasser zu beginnen. „Duschen Sie kürzer, nutzen Sie beim Händewaschen vorrangig Kaltwasser.“
Gleichzeitig brauchen wir EU-weite Energiepreisbeschränkungen. Energielieferung ist Daseinsvorsorge. Sie hat an Börsen nichts zu suchen. „Macht bei der Daseinsvorsorge endlich Schluss mit der Gottheit der Steuerung durch Preise“, fordert Wild von der Bundesregierung, „und handelt glaubwürdiger, indem auch auf deutschen Straßen der motorisierte Individualverkehr beschränkt wird. Die Debatte um Kohle und Atomenergie lenkt von den tatsächlichen Problemen ab. Denn nur 19 % des Gases geht gerade in die Kraftwerke zur Stromerzeugung, die mit Kohle und Atomenergie theoretisch substituiert werden können.
27.06.2022