Pressemitteilung Nr. 10/04
Heute hat Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mieterverein e.V. und Präsidiumsmitglied des Deutschen Mieterbundes, in einer feierlichen Zeremonie vor dem Gebäude des Bundesjustizministeriums in Berlin die Mietrechtsreform 2001 zu Grabe getragen. Sie erlitt einen qualvollen Tod im Getriebe der Gesetzesmaschinerie. Unter großem Wehklagen der Mieter und Mieterinnen der Bundesrepublik Deutschland wurde sie eingeäschert. In einer Todesanzeige wurde die trauernde Öffentlichkeit vom Dahinscheiden informiert.
Zum 1. September 2001 wurde die Mietrechtsreform 2001 hoffnungsfroh in die Welt gesetzt. Der Gesetzgeber und die Bundesregierung versprachen u.a. mehr Flexibilität für die Mieter durch verkürzte Kündigungsfristen. Für Mietverträge, die vor dem 1.9.2001 abgeschlossen wurden, sollte die neue, für den Mieter verkürzte Kündigungsfrist von drei Monaten grundsätzlich auch gelten. Nur wenn andere Fristen vereinbart waren, so sollten diese weiterhin bindend für beide Seiten sein. Aber nur echte individuelle Vereinbarungen über die Kündigungsfristen sollten darunter fallen. Formularmäßige Regelungen, über die nicht individuell verhandelt worden war, sollten davon ausgenommen sein. Die von der Bundesregierung gewählte und vom Bundestag beschlossene Gesetzesformulierung war jedoch unklar und besagte etwas anderes als das Gewollte. Diesbezügliche Warnungen ignorierte die Bundesregierung jedoch.
Bis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2003 (VIII ZR 240/02) bestand erhebliche Rechtsunsicherheit, die sich zu Lasten der Mieter auswirkte. Es konnte kein verlässlicher Rat gegeben werden, welche Fristen nun gelten würden. Die Entscheidung vom Juni 2003 beseitigte diese Rechtsunsicherheit zwar, aber gegen den Gesetzgeber. Der Bundesgerichtshof bescheinigte diesem eine unpräzise Arbeit. Der Gesetzeswortlaut umfasse alle Vereinbarungen, auch solche, über die nicht ausdrücklich verhandelt worden ist. Damit sind auch alle Klauseln, die den alten Gesetzwortlaut nur wiedergeben oder in Fußnoten zitieren, bindend. Davon sind fast alle Mietvertragsformulare betroffen. Für die Mehrheit der Mieter bleibt es damit bei den langen Kündigungsfristen, meistens bei einer Kündigungsfrist von einem Jahr. Dies bedeutet oft doppelte Mietzahlung für mehrere Monate, wenn der Mieter umzieht.
Die damalige Bundesjustizministerin hatte zugesagt, sobald eine negative BGH-Entscheidung vorliege, unverzüglich das Gesetz zu korrigieren. Dieses Versprechen wird nicht umgesetzt. Es gibt zwar einen Referentenentwurf, der aber in der Gesetzesmaschinerie versandet. Ablehnende Stellungnahmen der Länder werden zum Vorwand genommen, das Gesetzesvorhaben nicht weiter zu verfolgen, obwohl es im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist.
Die Mietrechtsreform, deren wichtigstes Element die Verkürzung der Kündigungsfristen für die Mieter war, ist damit gestorben. Die Enttäuschung ist groß und ein weiterer Mosaikstein für Politikverdrossenheit wird damit gesetzt.
In Deutschland sind pro Jahr ca. 2,5 Mio. Haushalte, die umziehen, davon betroffen, (11 % Fluktuation bei 38 Mio Haushalten = 4,18 Mio; davon ca. 2/3 Altverträge = 2,78 Mio; davon 90 % mit formularmäßiger Kündigungsfristvereinbarung).
Todesanzeige [PDF]
Tagesspiegel 30.5.04 [PDF]
Morgenpost 30.5.04 [PDF]
Fotos der Zeremonie
Copyright:
Kerstin Zillmer (4),
Thomas Koch (2)
09.05.2017