Pressemitteilung Nr. 22/04
Der Berliner Mieterverein e.V. hält die vom Berliner Senat jüngst verabschiedete Verordnung über den verlängerten Kündigungsschutz bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen für unzureichend. Eine Beschränkung auf vier Bezirke (Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Tempelhof-Schöneberg) und Begrenzung auf sieben statt der möglichen zehn Jahre werde den wohnungspolitischen Notwendigkeiten nicht gerecht. In den acht übrigen Berliner Bezirken beträgt die Kündigungssperrfrist zukünftig nur noch drei Jahre. Damit wird sich die Spekulation mit Wohnraum und Verdrängung von Mietern aus ihren Wohnungen wieder verstärken, warnte der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mieterverein e.V. Hartmann Vetter. Auch ein angeblich entspannter Wohnungsmarkt ändere nichts am Umwandlungsdruck auf attraktive Wohnungen. Deswegen, so Vetter, ist die Sperrfrist für die gesamte Stadt festzulegen oder doch zumindest auf die Bezirke Mitte, Neukölln, Reinickendorf, Spandau und Steglitz-Zehlendorf zu erweitern.
Bezirksauswahl:
Die Beschränkung auf die vier Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Tempelhof-Schöneberg hält der Berliner Mieterverein e.V. für wohnungspolitisch unzureichend und rechtlich problematisch.
1. Es besteht stadtweit ein erhebliches Umwandlungspotenzial und somit für Mieter ein erhebliches Verdrängungsrisiko, da auf Vorrat Abgeschlossenheitsbescheinigungen beantragt wurden. Bei rund 330.000 Wohnungen ist in Berlin die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen durch die Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung eingeleitet worden. Bei etwa 200.000 Wohnungen ist die Umwandlung durch Grundbuchumschreibung bereits vollzogen.
2. Die Kriterien Umwandlungspotenzial und Umwandlungsgeschehen seit 1998 sind wegen des Verordnungszweckes höher zu bewerten als die anderen Wohnungsmarktkriterien (Mietwohnungsversorgungsquote 2002, Prognose der Mietwohnungsversorgung 2010, Leerstandsquote, Bruttokaltmiete und Mietbelastungsquote). Dann wären auch andere Bezirke wie Mitte, Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf in die Sperrfrist-Verordnung einzubeziehen. In Mitte war im Jahre 2000 bereits für mehr als jede fünfte Wohnung eine Umwandlung eingeleitet worden (Ortsteile: Mitte 21,5%, Tiergarten 23,1%, Wedding, 14,9%). Ebenso verhält es sich mit Steglitz-Zehlendorf (Ortsteile Steg-litz 22,3%, Zehlendorf 17,9%, Umwandlungsschwerpunkt 1999) und Reinickendorf (Umwandlungsschwerpunkt 1998). Das Umwandlungspotenzial weist für Mitte den zweithöchsten Berliner Wert aus. Allein in den Jahren 1999/2000 wurden in diesem Bezirk 4.060 Umwandlungen eingeleitet, aber im gleichen Zeitraum durch Grundbucheintragung nur 1.973 vollzogen. In Steglitz-Zehlendorf wurden 4.650 eingeleitet und 3.236 vollzogen. (Alle Angaben: Erhebung durch Senatsverwaltung für Stadtentwicklung)
3. Die Bewertung der Wohnungsmarktkriterien und die Indikatorenfestlegung des Senats sind nicht hinreichend plausibel, zum Beispiel bei der Einschätzung der Mietwohnungsversorgungsquote im Jahr 2010. So ist die Prognose für den Bezirk Steglitz-Zehlendorf (Extrem hohe Versorgungsquote: 108,4%) zweifelhaft, da dies der Bezirk mit der derzeit niedrigsten Leerstandsquote ist.
4. Eine Beschränkung der Verordnung auf lediglich vier Bezirke ist auch rechtlich nicht geboten. Berlin ist das einzige Bundesland, in dem eine Kündigungssperrfristverordnung für Teile der Gemeinde festgelegt ist. Hamburg oder Nordrhein-Westfalen haben z.B. die gesamte Gemeinde festgelegt, auch wenn nur in Teilen die Wohnungsversorgung gefährdet ist.
Dauer der Sperrfrist:
Die Beschränkung der Frist auf sieben Jahre statt möglicher zehn Jahre hält der Berliner Mieterverein e.V. für nicht vertretbar. Die Sperrfrist endet damit in den Umwandlungsobjekten aus der Zeit des Umwandlungsbooms von Mitte bis Ende der 90er Jahre am 31.8.04. Ab 1.9.2004 sind nun in zahlreichen Objekten, die von 1994 bis 1997 umgewandelt und veräußert wurden, Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung zulässig.
Mietertipps:
- Die Kündigungssperrfrist beginnt zu laufen, wenn nach der Umwandlung in eine Eigentumswohnung die Wohnung verkauft wird und der erste Erwerber als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen ist. Veräußerungen an weitere Erwerber lösen die Sperrfrist nicht noch einmal aus, vielmehr ist die gegen den Ersterwerber verstrichene Frist zu Gunsten des folgenden Erwerbers anzurechnen.
- Die Sperrfrist schützt nur Mieter, die die Wohnung schon vor der Umwandlung und dem Verkauf angemietet haben. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die tatsächliche Überlassung der Wohnung und nicht der Tag des Vertragsabschlusses. Ein Mieter, der in eine umgewandelte Wohnung einzieht, kommt nicht in den Genuss der Sperrfrist.
- Eine während der Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
- Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist bei umgewandelten Sozialwohnungen ausgeschlossen, solange die Wohnung Belegungs- oder Mietbindungen unterliegt. Hat der Vermieter die öffentlichen Fördermittel bis zum 31.12.01 vorzeitig zurückgezahlt, darf er bis zu Ablauf des zehnten Jahres nach dem Jahr der Rückzahlung, längstens aber bis zum Ablauf des Jahres der planmäßigen Rückzahlung, sich nicht auf Eigenbedarf berufen.
- Bei Kündigungen wegen Eigenbedarfs und Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung sollte auf jeden Fall eine Mietrechtsberatung beim Berliner Mieterverein e.V. aufgesucht und nicht ohne Prüfung die Wohnung aufgegeben werden.
Rechtslage:
Durch das Mietrechtreformgesetz aus dem Jahre 2001 wurde die Kündigungssperrfrist bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen auf generell drei Jahre festgelegt, allerdings sind die Bundesländer ermächtigt, eine längere Sperrfrist von bis zu 10 Jahren zu verordnen, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde besonders gefährdet ist, § 577 a BGB. Bislang gilt eine Übergangsregelung, die jedoch zum 31.8.04 ausläuft. Der Berliner Senat hat nun für Teile der Stadt Berlin eine Sperrfrist-Verordnung verabschiedet, die zum 1.9.2004 in den o.a. Bezirken in Kraft tritt.
02.01.2014