Pressemitteilung Nr. 18/05
Auf einer Pressekonferenz des Mietervereins Dresden, der sich gegen den Verkauf der Woba-Dresden ausspricht und dagegen ein Bürgerbegehren in Dresden organisiert, berichtete der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mieterverein e.V. (BMV) von den Erfahrungen in Berlin:
Als wohnungspolitisches Harakiri bezeichnete der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mieterverein e.V. (BMV) und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Mieterbundes (DMB) Hartmann Vetter den geplanten Verkauf der Woba-Dresden. Die bisherigen Erfahrungen, die in Berlin mit dem Verkauf an private Investoren gemacht worden sind, sollten die Stadt veranlassen, die Verkaufpläne zu überprüfen und den Verkauf aufzugeben. Die Stadt werde mittel- und langfristig höhere Kosten und soziale Folgeschäden haben als durch eine kurzfristige Einnahme für den Haushalt erzielt werde. Wenn jede direkte öffentliche Einflussnahme auf die Wohnungsversorgung gerade armer Haushalte nach einem Verkauf entfallen sei, würden die Folgekosten ein Mehrfaches der Einnahmen ausmachen. Verkäufe von Wohnungsunternehmen oder Wohnanlagen erfolgten bisher teilweise zu Preisen, die eine Verschleuderung öffentlichen Eigentums darstellen und die Staatsanwaltschaften veranlassen sollte, den Straftatbestand der Untreue zu prüfen.
Der Verkauf von kommunalen Wohnungsunternehmen werde vielfach mit schlechtem Management und schlechten betriebswirtschaftlichen Ergebnissen begründet. Private Investoren würden es besser können, was auch den Mietern zugute käme. Auch dies, so Vetter, sei nicht zutreffend. So seien in Berlin verschiedene noch im Eigentum des Landes Berlin stehende Unternehmen in der Lage gewesen, dem Eigentümer eine Dividende zu zahlen und gleichzeitig die Bestände ordnungsgemäß zu bewirtschaften.
Die bisherigen Erfahrungen stellen nur erste Eindrücke dar, da die Investoren sich angesichts der weiteren geplanten Ankäufe (es stehen bundesweit noch ca. eine Million öffentlicher Wohnungen zum Verkauf) zurückhalten und sich noch nach außen als „Mieterfreunde“ gerieren. Die wahren Absichten werden erst offenbart, wenn der Wohnungsmarkt abgegrast ist. Aber was bisher an den Tag gelegt wurde, reicht, um die Gefahren und Risiken für den Wohnungsmarkt und die Wohnungsversorgung in den Gemeinden und Städten beurteilen und voraussagen zu können.
Die Investitionen sind auf schnelle und hohe Renditerealisierung ausgerichtet. Diese erzielen sie durch folgende Strategie:
1. Entlassung von Mitarbeitern zu Lasten der Mieterbetreuung
2. Unterlassung bzw. Rückstellung notwendiger Instandhaltungen
3. Ausschlachten der Unternehmen durch Weiterverkauf werthaltiger Teilbestände
4. maximale Mieterhöhungen
5. teure und z.T. unökonomische und unsinnige Modernisierungen
6. Unterdrucksetzung von Mietern, die nicht ihre Wohnung nicht kaufen bzw. einer Modernisierung nicht zustimmen wollen.
7. Reduzierung von Sozialverträgen mit der Kommune
8. Keine Einbindung in die Ziele der Stadtentwicklung (Förderprogramme Soziale Stadt, Stadtumbau, etc.)
Auswahl von Beispielen und Belegen:
a) Privatisierung von Wohnanlagen aus öffentlichem Eigentum
1. Modernisierung der an die Vivacon AG verkauften 1500 GSW-Wohnungen in Schöneberg
Allein durch den Anbau von Balkonen soll in dem Wohngebiet die Miete um rund 50 Euro monatlich pro Wohnung angehoben werden. Hinzu kommen Modernisierungszuschläge für doppelverglaste Fenster. Für eine Einzimmer-Wohnung, die bislang 180 Euro kostete, steigt die Miete dadurch auf 240 Euro. Also um ein Drittel.
Die Vivacon AG hat einen geschlossenen Privatisierungsfonds für 637 Wohnungen am Grazer Damm aufgelegt, bei dem Anleger ihr Erspartes investiert haben. Bei einer Untersuchung der Zeitschrift Finanztest fiel der Fonds jedoch durch. Rat der Tester: „Nicht investieren!“. Die Gewinne seien unsicher und würden „durch hohe Provisionen und Gebühren größtenteils aufgefressen“. Anleger riskierten viel, warnen die Experten, im Extremfall sogar den vollständigen Verlust des eingesetzten Kapitals, wie es im Fondsprospekt heißt.
2. Modernisierung und Einzelverkäufe nach Verkauf einer Bundesliegenschaft an Apellas
Die Mieter der so genannten Hüttenwegsiedlung sollen den Anbau von Aufzügen dulden und sollen hierfür eine Mieterhöhung von bis zu 200 Euro monatlich zahlen. An dieser Modernisierungsmaßnahme zeigt sich deutlich, welche negativen Konsequenzen für die Mieter eine Privatisierung hat. Die Bundeswohnungen sind an einen privaten Investor verkauft worden, der mit unseriösen Methoden die Mieter unter Druck zu setzen versucht. Im Kaufvertrag ist eine solche Maßnahme nur zur Herstellung von barrierefreiem Wohnen zulässig.
438 Wohnungen in der Argentischen Allee in Zehlendorf, die bereits Gasetagenheizungen haben, sollen u.a. durch Fernwärme versorgt werden. Bei der geplanten Modernisierungsmaßnahme handelt es sich um ein umfangreiche Vorhaben (Bad, Fernwärme, Warmwasser, Gegensprechanlage, Elektrische Steigeleitung), die zu einer Mieterhöhung von 1,53 Euro/qm monatlich führen soll. Dies stellt eine modernisierungsbedingte Mieterhöhung von 32 Prozent dar. Hinzu kommen noch die höheren Kosten für Heizung und Warmwasser, die im Gegensatz zur Gasetagenheizung bei der Fernwärme nur zum Teil zu beeinflussen sind. Die Mieter lehnen dieses Vorhaben daher ab.
An dieser Modernisierungsmaßnahme zeigt sich deutlich, welche negativen Konsequenzen für die Mieter eine Privatisierung hat. Das einst kommunale Berliner Wohnungsunternehmen GEHAG, das als erstes vom Senat verkauft wurde, war in den letzten Jahren mehrfach weiterveräußert worden. Jüngst hat die HSH Nordbank die Mehrheit an das Investmenthaus Oaktree Capital Management verkauft.
b) Privatisierung von Unternehmen und Unternehmensanteilen
Im Jahre 2004 wurde eines der größten städtischen Wohnungsunternehmen, die traditionsreiche GSW (65.000 Wohnungen), an ein Konsortium von Whitehall-Fonds der Goldman-Sachs Investment-Bank und der Investmentgesellschaft Cerberus zum Preis von 405 Mio. Euro verkauft. Die Folgen sind: Reger Handel mit Wohnanlagen (Verkauf von 9.500 Wohneinheiten bis Ende 2005, Zukauf von 8.600 Wohneinheiten), Reduzierung von Instandhaltungsinvestitionen auf ein Drittel der Summe vor Verkauf, teure Modernisierung einzelner Anlagen (Grüne Stadt: bis zu 2,60 Euro pro Qudratmeter monatlich) mehr.
Das operative Ergebnis der GSW wird in 2005 bei 13,9 Mio. Euro liegen, rund 50 Prozent über dem Vorjahresergebnis.
09.07.2014