Pressemitteilung Nr. 08/06
„Die heute bekannt gewordenen Überlegungen des Finanzsenators, sämtliche städtischen Wohnungen zu verkaufen, sind wohnungs- und sozialpolitisch unverantwortlich und stellen finanzpolitisch eine Milchmädchenrechnung dar“, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mieterverein e.V. Hartmann Vetter. „Wir erwarten, dass in der Koalitionsvereinbarung diesen Plänen eine klare Absage erteilt wird.“
In einem Brief an die Parteivorsitzenden der SPD und Linkspartei.PDS hat der Berliner Mieterverein e.V. seine Forderungsschwerpunkte zu den Koalitionsverhandlungen formuliert.
1. Die Privatisierung städtischer Wohnungen und Wohnungsgesellschaften hat in Berlin eine neue Qualität erreicht. International agierende Anleger, darunter Private-Equity-Fonds und der geplante börsennotierte Handel mit sogenannten REITs ziehen durch ihre Großeinkäufe am Berliner Wohnungsmarkt große Wohnungsbestände aus dem Einflussbereich der Stadtpolitik. Der Berliner Mieterverein e.V. hat die kurzfristig erkennbaren Folgen der bisherigen Käufe in einem „Schwarzbuch Privatisierung“ dokumentiert. Es wird jedoch erst längerfristig in vollem Umfang erkennbar werden, zu welchem Macht- und Gestaltungsverlust die Verkäufe für die Berliner Stadtentwicklungspolitik führen werden. Wir fordern deshalb die Einstellung weiterer Verkäufe von städtischen Wohnungsunternehmen und Wohnungen. Sie gefährden die ordentliche Bewirtschaftung der Wohnungen, führen zum Ausschöpfen des maximalen Mieterhöhungsspielraums und zu Modernisierungsmaßnahmen, die gegen die Interessen der Mieter verstoßen. Sie haben zur Folge, dass Mieter als potenzielle Käufer unter Druck gesetzt werden. Die Umsetzung stadtentwicklungspolitisch wichtiger Maßnahmen und Programme wie Soziale Stadt und Stadtumbau wird gefährdet; die Verkäufe sind gleichbedeutend mit einer Selbstentmachtung der Politik.
2. Der Berliner Mieterverein e.V. erwartet ein verbindliches Gesamtkonzept zu der Zukunft der Städtischen Wohnungsgesellschaften. Dieses Konzept muss neben Maßnahmen zur Erhaltung und Konsolidierung dieser Unternehmen auch benennen, wie viele Wohnungen langfristig im Bestand der Städtischen Wohnungsunternehmen bleiben werden. Eine solche verbindliche Festlegung ist von Senatsseite bislang verweigert worden. Wir halten den städtischen Wohnungsbestand in der derzeitigen Größenordnung für unverzichtbar. Er ist nach wie vor zur Versorgung einkommensschwächerer Schichten notwendig und hilft Menschen, die sich am freien Markt nicht selbst versorgen können. Vor allem aber sind die städtischen Wohnungsunternehmen zur Umsetzung sozialer, wohnungs- und stadtentwicklungspolitischer Ziele unumgänglich.
3. Für die bereits verkauften Bestände und künftige Verkäufe, die hoffentlich verhindert werden können, sind wirksame vertragliche Vereinbarungen zum Schutz der Mieter zu verankern. Ausnahmebestände für Notverkäufe darf es nicht geben. Die vorhandenen Privatisierungsgrundsätze, die nur noch willkürlich bzw. gar nicht mehr angewandt werden, sind dringend zu überarbeiten und einzuhalten. Insbesondere müssen Kündigungen wegen Eigenbedarfs und wirtschaftlicher Verwertung auf Dauer und unabhängig vom Lebensalter ausgeschlossen werden. Es ist ein Vorkaufsrecht gemäß § 577 BGB für die Dauer von sechs Monaten zu verankern. Ein Bestandsschutz für vom Vermieter genehmigte Mietereinbauten ist abzusichern.
4. Zur Sicherung sozial gebundenen Wohnraums gehört auch, dass die Erhöhung von Sozialmieten aufgrund von Senatsentscheidungen gestoppt und auf ihre sozialen und stadträumlichen Auswirkungen hin überprüft wird. Ein Stufenkonzept muss für einen sozial verträglichen Ausstieg aus der Anschlussförderung sorgen. Der BMV fordert, dass in Berlin ein kommunales Wohnungsversorgungskonzept entwickelt wird, das neben den Folgen von Hartz IV auch den Umgang mit dem verbliebenen sozial gebundenen Wohnungsbestand regelt.
5. Für Berlin muss ein verbindlicher Betriebskostenspiegel erstellt werden. Wir bieten dem Senat an, gemeinsam mit ihm und den Eigentümerverbänden ein Maßnahmenpaket zu entwickeln, das zu einer wirksamen Kontrolle und Eindämmung der Betriebskostenentwicklung führt. Vorarbeiten dazu sind von Seiten der Eigentümer- und Mieterverbände bereits geleistet worden. Wir fordern den Berliner Senat außerdem auf, sich auf Bundesebene für die Einführung eine Teilinklusivmiete einzusetzen.
6. Der Mietspiegel muss als rechtssicheres Instrument der Markttransparenz gesichert werden. Dazu gehört nicht nur, dass die rechtliche Qualität als qualifizierter Mietspiegel erhalten bleibt. Ebenfalls notwendig ist, dass Änderungen in der Ausweisung von Mietspannen rückgängig gemacht werden, die ausschließlich auf die Verbandsinteressen der Eigentümerseite zurückgehen. Sie gefährden die Rechtssicherheit und Kontrollfunktion des Berliner Mietspiegels und sind rückgängig zu machen.
7. Die soziale Situation der Empfänger von Arbeitslosengeld II und die faktischen Folgen der AV Wohnen sind zurzeit wenig transparent. Faktisch wird die Situation derjenigen von ALG II, die zur Senkung der Mietkosten aufgefordert wurden, durch ein fehlendes Angebot an preiswerteren Ersatzwohnungen erschwert. Wir erwarten, dass der Senat seiner Berichtspflicht über die soziale Situation und die Wohnkosten der Betroffenen in Form eines Zwischenberichts nachkommt. Zwangsumzüge müssen verhindert werden.
02.01.2014