Pressemitteilung Nr. 7/10
Der Berliner Mieterverein (BMV) hat heute in einem Schreiben an alle Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses appelliert, dem Börsengang der GSW die Zustimmung zu verweigern. „Wir halten es für grundsätzlich falsch, die Bewirtschaftung von Wohnungen den Unwägbarkeiten und Risiken des Börsenhandels zu unterwerfen“, erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. „Wohnungen sind auch Sozialgut. Der Börsengang gefährdet diese Funktion.“ Mit den Zielen einer nachhaltigen Bewirtschaftung und langfristig sozialverträglichen Mieten sei der Börsengang nicht vereinbar. Die Erfahrungen mit der börsennotierten Gagfah bestätigten die Befürchtungen des Mietervereins.
Hier das Schreiben des Mietervereins an die Abgeordneten im Wortlaut:
Sehr geehrte Abgeordnete/sehr geehrter Abgeordneter,
am 30. März 2010 hat der Berliner Senat beschlossen, den Eigentümern der GSW eine Veräußerung von mehr als 50 Prozent der Geschäftsanteile an der Börse zu ermöglichen. Der kaufvertraglich vereinbarte Zustimmungsvorbehalt des Landes Berlin an diesem Börsengang wurde offenbar mit einer Zahlung der Eigentümer in Höhe von 30 Millionen Euro „abgekauft“, der von der Höhe her in etwa der Vertragsstrafe entspricht, die die GSW-Investoren bei einem Börsengang ohne Zustimmung des Landes Berlin zahlen müssten.
Der Berliner Mieterverein e.V. kritisiert, dass der Zustimmungsvorbehalt nicht zugunsten einer wohnungspolitischen Strategie genutzt wird, sondern ausschließlich zur Sanierung des Landeshaushaltes beitragen soll.
Wir bitten, vor Ihrer Entscheidung im Abgeordnetenhaus über die Zustimmung des Senats, folgenden Fragen nachzugehen und sich diese vom Berliner Senat beantworten zu lassen:
1. Warum hat der Berliner Senat Alternativen zum Börsengang nicht geprüft? Nach dem Berliner Mieterverein vorliegenden Erkenntnissen hat es zumindest einen Bewerber gegeben, der am Direkterwerb der GSW interessiert ist. Dieser Bewerber ist europaweit in der Wohnungswirtschaft engagiert und fühlt sich nach bisherigem Stand der Erkenntnisse einer sozialen Wohnraumversorgung verpflichtet.
2. Beabsichtigt der Berliner Senat, den städtischen Wohnungsunternehmen den Erwerb von Aktien an der GSW zu ermöglichen, um indirekt Einfluss der öffentlichen Hand ausüben zu können?
3. Warum hat Berliner Senat mit den GSW-Eigentümern die im Kaufvertrag mit den Investoren Cerberus und Whitehall vereinbarten Mieterschutzrechte nicht über das Jahr 2014 hinaus verlängert?
Der BMV hält es für grundsätzlich falsch, die Bewirtschaftung von Wohnungen den Unwägbarkeiten und Risiken des Börsenhandels zu unterwerfen. Wohnungen sind auch Sozialgut. Der Börsengang gefährdet diese Funktion. Mit den Zielen einer nachhaltigen Bewirtschaftung und langfristig sozialverträglichen Mieten ist der Börsengang nicht vereinbar. Die Erfahrungen mit der börsennotierten Gagfah bestätigen unsere Vermutungen. Trotz schlechten Kurses wird dort den Aktieninhabern eine Dividende von 12 Prozent ausgeschüttet, zu Lasten des Wohnungsunternehmens. Diese Befürchtungen konnten bislang auch bei der GSW nicht ausgeräumt werden. In der Mieterschaft wächst die Sorge um weiterhin erhebliche Mietsteigerungen. Diese Sorge ist berechtigt („Damit können wir unsere relativ hohen Wachstumsraten bei den Mieteinnahmen weiter halten“, so GSW-Geschäftsführer Thomas Zinnöcker in einem Interview in der „Welt“ am 13.4.10).
Der Berliner Mieterverein hat die Privatisierung der GSW abgelehnt. Wir müssen feststellen, dass das durch die Veräußerung ermöglichte Geschäftsmodell der neuen Investoren gescheitert ist. Entgegen der Versprechungen wollen Cerberus und Whitehall ihr Engagement offenkundig möglichst rasch beenden. Mit dem nun favorisierten Börsengang werden offenkundig keine Lehren aus dieser Art der Wohnungsbewirtschaftung gezogen. Dem Berliner Mieterverein ist bewusst, dass mit einer Versagung vorzeitigen Börsengangs durch das Land Berlin der Börsengang nicht grundsätzlich verhindert wäre. Wir hätten jedoch vom Berliner Senat erwartet, aufgrund des Zustimmungsvorbehaltes in Verhandlungen mit den Investoren eine auch an Mieterinteressen orientierte wohnungspolitische Strategie zu verfolgen.
Wir weisen darauf hin, dass der Berliner Senat die Zustimmung zum Börsengang erteilt hat, ohne mit dem Berliner Mieterverein die möglichen Alternativen zum Börsengang und Konsequenzen aus einem Börsengang erörtert zu haben. Für den Fall der Zustimmung des Abgeordnetenhauses zum Börsengang halten wir es für dringend erforderlich, dass der Berliner Senat die GSW-Mieterschaft detailliert über die bis 2014 vereinbarten Mieterschutzrechte informiert.
Mit freundlichen Grüßen
Berliner Mieterverein e.V.
i.A. Reiner Wild
– Geschäftsführer –
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01.01.2014