Pressemitteilung Nr. 9/10
Der Berliner Mieterverein kritisiert, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Beschluss des Abgeordnetenhauses 16/2995 zur Mietbelastung im Fanny-Hensel-Kiez missachtet. „Das Problem der drastisch ansteigenden Mieten in den Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung soll offenbar ausgesessen werden“, erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Der Senat habe sich mit seiner Mietenprognose von 2003 geirrt. Die erwartenden Steigerungen von 2,- Euro pro Quadratmeter monatlich seien längst Makulatur. Inzwischen liegen die Mietforderungen erheblich darüber, z.B. bei 9,62 Euro pro Quadratmeter monatlich im Fanny-Hensel-Kiez bzw. bei 10,- Euro pro Quadratmeter monatlich nettokalt in der Oranienstraße 99-105.
Das Ergebnis der Senatspolitik ist eindeutig: Der größte Teil der 28.000 Sozialwohnungen aus den Wohnungsbauförderjahrgängen 1987 bis 1996 wird für Sozialmieter nicht mehr zur Verfügung stehen. Als Grundförderung für die ersten 15 Jahre nach Bezugsfertigkeit wurden für diese knapp 28.000 Sozialwohnungen bereits 3,9 Milliarden Euro öffentliche Fördermittel gewährt. „Es ist ein sozialpolitischer Skandal ersten Ranges, dass trotz dieser gigantischen Förderung der Sozialwohnungsbestand zukünftig nur noch Haushalten mit mittlerem und hohem Einkommen zur Verfügung stehen soll“, so Wild. Der Senat stehe vor dem Scherbenhaufen seiner Mietenpolitik. „Mit entsprechenden Vereinbarungen auch zur Mietenentwicklung hätte man im Jahre 2003 einen behutsameren Ausstieg aus dem Förderfiasko, von dem vor allem Banken, Fondsorganisatoren und „Abschreiber“ profitierten, beschreiten können.
Nun sind im verstärkten Maße die Mieter der Sozialwohnungen betroffen. Ihnen stehen bei Wegfall der Anschlussförderung weniger Schutzrechte zur Verfügung als Mietern im freifinanzierten Wohnungsbau, da jederzeit und mit kurzer Frist (14 Tage) eine Mieterhöhung bis zur Kostenmiete (Wohnungsbauförderprogramme 1986-1007: Zwischen 12 und 20,- Euro pro Quadratmeter nettokalt) durchgesetzt werden kann. Es gilt weder die Kappung der ortsüblichen Vergleichsmiete noch die Begrenzung auf 20 Prozent in drei Jahren. Neumieter werden in der Regel von den Vermietern nicht über die Situation aufgeklärt. Mit der ersten Mieterhöhung nach Bezug können sie sich erst der Risiken bewusst werden.
Härteausgleich als Feuerwehrfonds erforderlich
„Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Mieterhöhungen um 1/3 in den Sozialwohnungen nicht als Härte auffasst, auch wenn die 3-Jahres-Frist abgelaufen ist“, erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Der Senat solle in den Wohnanlagen, in denen die Vermieter erst nach Ablauf der 3-Jahres-Frist nach Ende der Grundförderung eine Mieterhöhung geltend machen, im Wege der Ausnahme nach Punkt 15 Abs. 3 der Mietausgleichsvorschriften 2007 einen Härteausgleich gewähren und zwar orientiert an der tatsächlichen Mietforderung, so Wild.
Der vorübergehend gewährte Härteausgleich sei dringend erforderlich, damit Mieter adäquaten Ersatzwohnraum finden können, der insbesondere Familien die Aufrechterhaltung ihrer sozialen Bindungen (z.B. Schule, Kita) ermöglicht. Die kurzfristig festlegbare Ausnahme (Pkt. 15 Abs. 3) soll einen Härteausgleich für einen begrenzten Zeitraum von 6 Monaten ermöglichen, um den betroffenen Mietern wenigstens eine erträgliche Mietbelastung bis zum Umzug zu gewährleisten. Kurzfristig ist räumlich angemessener und finanziell tragbarer Ersatzwohnraum für eine größere Zahl von Mieterhaushalten offenkundig weder von städtischen Wohnungsunternehmen noch von privaten Vermietern bereitstellbar, wie das Beispiel Fanny-Hensel-Kiez belegt. Ersatzangebote werden bei zunehmender Problemdichte noch weniger zur Verfügung stehen.
Grundlegende Überarbeitung der Härteausgleichsrichtlinien sofort beginnen
Das Beispiel des Fanny-Hensel-Kiezes macht deutlich, dass die 3-jährige Ausschlussfrist zur Gewährung von Mietausgleich unsinnig ist. Die Mietforderung des neuen Eigentümers der mit Schimmelproblemen belasteten Wohnanlage war möglich geworden, nachdem für den Zeitraum nach dem 1.1.2005 keine Anschlussförderung des Landes Berlin für diese Sozialwohnungen mehr gewährt wurde. Der alte Eigentümer hatte nach Ende der Grundförderung in Anbetracht der baulichen Verhältnisse keine erheblichen Mieterhöhungen geltend gemacht. Dafür sollen die Mieter nun bestraft werden. Denn der Senat begründet seine Weigerung für einen Härteausgleich damit, dass gemäß Pkt. 7 der Mietausgleichsrichtlinien die Gewährung des Härteausgleichs nach Ablauf von drei Jahren nach Ende der Grundförderung grundsätzlich entfällt. Diese Frist ist nicht nachvollziehbar. Für 8813 Sozialwohnungen war am 31.3.10 die 3-Jahres-Frist bereits abgelaufen.
Der Berliner Mieterverein setzt sich zudem für eine weitere Veränderung der Mietausgleichsvorschriften 2007 ein, da der maßgeblich zu berücksichtigende Mietanteil die Mietentwicklung nicht mehr angemessen abbildet. Der zu bewilligende Härteausgleich orientiert sich nicht an den tatsächlich gezahlten Mieten. Bei der Bewilligung sind der jeweils aktuelle Berliner Mietspiegel und die dort enthaltenen Mittelwerte ortsüblicher Vergleichmieten mit einer Wohnfläche zwischen 60 und unter 90 qm zu Grunde zu legen. Der Berliner Mietspiegel 2009 weist für das Baualter 1984-1990 einen ungewöhnlich niedrigen Mittelwert von 5,80 Euro pro Quadratmeter monatlich in mittlerer Wohnlage aus, sodass der Härteausgleich, so er denn überhaupt gewährt wird, die Mietsteigerungen in mittlerer Lage nicht annähend auffängt. Ohne Entlastung müssten die Mieter also ausziehen. Der BMV schlägt vor, als Maßstab für die Gewährung des Mietausgleichs zukünftig den durchschnittlichen Mittelwert aller Mietspiegelfelder der Baualtersklassen 1984-2000 anzunehmen, um unerklärliche Werte einzelner Mietspiegelfelder auszugleichen.
BMV verlangt Berliner Wohnraumförderungsgesetz
Mit der Föderalismusreform hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für den Sozialen Wohnungsbau weitgehend auf die Länder übertragen. Berlin hat, anders als Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein von dieser Möglichkeit bislang keinen Gebrauch gemacht, trotz der desolaten Situation bei den verbliebenen 170.000 Sozialwohnungen. Der Berliner Mieterverein appelliert an den Senat, den rechtlichen Rahmen auszuschöpfen und auch Vorgaben für den Wohnungsbestand zu machen.
01.01.2014