Pressemitteilung Nr. 13/11
Der Berliner Mietspiegel 2011 zeigt ein eindeutiges Bild der Berliner Mietentwicklung: Nahezu flächendeckend steigen die Mieten erheblich an. Die Anspannung auf dem Wohnungsmarkt fordert ihren Tribut: Durchschnittlich 4 Prozent mehr pro Jahr für die Nettokaltmiete lassen die Belastung für die Berliner Haushalte ansteigen. Überdurchschnittlich stark klettern die Mieten in den Altbauten mit Bezugsfertigkeit vor 1918. In guter Wohnlage, bei Wohnungen unter 40 qm sowie über 90 qm Wohnfläche und bei Wohnungen mit Teilstandard ist ebenfalls ein überdurchschnittlicher Aufwärtstrend erkennbar. Der Nachfragedruck auf dem Wohnungsmarkt sorgt bei Wiedervermietung für erhebliche Mehreinnahmen auf der Vermieterseite. Berliner Wohnungen brachten in 2010 zumindest für die institutionellen Investoren deutschlandweit die höchste Rendite, das meldet der Datenbankbetreiber IPD. „Der eigentliche Skandal aber ist, dass der Berliner Senat bis heute die angespannte Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt leugnet“, kritisiert Mietervereinsgeschäftsführer Reiner Wild. Die rot-rote Landesregierung lehnt daher Markteingriffe in Berlin weitgehend ab und verweist auf eine Mietrechtsinitiative im Bundesrat, „die sie dort bislang in der Schublade verschwinden ließ, statt aktiv in den Ländern um Zustimmung zu werben“, erklärt Reiner Wild.
Mietspiegel weiterhin wichtig für Mieter
Der Berliner Mietspiegel 2011, erstellt vom Hamburger Forschungsinstitut F+B, weist die am 1.9.2010 gezahlten ortsüblichen Mieten vergleichbaren Wohnraums für nicht preisgebundene also freifinanzierte Alt- und Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern aus, die bis zum 31.12.2009 bezugsfertig wurden. Er gilt insoweit auch für Genossenschaftswohnungen und vermietete Eigentumswohnungen.
Der Mietspiegel erfüllt in erster Linie folgende Funktionen:
- Er dient den Vermietern als Begründungsmittel für Mieterhöhungen.
- Er dient den Mietern als Kontroll- und Begrenzungsmittel bei (überzogenen) Mietforderungen der Vermieter.
Wenn Mieter den Mietspiegel richtig anwenden, können sie abschätzen, ob oder bis zu welchem Betrag sie der Mieterhöhung des Vermieters zustimmen müssen. Der Mietspiegel ist im Mietrechtsprozess bei Zustimmungsklage des Vermieters das „Maß aller Dinge“. Beim qualifizierten Mietspiegel wird kraft Gesetzes vermutet, dass seine Werte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben.
Die Mittelwerte in den nach Wohnungsgröße, Baualter, Ausstattungsstandard und Wohnlage differenzierten Tabellenfeldern haben sich gegenüber 2009 in fast allen Feldern des Mietspiegels geändert. Lediglich ein Mietspiegelfeld weist keine Änderung auf. Von den 132 Mietspiegelfeldern weisen 27 keine Mietwerte aus, da für diese nicht mindestens 10 Mietwerte ermittelt wurden. Weitere 41 Felder verfügen über weniger als 30 Mietwerte und gehören damit auch nicht zum qualifizierten Teil. Die sogenannten Leerfelder finden sich vor allem bei den Kleinwohnungen und den Baujahrgängen 1973-1990 im Westteil der Stadt. Leerfelder und minder besetzte Felder schränken die Qualität des Mietspiegels aber deutlich ein. Da diese Felder nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels gehören, besteht im Zustimmungsprozess ein erhöhtes Risiko, dass der Richter zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein Sachverständigengutachten einholt, was in der Regel für den Vermieter von Vorteil ist. „Bei der Neuerhebung zum Berliner Mietspiegel 2013 wird es daher auch darum gehen, den Anteil nicht qualifizierter Mietspiegelfelder deutlich zu verringern“, verlangt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Ausdruck der Marktanspannung
Von den 105 besetzten Mietspiegelfeldern weisen 96 (91,43 Prozent) eine Steigerung der Miete aus, nur 8 Felder eine Senkung. In 36 Mietspiegelfeldern des Berliner Mietspiegels 2011 beträgt der Anstieg mehr als 10 Prozent. Die bilden fast 300.000 Wohnungen ab, rund ein Viertel aller freifinanzierten Wohnungen in Berlin. Der höchste Mittelwert wurde mit 8,19 €/qm nettokalt im Monat in guter Lage bei den großen Neubauwohnungen ermittelt. In diesem Feld hat der Oberwert nun die 10-€-Schallmauer durchbrochen. Bei weiteren 35 Feldern stiegen die Mittelwerte zwischen 5 Prozent und 10 Prozent, bei 25 Feldern bis zu 5 Prozent. Gesunkene Mietspiegelmittelwerte spielen nur bei 31.300 Wohnungen eine Rolle, dass sind 2,52 Prozent des freifinanzierten Bestandes. Bei den für die Mieterhöhung wichtigen Oberwerten stieg der Mittelwert von 5,69 € auf 6,06 €/qm im Monat, ein Anstieg um 0,37 €/qm bzw. 6,5 Prozent. In 78 von den 105 belegten Feldern wird auch hier ein Anstieg ausgewiesen, bei 37 Feldern sogar um mehr als 10 Prozent. Besonders krass ist die Entwicklung der Oberwerte bei teilausgestatteten Altbauwohnungen. In drei Feldern stieg der Oberwert um mehr als 1,90 €/qm (60-70 Prozent). In 28 Feldern gab es eine Senkung.
Ungeheure Dynamik im Altbau
Mit 0,53 €/qm im Monat ist der Anstieg der Mittelwerte in den Wohngebäuden mit Baualter vor 1918 besonders stark, ein Anstieg von 11,8 Prozent in 23 Monaten. Davon sind rund 363.000 Wohnungen betroffen, fast 30 Prozent des Bestandes. Mit 5,04 €/qm liegt die Miete zwar noch etwa 3 Prozent unter dem Berliner Durchschnittswert, allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Altbauten bei gleicher Zimmerzahl in der Regel deutlich größere Flächen ausweisen. Die Reserve preisgünstigen Wohnraumes stellen diese Wohnungen nur noch bedingt dar, denn auch bei den rund 100.000 minder ausgestatteten Wohnungen wurde ein Anstieg von 0,57 €/qm auf 3,81 €/qm/mtl. (17,6 Prozent) festgestellt. Für die Wohnungen der Zwischenkriegsjahre (1919-1949) ergab sich ein Anstieg um 0,40 €/qm, was 8,4 Prozent in 23 Monaten ausmacht. Dies betrifft 180.000 Wohnungen oder 14,5 Prozent des freifinanzierten Wohnungsbestandes. In gleicher Höhe stiegen die Mieten der Nachkriegsepoche von 1956-1964. Betroffen sind 151.000 Wohnungen bzw. 12,2 Prozent des Bestandes. Für besonders kleine Wohnungen mit weniger als 40 qm (10,3 Prozent des Bestandes) wurde ein Anstieg von 8,5 Prozent (0,46 €/qm), bei großen Wohnungen mit mehr als 90 qm (14,8 Prozent des Bestandes) von 9,3 Prozent in 23 Monaten (0,45 €/qm) ermittelt. Auch in guter Wohnanlage (17,7 Prozent des Bestandes) wurde ein überdurchschnittlicher Mietanstieg festgestellt. Um 0,58 €/qm im Monat stiegen die Mittelwerte, was 10,9 Prozent in 23 Monaten ausmacht.
Bestätigt hat sich der Trend wie schon beim Mietspiegel 2009, dass bei den Wohngebäuden im Ostteil der Stadt mit Baujahr 1973 bis 1990 die Mieterhöhungsspielräume offenbar aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen weitgehend ausgeschöpft sind. Für die rund 203.000 Wohnungen wurde mit rund 4,4 Prozent ein vergleichsweise geringer Mietanstieg festgestellt.
Nettokaltmietein €/qm |
2011 |
2009 |
Veränderung | |
absolut | in % | |||
insgesamt |
5,21 |
4,83 |
0,38 |
7,9 |
nach Wohnlagen |
||||
einfach |
4,84 |
4,57 |
0,27 |
5,9 |
mittel |
5,21 |
4,83 |
0,38 |
7,9 |
gut |
5,92 |
5,34 |
0,58 |
10,9 |
nach Wohnungsgröße |
||||
unter 40 qm |
5,87 |
5,41 |
0,46 |
8,5 |
40 bis unter 60 qm |
5,15 |
4,80 |
0.35 |
7,3 |
60 bis unter 90 qm |
5,07 |
4,71 |
0,36 |
7,6 |
90 qm und mehr |
5,31 |
4,86 |
0,45 |
9,3 |
Der Trend der letzten Jahre setzt sich fort. Bei den bislang preisgünstigeren Wohnungen gibt es weiterhin einen deutlichen Aufwärtstrend. Nachdem in Vorgängermietspiegeln der Anstieg durch die Privatisierung in den Siedlungsbauten der 20 Jahre und den Nachkriegswohnungen besonders stark ausfiel, erweist sich nun der Nachfrageüberhang innerhalb des S-Bahnringes als Mietpreistreiber.
Für die bereits sehr teuren Neubauwohnungen fällt der Anstieg moderater aus. Allerdings stellen die teuren Neubauwohnungen mit etwa 60.000 Wohnungen nur einen kleinen Teil des Berliner Wohnungsmarktes dar. Der Berliner Mietspiegel 2011 verweist auf eine deutliche Verringerung des Angebots preiswerter Wohnungen hin. Dies stellt vor allem deshalb ein Problem dar, weil die Einkommensentwicklung keine relevanten Zuwächse ausweist, erst recht nicht für einkommensschwache Haushalte.
Sondermerkmale und Orientierungshilfe
Ein besonderes Augenmerk gilt regelmäßig den mittels Regressionanalyse festgestellten Sondermerkmalen, bei denen ein sinnfälliger Zusammenhang zur Miethöhe besteht. Bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete werden die Sondermerkmale bislang nach der Spanneneinordnung hinzu- oder abgerechnet. Dadurch kann es im Einzelfall zu Mietwerten kommen, die bei der Erhebung gar nicht erfasst wurden. „Dieses Verfahren ist nicht stimmig und benachteiligt die Mieter. Beim Mietspiegel 2013 muss das geändert werden“, fordert BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Für 2011 gibt es aber zunächst einige Neuerungen. Rausgefallen sind „moderne Küchenausstattung“, „zweites WC in der Wohnung“ und „Bad mit WC ohne Fenster“. Diese Merkmale finden sich nun in der Orientierungshilfe wider. Gravierend: „Hochwertiger Bodenbelag“ schlägt jetzt mit 0,50 €/qm zu Buche. Neu sind Abschläge für Souterrainwohnungen (0,75 €/qm) und Dachgeschosswohnungen ohne Aufzug – ab 1984 (0,46 €/qm).
Bei der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung ist zusätzlich (siehe oben) bei wohnwerterhöhenden Merkmalen verändert worden:
- Strukturheizkörper als Handtuchhalter nur, wenn Sondermerkmal „Modernes Bad nicht vorliegt“,
- Moderne, gesteuerte Entlüftung (z.B. mittels Feuchtigkeitssensor) bei innen liegendem Badezimmer
- Überwiegend Isolierverglasung (ab 1987) oder Schallschutzfenster
- Rückkanalfähiger Breitbandkabelanschluss (Nutzung ohne zusätzliche vertraglichen Bindung des Mieters mit Dritten)
- Wohnungsbezogener Kaltwasserzähler, wenn der Mieter nicht die Kosten für Miete oder Leasing im Rahmen der Betriebskosten trägt
- Verbesserte Steigeleitungen zählen nicht mehr zum überdurchschnittlichen Instandhaltungszustand
Energetische Komponente hat sich bewährt
Im Rahmen der Spanneneinordnung wurde erstmals im Mietspiegel 2009 dem energetischen Zustand von Wohngebäuden bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein höherer Stellenwert eingeräumt. Mittels Energiekennwerten wird der energetische Zustand operationalisiert. Ein sehr guter Kennwert wirkt wohnwertsteigernd, ein sehr schlechter wohnwertmindernd. Wegen der voranschreitenden energetischen Modernisierung wurden im Mietspiegel 2011 gemäß Erkenntnissen des Forschungsinstitutes die Verbrauchskennwerte, bei denen von Wohnwertminderung auszugehen ist, um je 10 kWh/qm/a gesenkt. Für die üblichen Kennwerte, etwa 2/3 aller Wohnungen, ergibt sich keine Konsequenz hinsichtlich der Abweichung vom Mittelwert. Um von dieser besonderen Bewertungsmöglichkeit Gebrauch machen zu können, bedarf es der Berechnung des Energieverbrauchskennwertes. Er ist bei zentralbeheizten Gebäuden leicht aus der Heizkostenabrechnung unter Berücksichtigung des Klimafaktors zu ermitteln. Wer einen Energieausweis vorliegen hat, kann den Kennwert daraus verwenden. Bedarfskennwerte können umgerechnet werden. Der Berliner Mieterverein hält ein Infoblatt zur Ermittlung der Energieverbrauchskennwerte bereit, das in den Beratungszentren oder unter www.berliner-mieterverein.de erhältlich ist.
Konsequenzen gefordert
Schon beim Mietspiegel 2009 hat eine Zusatzerhebung ergeben, dass in drei „dynamischen Stadtteilen“ die Neuvertragsmieten erheblich über den Bestandsmietverhältnissen lagen. Die erheblich angestiegenen Neuvertragsmieten haben auch dem Mietspiegel 2011 ihren Stempel aufgedrückt. Deshalb fordert der Berliner Mieterverein eine Beschränkung der Neuvertragsmieten, die bislang vollkommen frei vereinbart werden können. Die Erhöhung von Bestandsmieten soll gekappt werden, durch die Beschränkung auf 15 Prozent in drei Jahren, die Einbeziehung aller Mieten in die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete und die Streckung der Refinanzierung von Modernisierung und Energieeinsparung.
Alle Maßnahmen lassen sich nur über eine Mietrechtsänderung im Deutschen Bundestag bewerkstelligen. Eine Initiative des Berliner Senats über den Bundesrat ist ein erster wichtiger Schritt gewesen. Bedauerlicherweise verfolgt der Senat seine Pläne zur Mietrechtsänderung aus Sicht des Mietervereins bundesweit nur auf Sparflamme. „Das Engagement des Senats ist wenig glaubwürdig“ resümiert Mietervereinsgeschäftsführer Reiner Wild, „da auch auf Landesebene keine Instrumente gegen die Verringerung des Angebots preiswerter Mietwohnungen beschlossen wurden“. Aus Sicht des Mietervereins bedürfte es einer neuen Verordnung zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, einer Verlängerung der Kündigungssperrfristverordnung mit einer Ausweitung des Schutzes vor Eigenbedarf auf 10 Jahre und für mehr Berliner Wohnquartiere sowie in Milieuschutzgebieten ein Genehmigungsvorbehalt bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und die Androhung der Nutzung des Vorkaufsrechtes.
03.03.2018