Pressemitteilung Nr. 47/21
Nur wenige Tage vor den Wahlen behauptet ein der Wohnungswirtschaft nahestehender Verein mit einem Auftragsgutachten, die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen sei gar nicht zulässig. „Es ist ein durchsichtiges Manöver, mit juristisch fragwürdigen Argumenten die Berlinerinnen und Berliner zu verunsichern“, kritisiert der stellvertretende BMV-Geschäftsführer Sebastian Bartels. Dabei bestätigen mehr als ein dutzend Gutachten, darunter auch solche, die der Senat 2018 eingeholt hatte: Wenn das Gesetz gut gemacht ist, wäre die Vergesellschaftung gegen angemessene Entschädigung zulässig. „Die Gegenargumente sind alter Wein in neuen Schläuchen“, so Bartels. Angeblich sei Berlin laut Landesverfassung gar nicht berechtigt, ein solches Gesetz zu erlassen. „Zwar enthält die Berliner Landesverfassung keine Sozialisierungsklausel, doch ihr Schweigen bedeutet kein Verbot. Zudem geht Artikel 15 des Grundgesetzes letztlich vor“, erläutert Bartels.
In die Irre führt auch die Behauptung des Vereins, die Kreditaufnahme durch die geplante Anstalt öffentlichen Rechts sei eine Umgehung der im Grundgesetz enthaltenen Schuldenbremse. Fast alle Experte sind sich einig: Artikel 109 Grundgesetz regelt nur die Kreditaufnahme durch Bund und Länder, nicht durch selbstständige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Und da die Entschädigung deutlich unterhalb des Verkehrswerts erfolgen soll, stünde den von Anstalt aufgenommenen Krediten, für die das Land natürlich haften würde, ein wirtschaftlich wertvolleres Gemeineigentum an Wohnimmobilien gegenüber. Angesichts der Niedrigzinsen führt dies für Berlin zu einem positiven Ergebnis.
Auch die von Battis geschätzte Entschädigungssumme von 29 bis 39 Milliarden Euro entspricht zwar der Berechnung des Senats, ist aber unrealistisch. Bartels: „In Expertenrunden ist man sich einig: Dieser Marktwert ist spekulativ verseucht und kann einem Gesetz nicht ernsthaft zugrunde gelegt werden.“ Nach Ansicht des BMV ist es Augenwischerei, den Mieterinnen und Mietern an der Wahlurne vorzugaukeln, sie würden Berlin in die Armut schubsen, wenn sie am Sonntag mit einem „Ja“ stimmen. Denn das Grundgesetz spricht nicht von einer Entschädigung zum Verkehrswert. Auch das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder vertreten, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, zwingend eine Verkehrswertentschädigung vorzuschreiben.
Irreführend ist auch die vom Verein zitierte Studie, wonach nur 22 Prozent der Befragten eine Enteignung für ein geeignetes Instrument halten, um die Situation der Mieter und Wohnungssuchende in Berlin zu verbessern. Vielmehr: In einer aktuellen Befragung, die Civey im Auftrag der »Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen« durchgeführt hat, sprechen sich 50 Prozent der Befragten für die Vergesellschaftung aus, 43 Prozent dagegen. Etwa sieben Prozent sind unentschieden oder kennen den Volksentscheid nicht.
Sicher ist allerdings: Es kommt auf jede Stimme an. Und daher appelliert der Berliner Mieterverein an alle Mieterinnen und Mieter, am kommenden Sonntag hinter den Beschlusstext der Kampagne ein „Ja“ zu setzen. Diese einmalige Chance, zusammen mit den Wahlen ein solch starkes wohnungspolitisches Signal zu setzen, hat es so wohl noch nie gegeben“, so BMV-Vize Bartels. Preisgünstiger Wohnraum gehört nicht an die Börse, sondern zurück in die öffentlichen Hände, ist der BMV überzeugt – und unterstützt die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co“ seit mehr als zwei Jahren. Immerhin wären auf einen Schlag 240.000 Wohnungen betroffen, die damit dauerhaft dem Markt entzogen würden. BMV-Vize Bartels: „Es geht um viel – und allein durch Neubau werden über viele Jahre hinweg nicht so viele leistbare Wohnungen entstehen.“
27.09.2021