Leitsatz:
Der Textform ist nicht genügt, wenn es infolge nachträglicher handschriftlicher Ergänzungen an einem räumlichen Abschluss der Vereinbarung fehlt.
BGH v. 3.11.2011 – IX ZR 47/11 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 14 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Auch im Mietrecht sieht das Gesetz in folgenden Fällen die Textform des § 126 b BGB vor:
- Modernisierungsankündigung (§ 554 Abs. 3 BGB)
- Erklärung der Umstellungserklärung auf verbrauchsabhängige Abrechnung (§ 556 a Abs. 2 BGB)
- Erklärung der Aufrechnung/des Zurückbehaltungsrechtes durch Mieter (§ 556 b Abs. 2 BGB)
- Forderung höherer Miete bei vereinbarter Indexmiete (§ 557 b Abs. 3 BGB)
- Zustimmungsverlangen zur Mieterhöhung (§ 558 a Abs. 1 BGB)
- Mieterhöhung wegen Modernisierung (§ 559 b Abs. 1 BGB
- Erhöhung einer Betriebskostenpauschale (§ 560 Abs. 1 BGB)
- Erklärung über Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 BGB).
Schreibt das Gesetz die Wahrung der Textform vor, muss gemäß § 126 b BGB die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe von Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Der BGH hatte sich im vorliegenden – nicht mietrechtlichen – Fall mit der Frage zu befassen, ob handschriftliche Zusätze am Ende einer in Textform abgegebenen Erklärung möglicherweise zu einem Formfehler führen.
Anders als bei der Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB), bei welcher die Unterschrift den räumlichen Abschluss der Urkunde bildet, kenne die Textform keine starre Regelung für die Kenntlichmachung des Dokumentenendes. Es bedürfe jedenfalls eines eindeutig wahrnehmbaren Hinweises, der sich räumlich am Ende befindet und inhaltlich das Ende der Erklärung verlautbart. Zur Erfüllung dieses Zwecks komme neben der Namensunterschrift ein Zusatz wie „diese Erklärung ist nicht unterschrieben“, ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, eine Datierung oder Grußformel in Betracht. Durch den räumlichen Abschluss der Erklärung müsse die Ernstlichkeit des Textes in Abgrenzung eines keine rechtliche Bindung auslösenden Entwurfs deutlich gemacht werden.
Da bei Beachtung der Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) die Unterschrift den Vertragstext räumlich abschließen müsse, führten unterhalb der Unterschrift angefügte Vertragsnachträge zur Formunwirksamkeit der Erklärung. Auch wenn die Wahrung der Textform keine Unterschrift erfordere, dürfe der auf andere Weise verdeutlichte Abschluss der Vereinbarung ebenfalls nicht durch Vertragsnachträge beseitigt werden. Dies sei vorliegend jedoch infolge der von der Beklagten unterhalb des durch die Unterschriftszeilen kenntlich gemachten räumlichen Abschlusses vorgenommenen handschriftlichen Ergänzungen geschehen. Zur Wahrung der Textform hätte für diese Gesamterklärung von beiden Seiten – beispielsweise durch eine Paraphierung – ein neuerlicher Abschluss geschaffen werden müssen. Dies sei jedoch von den Parteien mit der Folge der Formunwirksamkeit versäumt worden. Allein das Seitenende einer schriftlichen Erklärung könne, weil die Möglichkeit einer Fortsetzung auf einer weiteren Seite in Betracht komme, nicht als Abschluss der Erklärung gewertet werden.
02.01.2018