Leitsätze:
Eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs ist auch unterhalb der für die fristlose Kündigung geltenden Grenze des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB möglich. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters liegt jedoch nicht vor, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt.
§ 569 Absatz 3 Nummer 3 BGB findet keine entsprechende Anwendung auf die ordentliche Kündigung.
BGH v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter bewohnte die Wohnung seit 1972. Das Jobcenter überwies die Grundmiete von 252,81 Euro direkt an die Vermieterin, den Vorschuss für die Heizkosten in Höhe von 50 Euro an den Mieter. Nach Anschluss der Wohnung an die Fernwärme erhöhte die Vermieterin den Heizkostenvorschuss auf monatlich 70 Euro. Der Mieter zahlte jedoch weiterhin die 50 Euro monatlich, die ihm das Jobcenter überwies. Nach 14 Monaten betrug der Zahlungsrückstand 280 Euro (14 x 20 Euro). Daraufhin kündigte die Vermieterin fristgemäß zum 31.7.2010. Im Zahlungsprozess wurde der Mieter verurteilt, den Rückstand zu begleichen. Zuvor hatte er den Betrag jedoch bereits am 30.7. 2010 komplett entrichtet. Die Parteien streiten darüber, ob die ordentliche Kündigung Bestand hat. Der BGH gab dem Vermieter Recht. Nach dem Gesetz kann der Vermieter wegen Zahlungsverzugs fristlos kündigen, wenn der Mieter mit zwei Monatsmieten im Rückstand ist. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gilt diese „Zwei-Monatsmieten-Grenze“ aber nicht für eine ordentliche Kündigung mit Kündigungsfrist. Die kann der Vermieter schon aussprechen, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete plus einen Cent beträgt.
Nach § 569 Absatz 3 Nummer 3 BGB kann dem Mieter nach einer Verurteilung zur Zahlung einer erhöhten Miete nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach Rechtskraft des Urteils wegen Zahlungsverzugs gekündigt werden. Der Zweck der Vorschrift bestehe darin, in bestimmten Fällen eine Obdachlosigkeit des Mieters infolge einer fristlosen Kündigung zu vermeiden. Wegen der bei einer ordentlichen Kündigung einzuhaltenden Kündigungsfrist bestehe diese Gefahr jedenfalls nicht in gleichem Maße.
Fazit: Aus der Entscheidung vom 10.10.2012 ergibt sich Folgendes: Für den unfreiwilligen Verlust der Mietwohnung sind Mietschulden von einer Monatsmiete und einem Cent ausreichend. Legt der Vermieter es darauf an, kann er erfolgreich die fristgemäße Kündigung aussprechen, ohne dass für den Mieter die Möglichkeit besteht, durch alsbaldige Zahlung die Kündigung „zu heilen“.
29.11.2013