Leitsatz:
Erweist sich die Vereinbarung eines Zeitmietvertrags als unwirksam, weil die nach § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann dem bei Vertragsschluss bestehenden Willen der Mietvertragsparteien, das Mietverhältnis nicht vor Ablauf der vorgesehenen Mietzeit durch ordentliche Kündigung nach § 573 BGB zu beenden, im Einzelfall dadurch Rechnung getragen werden, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht tritt, der eine ordentliche Kündigung frühestens zum Ablauf der (unwirksam) vereinbarten Mietzeit ermöglicht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – VIII ZR 388/12, NJW 2013, 2820).
BGH v. 11.12.2013 – VIII ZR 235/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 7 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter hatten mit dem ehemaligen Eigentümer der Wohnung im November 2009 einen gemäß § 575 BGB unwirksamen „Zeitmietvertrag“ geschlossen. Darin war vereinbart, dass das Mietverhältnis am 15.11.2009 beginnt und am 31.10. 2012 endet.
Nachdem die Wohnung veräußert worden war, kündigte der Erwerber das Mietverhältnis im Juli 2010 wegen Eigenbedarfs zum 31.10.2010.
Der BGH entschied, dass die Kündigung unwirksam ist. Zwar sei ein Zeitmietvertrag gemäß § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zulässig, wenn es einen Grund für die Befristung (zum Beispiel Eigenbedarf) gibt und der Vermieter dem Mieter den Befristungsgrund bei Vertragsschluss schriftlich mitteilt, was vorliegend nicht geschehen sei.
Weiterhin greife infolge der Unwirksamkeit der Befristung grundsätzlich die gesetzliche Rechtsfolge des § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB ein, dass das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und unter den Voraussetzungen des § 573 BGB (auch) ordentlich gekündigt werden kann.
Jedoch müsse hier die unwirksame Befristung des Mietverhältnisses in einen Kündigungsausschluss umgedeutet werden. Denn durch die Unwirksamkeit der von den Mietvertragsparteien gewollten Regelung sei eine planwidrige Vertragslücke entstanden. In solchen Fällen sei die Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Hierbei sei zu berücksichtigen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die vereinbarte Vertragsbestimmung unwirksam ist.
Vorliegend zeige die zeitliche Befristung des Mietvertrags den Willen beider Vertragsparteien, dass das Mietverhältnis jedenfalls für diese Zeit Bestand haben sollte. Wenn die Parteien erkannt hätten, dass die vereinbarte Befristung unwirksam sei, hätten sie stattdessen einen beiderseitigen Kündigungsverzicht vereinbart.
Der Räumungsanspruch des derzeitigen Vermieters könne auch nicht mit der Erwägung bejaht werden, die am 28. Juli 2010 zum 31. Oktober 2010 ausgesprochene Kündigung habe das Mietverhältnis jedenfalls zum Ablauf der von den Parteien gewollten Bindungsfrist (31. Oktober 2012) beendet; denn der Kündigungserklärung könne ein derartiger Wille des Vermieters nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden, zumal sich der geltend gemachte Eigenbedarfsgrund zwischen dem 31. Oktober 2010 und 31. Oktober 2012 geändert haben könnte.
18.05.2018