Leitsatz:
Die im Rahmen eines Bedarfsdeckungsgeschäftes nach § 1357 Abs. 1 BGB wirksam begründete Mitverpflichtung eines Ehegatten aus einem von dem anderen Ehegatten vor der Trennung abgeschlossenen Energielieferungsvertrag für die Ehewohnung endet nicht ohne Weiteres schon mit der Trennung oder mit dem Auszug des mitverpflichteten Ehegatten aus der Ehewohnung; dies gilt auch für die nach Trennung oder Auszug verbrauchte Energie.
BGH vom 24.4.2013 – XII ZR 159/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 6 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Ein Energieversorgungsunternehmen schloss im Jahr 2008 mit dem Ehemann einen Vertrag über die Lieferung von Strom an die in der damaligen Ehewohnung gelegene Entnahmestelle. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand eine Lebensgemeinschaft zwischen den Eheleuten. Die Eheleute trennten sich im November 2009. Im Mai 2010 zog die Ehefrau aus der vormaligen Ehewohnung aus. Das Energieversorgungsunternehmen kündigte den Stromlieferungsvertrag am 14. September 2010 wegen Zahlungsrückstands und stellte anschließend eine Rechnung über seine bis zur Kündigung erbrachten Stromlieferungen. Vor Gericht wurde darüber gestritten, ob die Ehefrau auch für den Teil der Rechnung des Stromversorgers haftet, der den Zeitraum nach ihrem Auszug aus der vormaligen Ehewohnung erfasst.
Entscheidungserheblich ist hierbei die Rechtsfrage, ob die nach § 1357 Abs. 1 BGB wirksam begründete Mitverpflichtung eines Ehegatten aus einem von dem anderen Ehegatten vor der Trennung abgeschlossenen Energielieferungsvertrag für die Ehewohnung ohne Weiteres bereits mit der Trennung oder mit dem Auszug aus der Ehewohnung endet. Der BGH hat diese Frage verneint.
Eine solche Enthaftung des mitverpflichteten Ehegatten lasse sich insbesondere nicht aus § 1357 Abs. 3 BGB herleiten. Unmittelbar sei diese Vorschrift hier nicht anwendbar, weil sie für den Fall des Getrenntlebens nur die Wirkungen des § 1357 Abs. 1 BGB und damit die Mithaftung des nicht vertragschließenden Ehegatten bei Abschluss eines neuen Bedarfsdeckungsgeschäftes in der Trennungszeit ausschließe. So liege der Fall hier nicht, weil es sich bei einem Versorgungsvertrag über die Lieferung von Strom um einen Bezugsvertrag (Dauerlieferungsvertrag) und damit um ein echtes Dauerschuldverhältnis handele und es für die Begründung der hieraus resultierenden Forderungen auf den Abschluss des Dauerschuldvertrags und nicht auf die daraus hervorgehenden Einzelverbindlichkeiten ankomme. Eine Regelung zur Enthaftung eines Ehegatten von einer während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft wirksam begründeten Mitverpflichtung lasse sich § 1357 Abs. 3 BGB dagegen nicht entnehmen.
Die maßgebliche Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
§ 1357 BGB – Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs
(1) Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. …
(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.
05.10.2017