Leitsatz:
Ein – auf vernünftige, nachvollziehbare Gründe gestützter – Eigennutzungswunsch rechtfertigt die Kündigung des Mietverhältnisses nur dann, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht.
BGH vom 23.9.2015 – VIII ZR 297/14 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 13 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Hier bestand die Mietsache aus einer Dreizimmerwohnung im dritten Obergeschoss und einer 21 Quadratmeter großen separaten Mansardenwohnung. Im Mietvertrag war ausdrücklich festgehalten, dass das Mietverhältnis nur zusammen gekündigt werden darf. Die Vermieterin beanspruchte die Mansardenwohnung für ihre Tochter, für deren Familie das gesamte Dachgeschoss ausgebaut werden sollte. Für die Wohnung im dritten Obergeschoss erklärte die Vermieterin, hier wolle sie selbst einziehen. An der Ernsthaftigkeit dieses Eigenbedarfs meldete der Bundesgerichtshof aber berechtigte Zweifel an. Die Vermieterin habe unter anderem erklärt, sich bisher überhaupt noch keine Gedanken darüber gemacht zu haben, warum sie von mehreren Dreizimmerwohnungen ihres Hauses mit 15 Wohnungen ausgerechnet die Mieterwohnung beziehen wolle. Dass die Vermieterin sich vor ihrem vermeintlichen Umzug im Seniorenalter von ihrem Einfamilienhaus in ein Mietshaus nicht überlegt habe, welche Anforderungen an den neuen Lebensmittelpunkt zu stellen sind und welche der ihr gehörenden Wohnungen nach Größe, Lage und Zuschnitt für ihre Zwecke geeignet sind, sei lebensfremd. Dass zum Zeitpunkt der Kündigung allenfalls ein unbestimmter, vager Nutzungswunsch vorlag, der eine Eigenbedarfskündigung nicht rechtfertigen kann, zeige sich auch daran, dass zunächst nur Interesse an der Mansardenwohnung bestand und eine frei gewordene Erdgeschosswohnung im Mietshaus anderweitig vermietet wurde.
29.03.2022