Leitsätze:
a) Ein Mieter kann im Rahmen der bei einer Betriebskostenabrechnung geschuldeten Belegvorlage vom Vermieter dann nicht die Einsichtnahme in Unterlagen verlangen, die das Vertragsverhältnis zwischen einem vom Vermieter mit einer betriebskostenrelevanten Dienstleistung beauftragten Dritten und dem von diesem weiter beauftragten Subunternehmer betreffen, wenn der Vermieter mit dem Dritten eine Vergütung für dessen Tätigkeit vereinbart hat oder diese nach § 612 BGB als vereinbart gilt und der Vermieter die von dem Dritten in Rechnung gestellte Vergütung in der Betriebskostenabrechnung auf die Mieter umgelegt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter eine Schwestergesellschaft beauftragt hat, unabhängig davon, ob deren Vergütung eine Gewinnmarge enthält.
b) Dem Mieter steht ein Einsichtsrecht in den Vertrag, den der von dem Vermieter beauftragte Dritte mit einem Subunternehmer geschlossen hat, sowie in die Abrechnungen des Subunternehmers aber dann zu, wenn zwischen dem Vermieter und dem von ihm beauftragten Dritten für die Erbringung der Dienstleistung nicht eine Vergütung vereinbart worden ist, sondern nur eine Erstattung der entstandenen Kosten.
BGH vom 27.10.2021 – VIII ZR 102/21 –
BGH vom 27.10.2021 – VIII ZR 114/21 –
Langfassungen:
VIII ZR 102/21: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 28 Seiten]
VIII ZR 114/21: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 21 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Bei Großvermietern kommt es häufig vor, dass diese Tochterunternehmen (der BGH spricht von „Schwesterunternehmen) mit der Besorgung von Dienstleistungen beauftragen und deren Kosten als Betriebskosten auf die Mieter abwälzen. Wollen Mieter diese Kostenabwälzung überprüfen, fragt sich, ob sie das Recht haben, auch die Belege der Tochterunternehmen beziehungsweise der von diesen beauftragten Subunternehmen einzusehen. Darum ging es in den beiden Verfahren vor dem BGH.
In dem Verfahren – VIII ZR 102/21 – ging es um Hausreinigungskosten der Vonovia Wohnumfeld Service GmbH, im Verfahren – VIII ZR 114/21– um Hauswartkosten der Vonovia Immobilienservice GmbH. Bezüglich der Belegeinsicht differenziert der BGH danach, was in dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Vonovia und der Tochtergesellschaft vereinbart wurde:
1. Ist dort vereinbart, dass die Tochtergesellschaft die Erstattung ihrer Kosten (ohne Gewinn) verlangen kann – so im Verfahren VIII ZR 114/21 –, müssen Mieter sich nicht ohne Weiteres mit der Rechnung der Tochtergesellschaft gegenüber der Vonovia begnügen. Sie können, wenn die Tochtergesellschaft ihrerseits einen Subunternehmer eingeschaltet hat, verlangen, dass ihnen auch die Rechnung des Subunternehmers an die Tochtergesellschaft vorgelegt wird, damit sie die von der Tochtergesellschaft in Rechnung gestellten Kosten prüfen können.
2. Ist dagegen vereinbart, dass die Tochtergesellschaft eine Vergütung (inklusive Gewinn) verlangen kann – so im Verfahren VIII ZR 102/21 –, dürfen Mieter nur die Rechnung der Tochtergesellschaft an die Vonovia einsehen. Denn die Tochtergesellschaft dürfe als rechtlich selbstständiges und nicht von der Vonovia abhängiges Unternehmen auch ihren Gewinn abrechnen und die Vonovia diesen im Rahmen der Betriebskosten auf den Mieter umlegen. Der Mieter sei ausreichend durch das Wirtschaftlichkeitsgebot geschützt, wonach die Preise der Tochtergesellschaft sich an den marktüblichen Preisen für die Dienstleistungen orientieren müssten. Um diesen Marktvergleich anzustellen, benötige der Mieter keine Einsicht in die Geschäftsbeziehung zwischen der Tochtergesellschaft und ihren Subunternehmern, sondern reiche die Rechnung der Tochtergesellschaft an die Vonovia.
Für die nähere Zukunft ist zu vermuten, dass die großen Wohnungskonzerne aufgrund dieser BGH-Rechtsprechung vom System der bloßen Kostenerstattung (1.) auf das System fester Preise (2) umsatteln werden. Damit eröffnet sich großen Wohnungsunternehmen die Möglichkeit, durch die Einschaltung von Tochtergesellschaften mit den Betriebskosten etwaige Gewinne auf Kosten der Mieter zu schöpfen. Die Prämisse des BGH, es komme nur darauf an, ob die Preise der Tochtergesellschaft marktüblich seien, ist problematisch. Denn sie schafft für Wohnungsunternehmen einen Anreiz dafür, dass Tochtergesellschaften durch Kosteneinsparungen die Rendite bei ihren Dienstleistungen steigern statt ihre Leistungen preiswerter anzubieten und zu einer Senkung der Betriebskosten beizutragen. Damit wird die Chance versäumt, Wohnkostenbelastungen der Mieter zu reduzieren. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass ab einem bestimmten Marktanteil eines Wohnungsunternehmens der Marktpreis kein Korrektiv für die Preise einer von ihm eingeschalteten Tochtergesellschaft mehr ist, sondern im Gegenteil deren Preise den Markt bestimmen.
Die Entscheidungen des BGH beruhen vor allem auf der Annahme, dass die Tochtergesellschaften der Vonovia rechtlich selbstständig und unabhängig seien. Diese Sichtweise des BGH ist allerdings schon kritisiert worden. Grimm und Bosse (WuM 2022, Seite 13 ff.) weisen ausführlichst nach, dass die Schwestergesellschaften der Vonovia lediglich auf dem Papier selbstständige Unternehmen sind und die vom BGH – wohl aufgrund mangelhaften Vortrags der Mieterseite – unterstellte Selbstständigkeit in der Realität nicht gegeben sei. Die tatsächlich gegebene wirtschaftliche Verflechtung müsse und könne künftig in den Betriebskostenprozessen vor den Instanzengerichten dargelegt werden, verbunden mit der Hoffnung, dass die Gerichte dann – ohne sich in Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung zu setzen – die Fälle zu 2. anders entscheiden und eine Gewinnabschöpfung bei den Betriebskosten durch die Einschaltung von Tochtergesellschaften nicht akzeptieren werden.
Börstinghaus (jurisPR-Mietrecht 2/2022) hingegen meint, dass es auf die Frage der Selbstständigkeit oder Verflechtung der Schwesterunternehmen gar nicht ankomme, denn wenn der Vermieter schon Eigenleistungen mit Gewinnanteil gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BetriebskostenVO in die Abrechnung einstellen dürfe, dann müsse dies erst recht gelten für ganz konkrete Rechnungen, die er von einem Schwesterunternehmen erhalte und bezahle. In der Begründung der BetriebskostenVO (BR-Drs. 568/03, S. 3) heiße es diesbezüglich auszugsweise: „Nach Absatz 1 Satz 2 dürfen Sach- und Arbeitsleistungen des Eigentümers […] mit dem Betrag angesetzt werden, der für eine gleichwertige Leistung eines Dritten, insbesondere eines Unternehmens, angesetzt werden könnte. Eine Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen ist damit nicht verbunden. Soweit institutionelle Eigentümer diese Leistungen mit ihren Arbeitnehmern oder durch unselbstständige Einheiten, zum Beispiel sogenannte Regiebetriebe, erbringen, können auch diese Kosten in Ansatz gebracht werden …“
Wir sehen: In dieser Frage dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.
25.02.2022