Leitsatz:
Der ersatzfähige (Kündigungsfolge-)Schaden eines Mieters nach einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter umfasst nicht die zum Zwecke des Eigentumserwerbs einer Wohnung angefallenen Maklerkosten.
BGH vom 9.12.2020 – VIII ZR 238/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
In der Entscheidung vom 9.12.2020 ging es noch um einen weiteren Aspekt bei der Geltendmachung von Schadenersatz wegen vorgetäuschten oder weggefallenen Eigenbedarfs. Es ging um die Schadensposition „Maklerkosten“. Während des laufenden Berufungsverfahrens hatte der Mieter unter Einschaltung eines Maklers eine Eigentumswohnung erworben. Hierfür wurde ihm seitens des Maklers ein Betrag in Höhe von 29 543,42 Euro in Rechnung gestellt. Unter anderem diese Summe machte der Mieter als Schadenersatz geltend. Während das Landgericht dem Mieter diesen Schadenersatz zusprach, hält der BGH diese Maklerkosten für keinen ersatzfähigen Schaden.
Die Maklerkosten wären zwar noch adäquat kausal, unterfielen jedoch nicht dem Schutzzweck der Vertragspflichtverletzung des Vermieters und zwar unabhängig davon, ob diese darin bestünde, dass der Eigenbedarf von Anfang an nicht bestand und somit bereits der Ausspruch der Kündigung eine Pflichtverletzung dargestellt hätte oder ob der Eigenbedarf später weggefallen sei und die Pflichtverletzung im fehlenden Hinweis des Vermieters hierauf gelegen hätte.
Denn eine vertragliche Haftung bestehe nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde, was vorliegend bezüglich der Maklerkosten und der mietvertraglichen Pflicht zur Gebrauchserhaltung nicht der Fall sei.
Der Schaden müsse in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein „äußerlicher“, gleichsam „zufälliger“ Zusammenhang genüge nicht. Insoweit sei eine wertende Betrachtung geboten. Der Schädiger habe nur für die Einbußen einzustehen, die die durch den Vertrag geschützten Interessen beträfen. Maßgebend sei somit die vertragliche Interessenlage der Parteien und der damit korrespondierende Vertragszweck.
Hiernach stammten die Kosten des Maklers, welcher vom Mieter mit der Suche nach einer Eigentumswohnung beauftragt war – anders als bei einer Anmietung (vgl. BGH vom 16.12.2009 – VIII ZR 313/08 –) –, nicht aus dem Bereich der Gefahren, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht bestehe. Denn der Mieter sei aus seiner bisherigen Stellung unter Einschaltung des Maklers in diejenige eines Eigentümers gewechselt.
Danach sei der Vermieter (nur) zum Ersatz solcher Schäden verpflichtet, die auf der Verletzung seiner Pflicht zur Wahrung des Besitzrechts des Mieters beruhten. Infolge der gerichtlichen Räumungsentscheidung im Anschluss an die unberechtigte Eigenbedarfskündigung büße der Mieter sein vertragliches Recht zum Gebrauch der Mietsache ein, so dass der Vermieter dann verpflichtet sei, dem Mieter den Schaden zu ersetzen, der in einem inneren Zusammenhang mit dessen Gebrauchserhaltungsinteresse stehe.
Dieser gebotene Zusammenhang zur Besitzbeeinträchtigung fehle jedoch bei den Maklerkosten, die im Zuge des Erwerbs der Eigentumswohnung angefallen seien. Denn durch den Eigentumserwerb, der Gegenstand des Maklerauftrags war, habe der Mieter nicht (lediglich) seinen Besitzverlust ausgeglichen, sondern im Vergleich zu seiner bisherigen Stellung als Mieter eine hiervon zu unterscheidende Stellung als Eigentümer eingenommen.
Anders als in der Position des Mieters unterliege er nunmehr – hinsichtlich der Wohnungsnutzung – keinen vertraglichen Bindungen. Sein Besitzrecht an der Wohnung sei nicht mehr, wie zuvor, ein abgeleitetes, sondern ein ihm originär zustehendes Recht. Ihm stehe eine grundsätzlich uneingeschränkte und eigenverantwortliche Nutzungs- und Verfügungsbefugnis zu (§ 903 Satz 1 BGB).
Zudem ist das (Nutzungs-)Recht an der Eigentumswohnung nicht zeitlich begrenzt. Demgegenüber sei es das Wesen des Mietvertrags, dass dem Mieter lediglich ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung auf Zeit zustehe. Dieser zeitlichen Begrenzung sei bei der Bestimmung der Ersatzfähigkeit von Schäden des Mieters Rechnung zu tragen.
Gemessen daran fehle es bei den vorliegend geltend gemachten Maklerkosten an dem gebotenen inneren Zusammenhang mit dem vertraglich geschützten Interesse des Mieters. Denn durch den Vertragsschluss zeige dieser – dem Wesen des Mietvertrags entsprechend – sein Interesse an der Erlangung eines zeitlich begrenzten Gebrauchsrechts. Somit sei auch (nur) dieses Interesse geschützt. Erwerbe er eine Wohnung zu Eigentum, verfolge er jedoch bezüglich der Deckung seines Wohnbedarfs andere Interessen als bisher. Daher fielen Vermögenseinbußen mittels derer sich der Mieter in die Lage versetzen wolle, auf Dauer angelegtes Eigentum zu erwerben, bei wertender Betrachtung nicht mehr unter den Schutzzweck der Vertragspflicht des Vermieters zur vorübergehenden Gebrauchserhaltung.
28.03.2022