Leitsätze:
a) Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Pflicht des Vermieters zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (Fortführung von BGH, Urteil vom 3.2.2016 – VIII ZR 69/15 NJW 2016, 1385 Rn. 10).
b) Nach dieser Maßgabe ist das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nicht schon deshalb aus formellen Gründen unwirksam mit der Folge, dass die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung als unzulässig abzuweisen wäre, weil der Sachverständige die betreffende Wohnung zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht besichtigt hat.
BGH vom 11.7.2018 – VIII ZR 136/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging um die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete können mit einem Mietspiegel oder mit mindestens drei Vergleichswohnungen oder mit einem Sachverständigengutachten begründet werden.
Zur Begründung hatte sich hier die Vermieterin auf ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen berufen. Das Gutachten, das Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die Zwei- bis Vierzimmerwohnungen des Gebäudes enthält, war dem Mieterhöhungsverlangen beigefügt.
In dem Gutachten hieß es unter anderem: „Die Wohnungen konnten nicht besichtigt werden, da keine Mieter angetroffen wurden oder sich dazu bereit erklärt haben. Deshalb wird in diesem Gutachten auf frühere Besichtigungen oder [die] mir zur Verfügung gestellten Besichtigungsdaten des Auftraggebers und Wohnungsbeschreibungen des Auftraggebers Bezug genommen. Es wurden von mir auch schon genügend Wohnungen des Auftraggebers besichtigt, die in der Ausstattung ähnlich sind.“
Die Instanzgerichte hielten das Mieterhöhungsverlangen für formell unwirksam, weil der Sachverständige weder die betreffende Wohnung noch andere Wohnungen in dem Gebäude besichtigt habe.
Der BGH sah dies anders: Zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens könne der Vermieter nach § 558 a Abs. 2 Nr. 3 BGB auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Bezug nehmen. In diesem Fall hänge die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens nicht davon ab, ob der Sachverständige die Wohnung oder im Fall eines Typengutachtens jedenfalls eine vergleichbare Wohnung besichtigt habe. Das Begründungserfordernis solle den Mieter lediglich in die Lage versetzen, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Es diene hingegen nicht dazu, bereits den Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete zu führen oder dem Mieter ein etwaiges Prozessrisiko abzunehmen.
Bei Beifügung eines Sachverständigengutachtens sei der Begründungspflicht damit grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthalte, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet werde, und zwar in einem Umfang, dass der Mieter der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und dieses zumindest ansatzweise selbst überprüfen könne. Der Sachverständige müsse somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen.
Deshalb bedürfe es in formeller Hinsicht nicht notwendigerweise einer vorherigen Besichtigung der betreffenden Wohnung durch den Sachverständigen. Wirksamkeitsvoraussetzung sei insoweit lediglich, dass die Angaben des Sachverständigen für den Mieter nachprüfbar seien. Es komme darauf an, welche Angaben das Gutachten enthalte, nicht aber, wie der Sachverständige die Grundlagen für diese Angaben gewonnen habe. Letzteres sei zwar bedeutsam, um die Qualität des Gutachtens zu beurteilen, nicht aber für die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens.
Wichtig: „Formal wirksam“ heißt noch lange nicht „inhaltlich richtig“. Im Zustimmungsprozess werden die Berliner Gerichte ohnehin in den meisten Fällen den Berliner Mietspiegel zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranziehen. Dies im Übrigen auch dann, wenn der Gutachter die Wohnungen eingehend besichtigt haben sollte.
16.09.2018