Leitsätze:
a) Durch die Zustimmung eines Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters kommt in der Regel eine Vereinbarung über die Erhöhung der Miete auf die neue Miethöhe zustande, die den Rechtsgrund für die daraufhin erbrachten erhöhten Mietzahlungen darstellt.
b) Die Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556 d ff. BGB) finden auf eine Mieterhöhungsvereinbarung während eines laufenden Mietverhältnisses keine Anwendung.
BGH vom 28.9.2022 – VIII ZR 300/21 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 13 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die im April 2016 vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete betrug zunächst 610,65 Euro (7,86 Euro pro Quadratmeter). Mit Schreiben vom 20.7.2017 verlangte die Vermieterin von den Mietern die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete um 63,43 Euro auf sodann 674,08 Euro (8,68 Euro pro Quadratmeter). Diesem Mieterhöhungsverlangen stimmten die Mieter am 6.9. 2017 zu.
Mit Schreiben vom 2.1.2019 rügten die Mieter gegenüber der Vermieterin einen Verstoß gegen die Vorschriften der sogenannten „Mietpreisbremse“.
Sie verlangten unter Fristsetzung Auskunft unter anderem über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über vorangegangene Mieterhöhungen und über durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen. Ferner begehrten sie die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Kaution sowie die Abgabe der Erklärung, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde.
Da der Vermieter untätig blieb, erhoben die Mieter eine entsprechende Klage.
Die Klage hatte jedoch in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Zu Recht, wie der BGH entschied: Richtigerweise habe das Berufungsgericht eine Anwendbarkeit der Mietpreisbremse deshalb verneint, weil die beanstandete Miete nicht auf der bei Mietbeginn geschlossenen Vereinbarung, sondern auf einer nachträglichen, einvernehmlich vereinbarten Mieterhöhung beruhte, für die die Regelungen der §§ 556 d ff. BGB nicht gelten.
Durch die Zustimmung der Mieter zu dem Mieterhöhungsbegehren sei eine wirksame Vereinbarung über die Erhöhung der Nettokaltmiete auf 674,08 Euro zustande gekommen, die den Rechtsgrund für die daraufhin jeweils erbrachten erhöhten Mietzahlungen darstelle.
Die Mietvertragsparteien hätten sich nicht auf die Vereinbarung eines Erhöhungsbetrags beschränkt, sondern in Abänderung des bisherigen Mietvertrags auch eine künftig zu bezahlende Miete in Höhe des neuen Gesamtbetrags festgelegt. Denn in dem Zustimmungsverlangen sei ausdrücklich von der „bisher vereinbarten“ Nettokaltmiete, von deren „Veränderung“ um 63,43 Euro und von der „neuen Vereinbarung“ von monatlich 674,08 Euro die Rede gewesen.
Eine solche Deutung entspreche auch dem Sinn und Zweck der Mieterhöhungsvereinbarung sowie der Interessenlage beider Parteien bei der Erhöhung einer Miete. Denn diese sei darauf gerichtet, den bestehenden Mietvertrag für die Zukunft hinsichtlich der Miethöhe einvernehmlich zu ändern. Entscheidend für die weitere vertragliche Beziehung sei nicht, um welchen Betrag die ursprüngliche Miete erhöht wurde, sondern wie hoch die künftig zu bezahlende Miete sei. Mit einer Mieterhöhungsvereinbarung wollen die Parteien ab dem vereinbarten Termin die bisherige Miete ändern und auf einen neuen Betrag festsetzen. Dementsprechend umfasse der Bindungswille der Parteien regelmäßig nicht nur die Höhe der Änderung, sondern insbesondere auch den neuen Gesamtbetrag. Eine ab Wirksamwerden der Mieterhöhung eintretende Aufgliederung der einheitlich zu bezahlenden Miete in zwei Teile, nämlich in den auf der Änderungsvereinbarung beruhenden Erhöhungsbetrag und in die bis zu diesem Zeitpunkt vereinbarte, auf dem ursprünglichen Mietvertrag beruhende Miete, stelle dagegen eine künstliche und lebensfremde Zersplitterung eines einheitlichen Lebenssachverhalts dar, die dem beschriebenen Sinn und Zweck einer Mieterhöhungsvereinbarung sowie der beidseitigen Interessenlage der Parteien zuwiderliefe.
Das Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters sei in der Regel nach dem objektiven Empfängerhorizont so zu verstehen, dass mit der angestrebten Mieterhöhungsvereinbarung der erhöhte Betrag als künftig zu zahlende Miete festgelegt werden solle. Vor diesem Hintergrund könne der vorbehaltslosen Zustimmungserklärung eines Mieters zu einer erhöhten Miete nach objektivem Empfängerhorizont regelmäßig nicht entnommen werden, dass er sich etwaige Rechte wegen einer eventuellen Unzulässigkeit der bisherigen Miete vorbehalten und deshalb nicht der neuen Gesamtmiete, sondern nur dem Erhöhungsbetrag an sich zustimmen wollte. Vielmehr sei eine solche Zustimmung aus Sicht eines objektiven Empfängers dahin zu verstehen, dass der Mieter die erhöhte Miete künftig als vertragsgemäß anerkennt.
Dies gelte im Streitfall auch deshalb, weil im Zeitpunkt der Mieterhöhungsvereinbarung ein etwaiger Rückzahlungsanspruch aus § 556 g Abs. 1 Satz 3 BGB wegen zu viel gezahlter Miete mangels Rüge nach § 556 g Abs. 2 BGB nicht bestand.
Im Hinblick auf den sich aus Wortlaut, Systematik und gesetzgeberischem Ziel eindeutigen Anwendungsbereich der §§ 556 d ff. BGB scheide eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschriften auf eine Mieterhöhungsvereinbarung in einem laufenden Mietverhältnis aus. Auch eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften auf die Vereinbarung einer Mieterhöhung in einem laufenden Mietverhältnis scheide aus. Angesichts des eindeutigen gesetzgeberischen Willens, wonach die Vorschriften nur für Vereinbarungen über die Miethöhe bei Vertragsbeginn und gerade nicht für Mieterhöhungen in einem laufenden Mietverhältnis gelten sollen, fehle es bereits an einer für eine Analogiebildung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
Für eine analoge Anwendung bestehe ohnehin kein Bedarf, da ein Mieter in einem bestehenden Mietverhältnis – anders als bei dem Neuabschluss eines Mietverhältnisses – die begehrte Mieterhöhung sorgfältig prüfen und eine Zustimmung hierzu ohne die Gefahr des Verlusts seiner Mietwohnung ablehnen könne.
Ein Mieter müsse insbesondere nicht einer Mieterhöhung über die ortsübliche Vergleichsmiete hinaus zustimmen, so dass er hinreichend vor überhöhten Mieterhöhungsverlangen geschützt sei. Einem Mieter obliege es im eigenen Interesse, das Mieterhöhungsverlangen sorgfältig – gegebenenfalls auch mit professioneller Hilfe – daraufhin zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Zustimmungspflicht vorliegen, und – sollte dies nicht der Fall sein – eine Zustimmung hierzu gegebenenfalls abzulehnen. Stimme er einem Mieterhöhungsverlangen jedoch zu, komme es für die Wirksamkeit der hierdurch begründeten Mieterhöhungsvereinbarung nicht darauf an, ob die ursprünglich vereinbarte Miete die nach den §§ 556 d ff. BGB zulässige Höhe überschritt. Denn auch diese Überprüfung und die Geltendmachung etwaiger Rechte bei einem Überschreiten der zulässigen Miethöhe oblägen einem Mieter im eigenen Interesse. Dies gelte gerade auch im Zusammenhang mit einem Mieterhöhungsverlangen. Stimme ein Mieter diesem zu, erkenne er den erhöhten Betrag ab diesem Zeitpunkt als die fortan geltende Miete an und könne sich grundsätzlich nicht mehr darauf berufen, dass die ursprünglich vereinbarte Miete zu hoch gewesen sei.
Nach alledem bestehe ein Anspruch auf Rückzahlung von zu viel gezahlter Miete nicht. Auch habe bereits bei Klageerhebung ein Anspruch auf eine Auskunft nach § 556 g Abs. 3 BGB nicht bestanden. Denn diese Vorschrift gewähre ein Auskunftsrecht (nur) bezüglich der Tatsachen, die für die Überprüfung der Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach den §§ 556 d ff. BGB maßgeblich seien. Eine nach diesen Vorschriften zu überprüfende Miete habe indes ab Wirksamwerden der Mieterhöhung nicht mehr vorgelegen.
Anmerkung: Anders dürften Sachverhalte zu beurteilen sein, wo die „Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis“ unmittelbar im Anschluss an die Vertragsunterzeichnung – also vor Vollzug des Mietvertrages beziehungsweise Überlassung der Wohnung – erfolgt.
So ist die Aufspaltung der Miete in eine Miete laut Mietvertrag in Höhe von 573,29 Euro und eine Miete laut Nachtrag zum Mietvertrag in Höhe von 716,93 Euro als Umgehung der Mietpreisbremse zu bewerten, wenn der Nachtrag vor Überlassung der Wohnung vom Mieter unterzeichnet wurde (beispielsweise am selben Tag wie der Mietvertrag). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die höhere Nachtragsmiete zum Beispiel erst drei Monate nach Mietvertragsbeginn geschuldet wird. Die Nachtragsmiete ist keine Vereinbarung im Sinne des § 557 Abs. 1 BGB, sondern ist als der maßgebliche Mietzins bei Beginn des Mietverhältnisses i.S.d. § 556 d Abs. 1 BGB anzusehen (LG Berlin vom 13.8.2018 – 66 S 45/18 ).
24.01.2023