Leitsatz:
Die Aufspaltung der Miete in eine Miete laut Mietvertrag in Höhe von 573,29 Euro und eine Miete laut Nachtrag zum Mietvertrag in Höhe von 716,93 Euro ist als Umgehung der Mietpreisbremse zu bewerten, wenn der Nachtrag vor Überlassung der Wohnung vom Mieter unterzeichnet wurde (hier am selben Tag wie der Mietvertrag). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die höhere Nachtragsmiete erst drei Monate nach Mietvertragsbeginn geschuldet wird. Die Nachtragsmiete ist keine Vereinbarung im Sinne des § 557 Abs. 1 BGB, sondern ist als der maßgebliche Mietzins bei Beginn des Mietverhältnisses im Sinne des § 556 d Abs. 1 BGB anzusehen.
LG Berlin vom 13.8.2018 – 66 S 45/18 –
Urteilstext
Aus den Gründen:
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Die Mieter erhielten Kenntnis von der Wohnung durch ein im Internet vertriebenes Exposé der Beklagten. Die Wohnung wurde darin mit Grundriss und der Ausstattung „Badewanne, Denkmalschutz, Keller, Aufzug, Balkon, Fernwärme, Parkett“ für eine Grundmiete von 716,93 € (zuzüglich gesondert ausgewiesener Betriebs- und Heizkosten) angeboten. Im Text einer hinzugefügten „Wohnungsbeschreibung“ werden zusätzlich „nach Absprache“ die Ausstattung mit „einem Parkettfußboden, Küchenbodenfliesen sowie einem Handtuchheizkörper im Bad“ angeboten. Dann heißt es: „Der angegebene Mietpreis würde die Maßnahmen bereits berücksichtigen“. …
Vor diesem Hintergrund erschienen die Mieter am 13.2.2017 bei der Beklagten und unterzeichneten 2 gesonderte Vertragsurkunden. Eine Urkunde trägt die Bezeichnung „Mietvertrag“ und beinhaltet die Anmietung der Wohnung ab 31.3.2017 für eine Miete (netto/kalt) von 573,29 €. Die zugleich unterzeichnete zweite Urkunde trägt die Bezeichnung „Nachtrag zum Mietvertrag“. In ihr werden als „Baumaßnahmen“ die Verlegung von „Mosaikparkett“ und von Küchenbodenfliesen sowie die Installation eines Handtuchheizkörpers vereinbart. Zugleich vereinbaren die Parteien als „Nettokaltmiete ab dem 1.5.2017 716,93 €“.
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… der Einwand, es liege kein Fall einer unzulässig hohen Miete „zu Beginn des Mietverhältnisses“ vor, sondern eine nach Unterzeichnung des Mietvertrages zulässige freie Vereinbarung über eine Anhebung der bisher geltenden Miete (§ 557 BGB), geht fehl.
Der vermeintliche Nachtrag wurde zugleich mit dem „eigentlichen Mietvertrag“ unterzeichnet. Allein der Nachtrag wies die einzige Miethöhe aus, die die Beklagte zuvor als die von ihr eingeplante und beabsichtigte Größe mit 716,93 € im Exposé veröffentlicht hatte. Die demgegenüber im Mietvertrag angegebene geringere Miete hat vor dem 13.2.2017 nirgends auch nur ansatzweise Erwähnung gefunden. Wann und wie die Beklagte auf den Betrag von netto/kalt 573,29 € als ernsthaft erwogenen Mietzins gekommen sein will, trägt sie selbst nicht vor.
Das Exposé enthält insoweit zwar die Erklärung, die „nach Absprache möglichen“ Ausstattungsmaßnahmen seien im angegebenen „Mietpreis bereits berücksichtigt“, mit keinem Wort klingt aber die Möglichkeit an, bei Verzicht auf solche angeblich „zusätzlichen“ Maßnahmen auch zu einem geringeren Mietzins anmieten zu können. Eine entsprechende Absicht hat auf Seiten der Beklagten offensichtlich nie bestanden. Am Tag des Mietvertragsabschlusses wurde mithin genau der (überhöhte) Mietzins vereinbart, dessen Vereinnahmung die Beklagte durchgehend angestrebt hat. Dies in einem „Nachtrag“ zu verstecken, kann nur als untauglicher Versuch einer Umgehungsvereinbarung gegenüber § 556 d BGB verstanden werden.
Dieser Eindruck wird gestützt durch die vermeintlich „geschickte“ Gestaltung, dass die (erst) in den Nachtrag geschriebene, tatsächlich aber von vornherein angestrebte und bekannt gemachte Miete „erst“ ab 01.05.2017 zu zahlen sein sollte, während das Mietverhältnis am 31.3.2017 beginnen sollte. Gerade wenn (wie das Exposé es ausdrücklich betont) die im Nachtrag vereinbarten Ausstattungen in dem beworbenen Mietpreis bereits berücksichtigt waren, ist es ganz unverständlich (und von der Beklagten auch nicht erklärt worden), warum diese Mietzinshöhe nicht „sogleich“ vereinbart wird. Erklärlich ist dies wohl nur mit dem Versuch, einen „zu Beginn des Mietverhältnisses“ (also am 31.3.2017) geringen Mietzins vorzutäuschen, also die gesetzliche Regelung durch diesen „Trick“ zu umgehen. Bei Unterzeichnung des Nachtrags hatte aber weder das Mietverhältnis zu laufen begonnen, noch war die Wohnung den Mietern bereits überlassen worden. Die latente Drucksituation für die Mieter, bei Widerstand gegen die vom Vermieter vorgesehenen Konditionen als Mietinteressenten überhaupt nicht zum Zuge zu kommen, bestand für die Mieter am 13.2.2017 während des gesamten Termins zur Unterzeichnung fort. Sie hatten noch keine Zutrittsbefugnis und keine gesicherte Rechtsposition für die Wohnung, die ihnen eine Diskussion oder erfolgversprechende Preisverhandlung erlaubt hätte. Die zu dieser Zeit von der Beklagten für das Dauerschuldverhältnis durchgesetzte Miete von 716,93 € ist also als der maßgebliche Mietzins bei Beginn des Mietverhältnisses i.S.d. § 556 d Abs. 1 BGB anzusehen.
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21.10.2019