Bezieht ein Wohnraummieter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe des SGB II, geht ein auf Rückerstattung überzahlter Miete gerichteter Bereicherungsanspruch gegen den Vermieter unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Sozialleistungsträger über.
BGH vom 5.6.2024 – VIII ZR 150/23 –
Langfassung im Internet: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Der klagende Mieter war vom 1. September 2018 bis Ende Juni 2020 – gemeinsam mit einem mit ihm nicht in Bedarfsgemeinschaft lebenden Mitmieter – Mieter einer rund 49 m2 großen Wohnung. Der Mieter, der zuvor in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt hatte, bezog bereits während dieser Zeit Leistungen nach Maßgabe des SGB II („Bürgergeld“). Mit seiner Klage machte er die Rückzahlung (vermeintlich) überzahlter Miete geltend. Das Landgericht wies die Klage ab, da dem Mieter die Klagebefugnis fehle. Soweit Bereicherungsansprüche wegen überzahlter Miete entstanden seien, seien sie nach der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch II (SGB II) auf das Jobcenter übergegangen.
Der BGH bestätigte das Urteil des Landgerichts.
Die hier maßgeblichen Passagen des § 33 SGB II lauten:
(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. […]
(4) Die Träger der Leistungen nach diesem Buch können den auf sie übergegangenen Anspruch im Einvernehmen mit der Empfängerin oder dem Empfänger der Leistungen auf diese oder diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Anspruch abtreten lassen.
Der gesetzliche Anspruchsübergang auf den Leistungsträger (hier: Jobcenter) nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II setze – so der BGH – voraus, dass dem Leistungsempfänger für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, ein Anspruch gegen einen Anderen zusteht, der nicht Leistungsträger ist. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II solle den Grundsatz des Nachrangs der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und die Refinanzierung bereits erbrachter Sozialleistungen sicherzustellen.
Der Bereicherungsanspruch eines Mieters auf Rückerstattung überzahlter Miete gegen seinen Vermieter unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sei ein Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Entsprechendes habe der BGH bereits für den Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter nach § 536a Abs. 1, § 536 Abs. 3 BGB wegen eines Mangels der Mietsache entschieden (BGH vom 21.6.2023 – VIII ZR 303/21 –).
Die geltend gemachten Bereicherungsansprüche seien hier für die Zeit entstanden, in der das Jobcenter dem Mieter Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts gewährt habe. Bei rechtzeitiger Rückerstattung der überzahlten Miete (beziehungsweise bei von vornherein nicht eingeforderter Miete) durch die Vermieterin wären diese Sozialleistungen auch nicht erbracht worden; hätte die Vermieterin die überzahlten Summen nämlich rechtzeitig zurückerstattet, so hätte der Mieter sich diese Beträge zur Deckung seines Bedarfs anrechnen lassen müssen. Denn eine Rückerstattung überzahlter Miete durch die Vermieterin wäre als Einkommen des Mieters im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu bewerten gewesen. Eine solche Rückzahlung hätte der Mieter nach Maßgabe des § 22 Abs. 3 SGB II zur Deckung seines Bedarfs einzusetzen.
Dem gesetzlichen Anspruchsübergang stehe es schließlich nicht entgegen, dass das Jobcenter hier die Bereicherungsansprüche gegen die Vermieterin weder selbst realisiert noch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Ansprüche zur gerichtlichen Geltendmachung auf den Mieter zurückzuübertragen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II). Dies betreffe ausschließlich den Verwaltungsvollzug, berühre jedoch nicht die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchsübergangs auf den Leistungsträger.
24.03.2025