Leitsatz:
Der Sinn und Zweck der Vorschriften über die Modernisierung und anschließende Mieterhöhung gebietet es, nicht nur in der Fallgestaltung, dass der Vermieter sich durch die Modernisierung bereits „fällige“ Instandsetzungsmaßnahmen erspart oder solche anlässlich der Modernisierung miterledigt werden, nach § 559 Abs. 2 BGB einen Abzug des Instandhaltungsanteils von den aufgewendeten Kosten vorzunehmen, sondern auch bei der modernisierenden Erneuerung von Bauteilen und Einrichtungen, die zwar noch (ausreichend) funktionsfähig sind und (bislang) einen zu beseitigenden Mangel nicht aufweisen, aber bereits über einen nicht unerheblichen Zeitraum ihrer zu erwartenden Gesamtlebensdauer (ab-)genutzt worden sind (hier: Austausch von etwa 60 Jahre alten Türen und Fenstern sowie einer ebenso alten Briefkastenanlage).
BGH vom 17.6.2020 – VIII ZR 81/19 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 22 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging in diesem Fall um die Frage, ob die für den Austausch der etwa 60 Jahre alten Bauteile (Haus- und Wohnungseingangstüren, Treppenhausfenster, Briefkastenanlage) aufgewendeten Kosten ungekürzt – das heißt ohne Abzug eines Instandhaltungsanteils – auf die Mieterin umgelegt werden konnten, weil die ausgetauschten Teile noch keine Defekte in der Weise aufgewiesen hatten, dass Erhaltungsmaßnahmen bereits „fällig“ gewesen wären. Der BGH verneint diese Frage und stellt sich damit gegen die bisher herrschende – wenn nicht sogar allgemeine – Ansicht in Rechtsprechung und Literatur.
Bislang wurde die Notwendigkeit einer solchen (anteiligen) Kürzung der Modernisierungskosten verneint, wenn vorhandene Bauteile durch eine moderne höherwertige Ausstattung zu einem Zeitpunkt ersetzt werden, an dem ihre durchschnittliche Lebensdauer zwar zu einem erheblichen Teil abgelaufen ist, Maßnahmen zur Erhaltung aber noch nicht „fällig“ sind, weil die vorhandenen Bauteile noch (ausreichend) funktionsfähig sind und ihnen auch sonst (bislang) ein unmittelbar zu beseitigender Mangel nicht anhaftet. Diese Auffassung stützte sich auf den Wortlaut des § 559 Abs. 2 BGB, nämlich auf die Formulierung, dass Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen „erforderlich gewesen wären“, nicht zu den aufgewendeten Kosten gemäß § 559 Abs. 1 BGB gehören.
Dieser Formulierung lasse sich nach Ansicht des BGH indes nicht zwingend entnehmen, dass für die anspruchsmindernde Berücksichtigung von Instandhaltungskosten die „Fälligkeit“ der betreffenden Erhaltungsmaßnahmen vorausgesetzt werde.
Nach dem Regelungszweck, den der Gesetzgeber mit den Vorschriften über die Modernisierung verfolgt, verbiete es sich, in Fallgestaltungen, die durch die Ersetzung schon länger genutzter Bauteile durch solche von besserer Qualität und höherem Wohnkomfort gekennzeichnet seien, die gesamten für diese Maßnahme aufgewendeten Kosten ungekürzt auf den Mieter umzulegen. Denn Sinn der Modernisierungsvorschriften sei es gerade nicht, dem Vermieter (teilweise) auch die Umlage von Instandhaltungskosten auf den Mieter zu ermöglichen; vielmehr sollten Verbesserungen der Mietsache (Energieeinsparung, nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts, Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse) dadurch gefördert werden, dass für den Vermieter durch die Möglichkeit der Umlage der darauf entfallenden Kosten auf den Mieter ein Anreiz zur Vornahme dieser Maßnahmen gesetzt werde, und die Interessen des Mieters dadurch gewahrt würden, dass er spiegelbildlich von einer Erhöhung des Gebrauchswerts profitiere. Hier entscheidend auf die „Fälligkeit“ von Erhaltungsmaßnahmen abzustellen, würde in zahlreichen Fällen zu zufälligen Ergebnissen führen. Besonders augenfällig werde dies, wenn Modernisierungsmaßnahmen zu einem Zeitpunkt erfolgten, in dem die Lebensdauer der ersetzten Bauteile oder Einrichtungen bereits zu einem sehr großen Teil abgelaufen sei. Jedenfalls lägen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber dem Vermieter zwecks Förderung von Gebäudeinvestitionen zum Nachteil des Mieters die Möglichkeit eröffnen wollte, künftig anfallende – grundsätzlich vom Vermieter zu tragende – Kosten für Erhaltungsmaßnahmen durch geschicktes Vorgehen, namentlich durch Vornahme der Modernisierung kurz vor „Fälligkeit“ der Erhaltungsmaßnahmen, auf den Mieter abzuwälzen.
Die Umlagefähigkeit der (reinen) Modernisierungskosten werde durch den Abzug (fiktiv) ersparter Instandhaltungskosten in derartigen Fallgestaltungen nicht infrage gestellt. Auch werde die Ermittlung der umlagefähigen Modernisierungskosten dadurch nicht nennenswert erschwert, denn regelmäßig werde eine Schätzung genügen (§ 559 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB), die sich an der üblichen Lebensdauer der erneuerten Einrichtung und dem bereits eingetretenen Abnutzungsgrad orientiere.
Abschließend weist der BGH noch auf die Beweislastverteilung in diesen Fällen hin: Hiernach habe der Vermieter darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass es sich bei den baulichen Maßnahmen, aufgrund derer die Mieterhöhung erfolgen soll, um Modernisierungs- und nicht um Erhaltungsmaßnahmen handele. Da den Vermieter zudem die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der umlagefähigen Kosten treffe, sei es im Streitfall ebenfalls seine Sache, darzulegen und zu beweisen, dass die der Mieterhöhung zugrunde gelegten Kosten nicht (teilweise) auf der Erhaltung dienende Maßnahmen entfallen seien.
Mieter sollten diese neue Rechtsprechung offensiv anwenden, auch wenn der BGH keine konkreten Hinweise gegeben hat, wie im jeweiligen Fall die Schätzung des Instandsetzungsabzuges zu erfolgen hat. Hier Maßstäbe vorzulegen, wird die Aufgabe der Instanzenrechtsprechung sein.
19.09.2021