Leitsätze:
Die Unterlassung der Tagesmuttertätigkeit in einer vermieteten Eigentumswohnung kann von dem vermietenden Wohnungseigentümer jedenfalls verlangt werden, solange diese Nutzungsart durch bestandskräftigen Eigentümerbeschluss untersagt worden ist.
Wohnungseigentümern bleibt es unbelassen, einen Antrag auf Zustimmung zur Nutzung einer Wohnung zum Betrieb einer entgeltlichen Tagespflegestelle für Kleinkindern zu stellen, über den dann unter Beachtung „der Wertungen des § 22 Abs. 1 a BImSchG, die nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf das Wohnungseigentumsrecht ausstrahlen sollen“, abgestimmt werden muss.
BGH vom 13.7.2012 – V ZR 204/11 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 8 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Zwei Wohnungseigentümer stritten darüber, ob eine Tätigkeit als Tagesmutter in der Anlage zulässig sei. Die Wohnung der klagenden Eigentümerin befand sich im Erdgeschoss des Hauses, die darüber liegende Wohnung des beklagten Eigentümers im ersten Obergeschoss. Die Mieterin der Obergeschoss-Eigentümer betreute in ihrer Wohnung mit Erlaubnis der Stadt gegen Entgelt täglich von 7 Uhr bis 19 Uhr fünf Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren. Auf einer Eigentümerversammlung erreichte ein Antrag, der Mieterin die Tätigkeit zu genehmigen, nicht die erforderliche Mehrheit. Dieser ablehnende Beschluss wurde auch nicht angefochten. Die Erdgeschosseigentümerin verlangte deshalb von den Obergeschoss-Eigentümern, die Nutzung der Wohnung als Kindertagespflegestelle zu unterlassen.
Der Bundesgerichtshof entschied wie aus dem Leitsatz ersichtlich. Zwar gehöre zum Wohnen auch die Möglichkeit, in der Familie neben den eigenen Kindern fremde Kinder zu betreuen, etwa bei regelmäßigen Besuchen von Freunden der Kinder oder im Wege der Nachbarschaftshilfe. Hiervon zu unterscheiden sei jedoch die Nutzung der Wohnung zur (werk-)täglichen Erbringung von Betreuungsdienstleistungen gegenüber Dritten in Form einer Pflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder, bei der der Erwerbscharakter im Vordergrund steht. Eine solche teilgewerbliche Nutzung der Wohnung wird vom Wohnzweck nicht mehr getragen.
Nach § 22 Absatz 1 a Bundesimmissionsschutzgesetz sind Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
07.06.2018