Leitsätze:
Wird der Vermieter einer Wohnung verurteilt, die Anbringung eines Transparents, Plakats oder Banners durch den Mieter an der Fassade des Hauses zu dulden, richtet sich die Beschwer des Vermieters nach dem Wertverlust, den er durch die Beeinträchtigung der Substanz und/oder des optischen Gesamteindrucks seines Hauses erleidet.
Zudem ist bei der Bemessung der durch die Eigentumsstörung verursachten Beschwer des Vermieters zu berücksichtigen, ob der Text des Transparents, Banners oder Plakats den Eindruck erwecken kann, der Vermieter missachte Mieterinteressen.
BGH vom 21.5.2019 – VIII ZB 66/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 7 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging um die Frage, ob ein 4 Meter breites und 1,5 Meter hohes Transparent an der Außenfassade eines Mietshauses mit dem Text: „Wir bleiben alle – soziale und widerständige Orte schaffen und erhalten“, eine schwerwiegende optische Beeinträchtigung darstellt. Die Nachbarn eines gekündigten und zwischenzeitlich geräumten Kiezladens hatten das Transparent an dem straßenseitigen Balkon ihrer Mietwohnung mit Schnüren angebracht. Das Amtsgericht Neukölln hatte die Vermieterin, eine in Luxemburg ansässige Kapitalgesellschaft, verurteilt, das Transparent am Balkon der Mietwohnung zu dulden. Die Berufung der Vermieterin gegen diese Entscheidung verwarf das Landgericht Berlin, weil der Streitwert unter 600 Euro läge und somit eine Berufung unzulässig sei. Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung auf. Der Wert des Beschwerdegegenstandes liege über 600 Euro, das Landgericht Berlin muss noch einmal urteilen. Der Bundesgerichtshof erklärte, die Beschwerde der Vermieterin richte sich nach dem Wertverlust, den sie durch die Beeinträchtigung der Substanz und/oder des optischen Gesamteindrucks ihres Hauses erleide.
Eine Substanzbeeinträchtigung, dass heißt eine Beschädigung des Hauses, liege zwar nicht vor. Aber durch das großflächige und auffällige, an der straßenseitigen Fassade angebrachte Transparent werde eine schwerwiegende optische Beeinträchtigung bewirkt. Zudem könne der Text des Transparentes den Eindruck erwecken, die Vermieterin missachte Mieterinteressen. Auch dies könne bei der Bemessung der durch die Eigentumsstörung verursachten Beschwer nicht unberücksichtigt bleiben.
29.08.2019