Leitsatz:
Zu den Anforderungen an die tatrichterliche Würdigung des Parteivortrags und des Beweisergebnisses, wenn der nach einer Bedarfskündigung ausgezogene Mieter Schadensersatz wegen vorgetäuschtem Bedarf im Hinblick darauf begehrt, dass der Vermieter den zur Grundlage der Kündigung gemachten behaupteten Bedarf anschließend nicht verwirklicht hat.
BGH vom 29.3.2017 – VIII ZR 44/16 –
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Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter hatte das Mietverhältnis ordentlich gekündigt. Zur Begründung hatte er ausgeführt, die Wohnung werde für den neuen Hausmeister benötigt. Da der Mieter zunächst nicht auszog, erhob der Vermieter Räumungsklage. Im Räumungsprozess schlossen die Parteien im Juni 2011 einen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Mieter, die Wohnung bis spätestens Ende 2011 zu räumen. Nachdem der Mieter Ende Oktober 2011 aus der Wohnung ausgezogen war, zog nicht der angekündigte neue Hausmeister, sondern eine Familie in die Wohnung ein.
Der Mieter verlangt nun vom Vermieter Ersatz der Umzugskosten, der Mehrkosten, die ihm durch die höhere Miete für die neue Wohnung und dadurch entstehen, dass er den Weg zur Arbeit nicht mehr wie bisher zu Fuß zurücklegen könne, sowie Ersatz der Prozesskosten des Räumungsrechtsstreits – insgesamt knapp 26 000 Euro.
Das Landgericht wies die Schadensersatzklage ab.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen unter Beachtung seiner Rechtsauffassung getroffen werden.
Den Vermieter treffe nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 11.10.2016 – VIII ZR 300/15) in Fällen, in denen er den zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert, eine besondere („sekundäre“) Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des Bedarfs. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht um, liegt nämlich der Verdacht nahe, dass der Bedarf nur vorgeschoben gewesen ist. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substanziiert und plausibel („stimmig“) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen sein soll.
Diesen strengen Anforderungen war der Vermieter hier nicht gerecht geworden. Bei einer tatsächlich bestehenden Bedarfslage wäre zu erwarten gewesen, dass er mit dem neuen Hausmeister jedenfalls nach Abschluss des Räumungsvergleichs im Juni 2011 alsbald einen Mietvertrag abschließen oder sich zumindest über den voraussichtlichen Mietbeginn und die genaue Miethöhe verständigen würde. Hierzu hatte der beklagte Vermieter jedoch nichts vorgetragen, sondern ausgeführt, der Hausmeister habe sich erst in der ersten Novemberwoche „überlegt“ und ihm mitgeteilt, dass die im dritten Obergeschoss liegende Wohnung wegen seiner – seit längerem andauernden – Kniebeschwerden für ihn ungeeignet sei und er sie deshalb nunmehr doch nicht anmieten wolle. Diese Darstellung erschien jedoch nicht plausibel und kaum nachvollziehbar.
Kommt der Vermieter seiner besonderen Darlegungslast in derartigen Fällen nicht nach, ist die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung – hier das Vortäuschen eines nicht bestehenden Bedarfs an der Wohnung – als unstreitig zu behandeln.
17.12.2017