Leitsätze:
a) Die bei Abschluss eines Wohnraummietvertrages getroffene Beschaffenheitsvereinbarung zur Wohnungsgröße ist – und zwar auch bei Abweichungen von bis zu 10 Prozent – nicht geeignet, die bei einer späteren Mieterhöhung zu berücksichtigende Größe der Wohnung durch einen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichenden fiktiven Wert verbindlich festzulegen (Aufgabe der Senatsrechtsprechung, zuletzt Senatsurteil vom 8. Juli 2009 – VIII ZR 205/08, NJW 2009, 2739 Rn. 10, 13 mwN). Vielmehr ist jede im Wohnraummietvertrag enthaltene, von der tatsächlichen Wohnungsgröße abweichende Wohnflächenangabe für die Anwendbarkeit des § 558 BGB und die nach dessen Maßstäben zu beurteilende Mieterhöhung ohne rechtliche Bedeutung. Maßgeblich für den nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Abgleich der begehrten Mieterhöhung mit der ortsüblichen Vergleichsmiete ist allein die tatsächliche Größe der vermieteten Wohnung.
b) Auch in Fällen, in denen sich nachträglich herausstellt, dass die tatsächliche Wohnfläche über der bis dahin von den Mietvertragsparteien angenommenen oder vereinbarten Wohnfläche liegt, kommt bei einseitigen Mieterhöhungen die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB zur Anwendung, zu deren Bemessung die zu Beginn des Vergleichszeitraums geltende Ausgangsmiete der ortsüblichen Vergleichsmiete gegenüberzustellen ist.
BGH vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 14 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Bundesgerichtshof hat damit seine bisherige Rechtsprechung korrigiert. Für Wohnflächenabweichungen gilt nicht mehr generell eine 10-prozentige Toleranzgrenze. Bei Mietererhöhungen gilt jetzt die tatsächliche Wohnfläche – egal, welche Wohnungsgröße im Mietvertrag vereinbart ist, und egal, wie hoch die prozentuale Abweichung ist. Zu entscheiden hatte der Bundesgerichtshof hier einen atypischen Fall. Während im Mietvertrag eine Wohnfläche von 156,95 Quadratmetern genannt wurde, war die Wohnung tatsächlich 210,43 Quadratmeter groß. Der Vermieter wollte die Miete von 629,75 Euro um 15 Prozent erhöhen und zusätzlich die bisher nicht berücksichtigte Wohnfläche erst-mals für eine Mieterhöhung nutzen. Zwar kann sich nach der Entscheidung des BGH der Vermieter mit seiner Mieterhöhung auf die tatsächliche Wohnfläche stützen, er muss aber immer die Kappungsgrenze einhalten. Eine Mieterhöhung von mehr als 15 Prozent beziehungsweise 20 Prozent in drei Jahren ist nicht zulässig. Für Mieter viel wichtiger ist aber natürlich die umgekehrte Frage: Was ist, wenn die Wohnung tatsächlich kleiner ist als im Mietvertrag angegeben? Auch dann gilt: Es kommt auf die tatsächliche Wohnfläche und nicht auf die vereinbarte an.
Der BGH hält aber ausdrücklich daran fest, dass ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) gegeben ist, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 Prozent unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt.
Nicht Stellung genommen hat der BGH in dieser Entscheidung zu der Frage, ob für die Umlage von Betriebskosten von der tatsächlichen Wohnfläche abweichende Vereinbarungen maßgeblich sein können. Bislang galt: Weicht die im Mietvertrag vereinbarte Wohnfläche von der tatsächlichen Wohnfläche ab, so ist der Abrechnung von Betriebskosten die vereinbarte Wohnfläche zugrunde zu legen, wenn die Abweichung nicht mehr als 10 Prozent beträgt (BGH vom 31.10.2007 – VIII ZR 261/06).
05.05.2018