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In vielen Fällen lassen sich die unterschiedlichen Positionen und gegensätzlichen Interessen der Vertragsparteien nur gerichtlich klären. Dann haben in erster Instanz die Amtsgerichte darüber zu entscheiden, ob eine Mieterhöhung durchsetzbar ist, ob ein Kündigungsgrund tatsächlich einleuchtet oder ob ein Vermieter zur Durchführung einer Reparatur in der Wohnung verpflichtet ist. Vor den Berliner Amtsgerichten werden jährlich im Schnitt 25.000 Mietsachen verhandelt – rund zehn Prozent hiervon werden durch Berufung vom Landgericht Berlin in zweiter Instanz entschieden.
Ein Rechtsstreit wird normalerweise durch ein vorgerichtliches Schreiben, zum Beispiel durch eine Kündigung oder eine Mieterhöhung des Vermieters oder durch einen Schriftwechsel über andere Probleme wie zum Beispiel eine Reparaturforderung des Mieters ausgelöst. Wenn nun der Empfänger des entsprechenden Schreibens der darin enthaltenen Aufforderung nicht nachkommt, der Mieter also beispielsweise nicht auszieht oder eine höhere Miete zahlt oder der Vermieter eine größere Reparatur nicht durchführen lässt, bleibt demjenigen, der eine Forderung hat oder zumindest glaubt, ein Recht hierauf zu haben, nur der Rechtsweg, also der Gang zum Gericht.
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
Wie kommt ein Gerichtsverfahren in Gang?
Derjenige, der klagen will, muss zunächst einmal nicht selbst vor Gericht erscheinen. Ein Prozess wird vielmehr durch Einreichen einer Klageschrift beim Amtsgericht ausgelöst. In Wohnraummietsachen ist immer das Amtsgericht zuständig, in dessen Bereich die Mietwohnung liegt. In der Klageschrift wird ausgeführt, welche Forderungen erhoben werden (Klageantrag) und warum diese Ansprüche bestehen (Klagebegründung). In dieser Klageschrift sollen bereits die Beweismittel genannt werden. Der Kläger, also derjenige, der eine Klageschrift einreicht, muss beispielsweise Zeugen benennen oder Sachverständigengutachten oder sonstige Schriftstücke vorlegen können, die seine Behauptungen beweisen.
Der Gegner, der in diesem Fall Beklagter genannt wird, erhält von dieser Klageschrift eine Kopie. Diese wird durch das Gericht zugestellt und ist mit der Mitteilung verbunden, sich binnen einer Frist von zwei bis vier Wochen zur Klage zu äußern und dem Gericht mitzuteilen, ob man sich gegen die Klage verteidigen wolle. Gleichzeitig teilt das Gericht Ort und Zeit des ersten Verhandlungstermins mit, sofern es sich nicht zunächst für ein schriftliches Verfahren entscheidet. Die beklagte Partei wird vom Gericht darauf aufmerksam gemacht, dass sie den Prozess allein deswegen verlieren kann, dass sie innerhalb der genannten Frist nicht reagiert. Gerichtliche Aufforderungen und Fristsetzungen sollten also in jedem Falle beachtet werden.
Die Zustellung der Klageschrift erfolgt durch die Post mittels des berühmten „blauen Briefs“, einer Zustellungsurkunde. Wenn der Briefträger die beklagte Partei oder deren Angehörige nicht antrifft, wird durch so genannte Niederlegung zugestellt, das heißt, im Briefkasten findet sich eine Benachrichtigung über die „Niederlegung eines Schriftstücks“. Der Brief sollte dann so schnell wie möglich von der Post abgeholt werden, da diese Benachrichtigung schon die Zustellung darstellt, so dass Fristen, insbesondere die Klageerwiderungsfrist, ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen – und nicht erst in dem Moment, in dem ein Beklagter seine Klageschrift tatsächlich von der Post abgeholt hat.
Wer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in einer Beratungsstelle des Berliner Mieterverein war, sollte dies spätestens jetzt nachholen und die Klageschrift einem Rechtsberater vorlegen.
Wer ist am Prozess beteiligt?
Beteiligt in einem Zivilprozess sind der oder die Kläger, also diejenigen, die von ihrem jeweiligen Vertragspartner etwas verlangen und der oder die Beklagten. Beide Prozessparteien können sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Daneben sind bei der Verhandlung im Amtsgericht noch ein Richter sowie ein Protokollbeamter anwesend. Im Gegensatz zum Strafprozess gibt es keinen Staatsanwalt und auch keine Angeklagten. Zivilprozesse sind zwar auch öffentlich, Zuschauer aber selten.
In der ersten Instanz am Amtsgericht herrscht kein Anwaltszwang, jeder kann selbst vor Gericht auftreten. Wegen der Tücken, die das Prozessrecht allerdings für den Laien und auch für Fachleute aufweisen kann, sollte auf eine anwaltliche Vertretung zumindest in Fällen, in denen es um Kündigungen oder hohe Geldforderungen geht, nie verzichtet werden. Prozessbeteiligte im weiteren Sinne sind die von den Klägern beziehungsweise den Beklagten benannten Zeugen und Sachverständigen.
Wie verläuft eine Gerichtsverhandlung?
Im ersten mündlichen Verhandlungstermin wird die streitige Angelegenheit zwischen den Prozessparteien und dem Richter mündlich erörtert, nachdem zuvor bereits schriftliche Argumente ausgetauscht wurden. Zu dieser ersten Verhandlung müssen Kläger oder Beklagte in aller Regel, wenn sie anwaltlich vertreten sind, nicht selbst erscheinen – es sei denn, das Gericht hat das Erscheinen der Parteien ausdrücklich angeordnet.
Grundsätzlich ist seit dem 1.1.2002 in jedem erstinstanzlichen Verfahren eine Güteverhandlung obligatorisch (§ 278 Abs. 2 ZPO). Das bedeutet: Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits seine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden.
Führt die Güteverhandlung nicht zum Erfolg, beginnt die erste Verhandlung. Sie dauert oft nicht sehr lange. Meist ist eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten auf den gleichen Termin angesetzt und die Verfahren werden dann der Reihe nach kurz verhandelt. Der Verfahrensablauf im Einzelnen hängt allerdings von der Organisation des zuständigen Richters ab. Es kann durchaus auch im ersten Termin bereits zu einer ganz ausführlichen Sacherörterung kommen. Oft jedoch werden zwischen Richtern und Anwälten nur wenige kurze Sätze gewechselt, die für Laien häufig völlig unverständlich sind, da es sich hierbei meist um Kurzformeln aus dem Juristendeutsch handelt. Weil die Verhandlungsführung im Einzelnen dem zuständigen Richter überlassen ist, kann es aber vorkommen, dass der Richter zur Aufklärung eines Sachverhalts auch die Parteien, soweit sie erschienen sind, persönlich anhört. Ergebnis einer solchen Verhandlung kann bereits ein Urteil sein. Falls der Richter zum Ergebnis gelangt, dass weitere Umstände aufzuklären sind und der Streit sich nicht ohne Anhörung von Zeugen oder Sachverständigen entscheiden lässt, wird ein weiterer Termin festgesetzt.
Die Beweislast
Die sogenannte Beweislast ist oft für den Ausgang eines Rechtsstreits ausschlaggebend. Die prozessentscheidenden Umstände müssen jeweils von demjenigen bewiesen werden können, der Ansprüche erhebt. Wenn beispielsweise der Vermieter eine Kündigung mit Eigenbedarf begründet und deswegen den Mieter auf Räumung verklagt, muss er vor Gericht nachweisen können, dass dieser Eigenbedarfsgrund tatsächlich besteht. In diesem Falle trägt der Vermieter die Beweislast, und er wird den Prozess verlieren, wenn er den Richter nicht von seinen Behauptungen überzeugen kann. Das heißt also, Recht haben alleine genügt noch nicht, vielmehr muss man seine Behauptungen durch anerkannte Beweismittel vor Gericht belegen können.
Das Urteil
Soweit sich die Prozessparteien nicht auf einen Vergleich einigen können, findet das Gerichtsverfahren seinen Abschluss durch ein Urteil, welches vom Gericht erlassen und schriftlich begründet wird. Dieses Urteil ist aber nur maßgeblich für die direkt Prozessbeteiligten, also die klagende und die beklagte Partei, und hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf andere Rechtsverhältnisse. Wenn ein Mieter einen Prozess gegen seinen Vermieter gewonnen hat, hilft dies zunächst nur ihm allein – mittelbar kann jedoch auch ein Nachbar aus einem solchen Urteil Nutzen ziehen, da üblicherweise angenommen wird, dass ein Gericht in einem vergleichbaren Fall auch wieder gleich entscheiden wird. Das Urteil oder der gerichtliche Vergleich sind Voraussetzung für eine zwangsweise Durchsetzung der Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung.
Die Berufung
Derjenige, der vor dem Amtsgericht verloren hat und dessen Urteil nicht akzeptieren will, hat die Möglichkeit, eine weitere Instanz anzurufen, nämlich Berufung zum Landgericht einzulegen. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des begründeten Urteils des Amtsgerichts eingelegt werden. Wer diese Frist unentschuldigt versäumt, kann gegen das Amtsgerichtsurteil nichts mehr unternehmen. Es wird dann rechtskräftig und damit bindend für die Beteiligten. In Berlin gibt es fünf Landgerichtskammern, die für die Berufungen gegen amtsgerichtliche Urteile in Wohnraummietsachen zuständig sind. Zur Entlastung des Landgerichts von Bagatellstreitigkeiten kann eine Berufung nur gegen solche Urteile eingelegt werden, deren Streitwert, also der Wert des Klagegegenstandes, 600 Euro übersteigt. Geht es in einer Zahlungsklage beispielsweise nur um einen streitigen Anspruch von 450,- Euro, dann entscheidet das Amtsgericht zugleich als erste und letzte Instanz über diesen Streit.
Daneben gibt es seit dem 1.1.2002 die streitwertunabhängige Zulassungsberufung (§ 511 Abs. 2, 4 ZPO). In Wohnraummietsachen hat in bestimmten Fällen das Amtsgericht als erste Instanz die Berufung zum Landgericht zuzulassen. Nach § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO ist die Berufung zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (siehe hierzu auch unten „Wegfall des Rechtsentscheids“).
Im Gegensatz zum Amtsgericht herrscht beim Landgericht Anwaltszwang, also für die Einlegung der Berufung muss ein Anwalt oder eine Anwältin beauftragt werden. Nicht selten kommt das Berufungsgericht zu einer Entscheidung, die von der des Amtsgerichts abweicht und die das Urteil der ersten Instanz aufhebt oder ändert. Auch vom Landgericht werden viele Rechtsstreitigkeiten durch Vergleich beendet. Mit einem Vergleich oder einem Urteil des Landgerichts ist dann der Rechtsweg in der Mietstreitigkeit auch in aller Regel beendet.
Die Revision
Seit dem 1. Januar 2002 besteht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen nach Durchlaufen der ersten Instanz beim Amtsgericht und der zweiten Instanz beim Landgericht, drittens beim Bundesgerichtshof zu landen. Die Zulassungsrevision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ist nämlich nunmehr grundsätzlich auch bei Wohnraummietsachen – unabhängig vom Streitwert – möglich (§ 543 ZPO). Das Landgericht – als Berufungsinstanz – muss die Revision zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Zeigt sich das Landgericht unwillig, die Revision zuzulassen, können die Prozessparteien die so genannte Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) erheben. Nichtzulassungsbeschwerde und Revision können nur eingelegt und begründet werden durch beim BGH in Karlsruhe zugelassene Anwälte.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig bei Werten über 20.000 Euro (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Die Verfassungsbeschwerde wird deshalb zuweilen als „Alternative“ zur Nichtzulassungsbeschwerde herhalten müssen.
Neben der „normalen“ Revision besteht nun auch die Möglichkeit der Sprungrevision vom Amtsgericht gleich zum BGH unter Umgehung der Berufungsinstanz vor dem Landgericht (§ 566 ZPO). Voraussetzung ist die Einwilligung des Gegners und ein Streitwert über 600 Euro sowie die Zulassung durch den BGH wegen grundsätzliche Bedeutung oder zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung. Auf Grund der Sprungrevision können Entscheidungen zu wichtigen Rechtsfragen künftig grundsätzlich in vergleichsweise kurzer Zeit durch den BGH ermöglicht werden.
Die Zwangsvollstreckung
Mit einem Urteil oder einem gerichtlichen Vergleich wird nur die direkte inhaltliche Auseinandersetzung vor Gericht beendet. Derjenige, der den Prozess gewonnen hat, hat also nun auch die Bestätigung, „Recht zu haben“. Recht bekommen hat er damit noch lange nicht, da nicht jeder Schuldner, also derjenige, der Forderungen aus einem Urteil oder Vergleich zu erfüllen hat, freiwillig seinen Verpflichtungen nachkommt. Derjenige, zu dessen Gunsten das Urteil oder der Vergleich lautet, kann bei Gericht eine sogenannte „vollstreckbare Ausfertigung“ des Urteils oder des Vergleichs beantragen.
Zahlt der Gegner nicht wie vorgesehen, kann ein Gerichtsvollzieher beauftragt werden, der dann das Urteil zwangsweise vollstreckt. Im Falle einer Zahlungsforderung ist der Gerichtsvollzieher berechtigt, bei dem Schuldner Geld zu beschlagnahmen, Gegenstände zu pfänden und unter Umständen sogar die Wohnung zu öffnen, wenn sich der Schuldner hartnäckig seinen Zahlungsverpflichtungen entziehen will. Wenn das Urteil keine Geldzahlung, sondern beispielsweise eine Reparaturverpflichtung des Vermieters vorsieht, kann der Mieter über den Gerichtsvollzieher solange pfänden lassen, bis das notwendige Geld für die Instandsetzung zusammengekommen ist. Wenn es sich um Verpflichtungen handelt, die nur höchstpersönlich erfüllt werden können, kann das Gericht auch ein Zwangsgeld anordnen.
Die Räumungsvollstreckung
Der schlimmste Fall der Zwangsvollstreckung für einen Mieter ist die Verurteilung zur Räumung der Wohnung, wenn auf Grund einer Kündigung das Gericht der Räumungsklage eines Vermieters stattgegeben hat. Die Einzelheiten hierzu enthält unser Info Nr. 121 („Räumungsfrist und Vollstreckungsschutz“).
Die Prozesskosten
Rechtsstreitigkeiten kosten Geld und es gilt die Regel, dass derjenige bezahlt, der den Prozess verliert. Die Einzelheiten hierzu entnehmen Sie bitte unserem Info Nr. 179 („Prozesskosten“).
Das Mahnverfahren
Anstatt eine Zahlungsforderung direkt mit einer begründeten Klage gerichtlich durchsetzen zu lassen, besteht auch die vereinfachte Möglichkeit, durch das gerichtliche Mahnverfahren Zahlungen von einem Schuldner einzufordern.
Die einstweilige Verfügung
Durch das ordentliche Gerichtsverfahren ist schnelle Hilfe normalerweise nicht zu erreichen, da Prozesse schon beim Amtsgericht im Schnitt vier bis sechs Monate dauern und im Falle der Berufung sich noch um ein bis zwei Jahre verlängern können, wenn vor dem Landgericht erneut verhandelt werden muss.
Wenn schnelle gerichtliche Hilfe notwendig ist, weil sich der Vermieter beispielsweise im Winter weigert, die Heizung anzuschalten oder Handwerker des Vermieters beginnen, den mitgemieteten Balkon der Wohnung abzureißen, dann kann der Mieter über einen Rechtsanwalt – oder im wirklichen Eilfall auch selbst – beim zuständigen Amtsgericht eine sogenannte „einstweilige Verfügung“ beantragen. Für diesen Eilfall stehen bei allen Amtsgerichten Bereitschaftsrichter zur Verfügung. Wenn der Gang zum Anwalt zu lange dauern würde, hilft dem Mieter, der eine schnelle Gerichtsentscheidung benötigt, die Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk seine Wohnung liegt.
Eine einstweilige Verfügung wird aber nur dann erlassen, wenn andernfalls ein nicht wiedergutzumachender Schaden oder Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen entstehen würde. Das gleiche gilt umgekehrt auch für den Vermieter. Nicht jede Weigerung eines Mieters, Handwerker in die Wohnung zu lassen, die ihm der Vermieter geschickt hat, rechtfertigt daher den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der Vermieter in solchen Fällen oft drohen.
Der Antragsteller muss dem Gericht glaubhaft machen, dass seine Sache so dringend und eilig ist, wie er meint – im Zweifel wird der Richter daher auch die Gegenseite zum Antrag anhören und erst dann eine Verfügung erlassen. Wichtig: Auch Eilentscheidungen sind mit Rechtsmitteln aber angreifbar.
17.05.2022