Leitsatz:
Ein Schadensersatzanspruch des Mieters auf Grund vorgetäuschten Eigenbedarfs nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Mieter bei Vergleichsabschluss erkennbar vom Vorliegen des Eigenbedarfs ausgegangen ist.
LG Berlin, Urteil vom 19.10.00 – 61 S 629/99 –
Mitgeteilt von RAen Christian Emmerich und Reinhard Lebek
Urteilstext
Aus Tatbestand und Entscheidungsgründen:
… 1. Es kann dahinstehen, ob der von dem Beklagten geltend gemachte Eigenbedarf an der ehemals von dem Kläger innegehaltenen Wohnung vorgetäuscht war, wie der Kläger behauptet. Der Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs steht der Vergleichsschluss vor dem Amtsgericht Charlottenburg am 4.12.1997 entgegen, mit dem sich der Kläger der Geltendmachung von derartigen Schadensersatzansprüchen begeben hat. Dies ergibt eine Prüfung anhand der Umstände des Einzelfalls, nach denen nach dem Inhalt des Vergleichs nachträgliche Schadensersatzansprüche des Mieters ausgeschlossen sein sollten (vgl. hierzu OLG Frankfurt, RE vom 6.9.1994, WM 1994, 600 ff.).
Zwar hat vorliegend der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Beklagten den Vergleichsschluss in seinem Schreiben vom 1.12.1997 ausdrücklich im Vertrauen darauf angeboten, dass die in der Eigenbedarfskündigung genannten Gründe gegeben sind. Jedoch fand diese Erklärung im Ergebnis weder als Präambel noch sonstiger Zusatz Eingang in den Vergleich der Parteien. Stattdessen verzichtete der hiesige Beklagte und dortige Kläger in dem Vergleich darauf, dass der hiesige Kläger Schönheitsreparaturen durchführt und Einbauten zurückbaut. Im Hinblick hierauf hat der hiesige Beklagte bei dem Vergleichsschluss aber nicht nur geringfügig zur Durchsetzung seines Räumungs- und Herausgabebegehrens nachgegeben. Denn der Kläger hatte Anspruch darauf, dass der Beklagte diesen Verzicht im Gegenzug für die Räumung und Herausgabe der Mietsache übernimmt, nicht. Unter diesen Umständen stellt sich der Verzicht des Beklagten jedenfalls im Ergebnis im Sinne eines gegenseitigen Nachgebens (§ 779 BGB) als Gegenleistung dafür dar, dass der Vergleich nicht unter der Präambel geschlossen wurde, wie sie der Kläger wenige Tage zuvor noch vorgeschlagen hatte.
Darauf, dass dies allein darauf zurückzuführen gewesen sein soll, dass der Vergleich im Verhandlungstermin von dem Vorsitzenden in abgewandelter Form aufgenommen wurde, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Denn wäre er mit dieser Fassung nicht einverstanden gewesen, hätte er den Vergleich nicht genehmigen lassen dürfen.
Nach dem objektiv zu beurteilenden Vergleichsinhalt ist aber offensichtlich, dass die Parteien einen etwaig drohenden Streit über die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung haben abwenden wollen. Denn auch wenn dieser Streit nicht Gegenstand des damaligen Prozesses war, so war er doch Gegenstand der vergleichsweise erzielten Einigung.
Dass es – was ebenfalls denkbar wäre – allein deshalb zu dem Vergleichsschluss gekommen ist, weil der Beklagte durch Abwendung eines drohenden Prozesses Zeit hat gewinnen wollen, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten zu seiner Bedarfsplanung auch nicht erkennbar. Vielmehr war es nach den vorgetragenen Umständen der Kläger, der, durch die Eigenbedarfskündigung zur Neuorientierung veranlasst, an einer schnellen Beendigung des Mietverhältnisses ein Interesse hatte.
In Zusammenschau all dieser Umstände vermag die Kammer deshalb nicht zu erkennen, dass der Kläger sich die Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch den getroffenen Vergleich nicht hat „abkaufen“ lassen.
2. Die Anfechtung des Vergleichs gemäß §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB scheidet bereits deshalb aus, weil der Vergleich den durch die angebliche Täuschung entstandenen Streit gerade beilegen wollte (vgl. Staudinger, 13. Aufl., § 779 Rz. 81; Erman, BGB 2000, § 779, Rz. 28).
Auch zielt der Kläger mit seinem Begehren in der Konsequenz nicht auf die sich dann ergebende Nichtigkeit des Vergleichs, die folgerichtig zur Wiedereinräumung des Besitzes an der Mietwohnung führen müsste.
Unabhängig hiervon hätte die Anfechtung des Vergleichs in dem Verfahren zu erfolgen, in dem er geschlossen wurde. …
Anmerkung der Redaktion:
Vgl. auch: LG Berlin – ZK 65 – GE 95, 1551; LG Berlin – ZK 64 – GE 96, 1487
29.03.2022